Die Wiener "Rosée Sisters" waren in den 1960er-Jahren internationale Popstars. Als Musikerinnen nahm man sie jedoch wenig ernst.

Foto: Trash Rock Archives

Um 1800 herum sah man auf Klavierkonzerten im deutschsprachigen Raum auf einmal weniger Frauen an den Tasten. Beethovens Kompositionen standen nun auf dem Programm. Und während die Klaviermusik Mozarts die zarten Finger sittlich über die Klaviatur führten, schickte sich die Tastenhauerpose, die Beethoven dem Pianisten abverlangt, für eine Dame nicht.

Mit einem detailreichen musikhistorischen Vortrag eröffnete Tia DeNora letzte Woche die Konferenz "Musik, Gender & Differenz" der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Die Musiksoziologin der britischen University of Exeter spricht von einem "musikalischen Ökosystem", also der Streuung der Möglichkeiten, wer was wie musizieren kann. Durch Ludwig van Beethovens Musik habe sich das "Habitat" der Klavierkonzerte verändert und den Frauen darin weniger Platz gelassen.

Das hat gesellschaftliche Gründe, die aber oftmals in interessanter Weise an die materielle Dimension des Musikmachens geknüpft sind. So waren lange Zeit Instrumente, die breitbeiniges Sitzen erfordern, sowie längliche Instrumente, die an den Mund geführt werden, für Frauen tabu.

Frau Wiener Philharmoniker

Für DeNoras Forschung ist daher Josepha Barbara Auernhammer ein besonders interessanter Fall. Die österreichische Pianistin und Mozartschülerin setzte sich über viele Tabus ihrer Zeit hinweg. Das war möglich, weil sie von vornherein nicht den ästhetischen Anforderungen entsprach, erklärte DeNora.

Handschriften Mozarts beschreiben sie als dick, hässlich, aber musikalisch talentiert. Die angestrebte Musikkarriere gab Auernhammer schließlich für ihr Familienleben auf, dennoch trat sie immer wieder auf - und spielte auch Beethoven.

Viele der auf der Konferenz präsentierten Studien widmeten sich dem Missverhältnis zwischen den Geschlechtern im Musikbusiness. Noch immer würden Musikerinnen oftmals mehr nach ihrem Äußeren und weniger nach ihrer Kunst beurteilt. Auch in der Wahl des Instruments und der Ausbildung spiegeln sich nach wie vor die klassischen Rollenvorstellungen wider.

"Bei den Bläserinnen ist das Missverhältnis am größten", sagt etwa Magdalena Bork, Dozentin an der Musik-Uni, die unter dem Titel "Frau Wiener Philharmoniker" das Geschlechterverhältnis in Wiener Orchestern erhob. Bei den Wiener Philharmonikern etwa seien es lediglich sieben Frauen. Auch schon in der Hochschule ist ein Ungleichgewicht zu bemerken. So studieren wesentlich mehr Männer als Frauen Komposition und Dirigieren.

Der Jazz als Machokultur

Und das gilt nicht allein für den Bereich der klassischen Musik, wie Christa Bruckner-Haring vom Institut für Jazzforschung an der Kunst-Uni Graz zeigte. Im Rahmen des Projekts "Rhythm Changes" der internationalen Forschungskooperation Hera, an der auch der Wissenschaftsfond FWF beteiligt ist, untersuchte sie die österreichische Jazzszene und die Rolle der Frauen darin. Auch sie stellte fest: Wo man hinsieht, egal, ob in der Ausbildung oder was aktive Musikkarrieren betrifft - außer beim Gesang ist die Szene eine klar männerdominierte.

Aus Interviews zitiert sie: "Jazz ist eben eine Machokultur" oder "Frauen können doch die Blechblasinstrumente aus körperlichen Gründen nicht spielen". Noch immer geistern solche Vorurteile in den Köpfen umher. Sie gehören geändert, zieht Bruckner-Haring das Fazit aus ihren Erhebungen.

Spannende Details der österreichischen Rock-'n'-Roll-Szene der 50er- bis 70er-Jahre lieferten Kristina Pia Hofer und Al Bird Sputnik in ihrer Untersuchung der Wiener Rosée Sisters. Als "All-Girl-Band" waren sie eine internationale Sensation. 1966 nahmen sie beim deutschen Plattenriesen Polydor die Single Du bist wunderbar / Du schenkst mir Rosen auf. Auf dem Cover sind die Frauen mit den Instrumenten in der Hand abgebildet - man traute ihnen aber anscheinend nicht zu, diese auch bedienen zu können. Das Instrumentale ließ die Plattenfirma von anderen, männlichen Musikern einspielen.

Tatsächlich, wie die beiden jungen Wissenschafter herausstrichen, wurde erst 1976 die erste österreichische Platte vertrieben, auf der alleinig Frauen musizierten - die Topsy Girls im Rahmen einer privaten Veröffentlichung.

Heimat im Hip-Hop

Eine zeitgenössische österreichische Musikszene analysierte Rainer Prokop vom Forschungsinstitut Mediacult. Gemeinsam mit Rosa Reitsamer, der Organisatorin der Konferenz, untersuchte er Linguistik und Stil türkischstämmiger, postmigrantischer Rapper. "Sie zerstören die Vorstellungen von der zerrissenen, orientierungslosen Generation", sagt Prokop. Mit dem Hip-Hop würden sie sich einen eigenen Lebensraum schaffen.

Der Mix aus Wienerisch, Türkisch und Amerikanisch werde zu einer "widerständigen Minderheitensprache". Während sich viele der Türken der zweiten Generation nicht mit Österreich identifizieren durften oder wollten, geht es in aktuellen Raps oft um eine starke Bindung an den Bezirk, der oftmals als "Ghetto stilisiert wird", erklärt Prokop. Daran sei auch eine bestimmte, abgehärtete "Ghettomännlichkeit" geknüpft - ein Grund, warum Frauen auch in dieser Szene kaum zu finden sind. (Julia Grillmayr, DER STANDARD, 16.10.2013)