Im Ministerratszimmer im Parlament starteten am Dienstagnachmittag die Regierungsverhandlungen. Die Koordinierungsteams von SPÖ und ÖVP erörterten den Ablauf der Gespräche in den nächsten Wochen. Die SPÖ-Verhandler betraten den Raum durch die Hintertür, die ÖVP-Verhandler blieben gegenüber den wartenden Journalisten weitgehend schweigsam. Fotos und Filmaufnahmen waren von den Verhandlern nicht erlaubt.
In der Sitzung wurden die acht – bereits bekannten – Gruppen beschlossen und ein Fahrplan fixiert. Die erste Verhandlung in der großen Runde gibt es demnach am kommenden Dienstag. "Diese Arbeitsgruppen nehmen umgehend die Arbeit auf", sagte SPÖ-Chef Werner Faymann bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung.
Auftakt der Regierungsverhandlungen.
Den vielzitierten neuen Stil ortete ÖVP-Chef Michael Spindelegger auch in der Herangehensweise der Koalitionsverhandlungen: "Wir verhandeln nicht nach Ressorts, wir verhandeln nach Projekten". In den einzelnen Verhandlungsgruppen sollen auch Experten, aber auch die Landeshauptleute miteinbezogen werden
Kommunikation Chefsache
Über das Fortschreiten der Koalitionsverhandlungen wollen Faymann und Spindelegger in der nächste Woche persönlich informieren, es werde aber nicht nach jeder Sitzung einer Projektgruppe einen Zwischenbericht geben, so Spindelegger. Die Orte der Verhandlungen werden noch von den Projektgruppen festgelegt.
Für Faymann ist Bildung eines der zentralen Themen in den anstehenden Verhandlungen: "Eine bessere Bildung und Ausbildung für unsere Kinder ist im Wahlkampf oft genug betont worden. Wie wir das erreichen, legen wir gemeinsam fest." Inhaltlich gab man sich noch zugeknöpft: "Lassen Sie sich überraschen, was da alles dabei sein wird", so Spindelegger.
Das SPÖ-Koordinierungsteam besteht aus Werner Faymann, Josef Ostermayer und Rudolf Hundstorfer, auf Seiten der Volkspartei koordinieren Michael Spindelegger, Jochen Danninger und Reinhold Lopatka.
Zuvor Ministerrat
Im Ministerrat am Dienstagvormittag präsentierten sich Faymann und Spindelegger im Bundeskanzleramt in großkoalitionärer Einigkeit. Beide erklärten, dass sie nun schnell mit Verhandlungen für das Budget für 2014 starten werden. "Wir werden zügig Verhandlungen aufnehmen und versuchen, über das Budget 2014 rasch Einvernehmen herzustellen", sagte Spindelegger. Er setze darauf, dass sich SPÖ und ÖVP im Zuge der Koalitionsverhandlungen möglichst bald auf ein Budget einigen.
Ein Budgetprovisorium ist aus Spindeleggers Sicht nicht notwendig. "Es wird keine Überraschung sein, aber eine klare Konsolidierung des Haushalts wird fortgesetzt." Daraus, dass Finanzministerin Maria Fekter nicht ihr Ressort in den Verhandlungen vertritt, könne man nichts für spätere Personalbesetzungen ableiten. "Verschiedene Personen, die nicht der Regierung angehören, leiten unsere Arbeitsgruppen." So würde etwa auch nicht Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle das Thema Bildung leiten, sondern der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Fekter gab vor der Regierungssitzung kein Statement ab.
Regierungsspitze will konstruktive Koalitionsgespräche
Gegen Fekter-Vorschlag
Spindelegger hat offenbar die Linie der Finanzministerin verlassen. Noch vergangene Woche glaubte Fekter nicht daran, dass die Regierung das Budget fristgerecht vorlegen könnte, und schlug daher ein gesetzliches Budgetprovisorium vor. Ohne diesem würden Zahlungsprobleme drohen, so Fekter damals. Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) sprach sich damals gegebenfalls für ein automatisches Provisorium aus und kritisierte den Alleingang der Ministerin: "Diese Drohung mit amerikanischen Verhältnissen ist eine wirkliche Verunsicherung, die nicht richtig ist."
Frauenquote
Über die Frauenquote der Verhandlerteams - von 26 Verhandlern sind vier Frauen - sagten Kanzler und Vizekanzler, man solle die endgültige Zusammensetzung der Projektgruppen abwarten. "Für die acht Projekte stehen die Personen noch nicht fest. Warten Sie ab, wie viele Personen dann konkret am Tisch sitzen", sagte Spindelegger.
Im ÖVP-Team sitzen Vertreter fast aller Bünde und die meisten Minister. Nicht in der Gruppe der Hauptverhandler sind Fekter, Justizministerin Beatrix Karl, Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich. "Es sind auch andere Minister nicht im Verhandlungsteam", sagte Berlakovich, der als Ablösekandidat gilt, vor dem Ministerrat am Montag. Er sei aber in den Bereichen Zukunft und Wachstum bei den Gesprächen dabei. Was das über seine Zukunft aussagt, wollte Berlakovich nicht beantworten.
"In der katholischen Kirche gilt das Verzeihen"
Auf die Frage nach der Frauenquote in den Verhandlungsteams sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor der Sitzung: "Jetzt geht es um Inhalte. Männlich oder weiblich ist hier egal." Die Innenministerin hatte Werner Faymann im Wahlkampf als "Lügenkanzler" bezeichnet. Wie sie jetzt mit ihm verhandeln könne? "In der katholischen Kirche gilt das Verzeihen. Ich verzeihe dem Bundeskanzler, dass er die Unwahrheit verbreitet hat."
Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagte zur Frauenquote: "Wir verhandeln für alle." Frauen seien aber auch eingebunden, man mache nicht alles im Verhandlungsteam alleine. Generell wurde aus dem Wahlergebnis gelernt, so Hundstorfer. Nun müsse man verhandeln, "das gegenseitige Heruntermachen hat noch niemandem geholfen". (red, derStandard.at, 15.10.2013)