Wien - Nicht nur Thomas Crown, auch Thomas Maurer ist nicht zu fassen: Er schlägt immer wieder Haken. Sein Monolog mit dem doppeldeutigen Titel Neues Programm, der am Montag im Wiener Stadtsaal sogar mit Standing Ovations bedacht wurde, beginnt ganz harmlos: Eine Stimme aus dem Off kündigt den Auftritt Thomas Maurers an; der Alleinunterhalter betritt die Bühne - und drückt gepflegt Wuchteln.

Der Routinier spult, dem Anschein nach, ein solides Programm herunter: Er reißt zahllose Themen an und schafft, wie von ihm gewohnt, oft überraschende Übergänge. Mitunter wird er auch tief, etwa wenn Männer im Wirtshaus zu wissen glauben, was Eva Glawischnig ganz dringend brauche. Gar nicht neu ist zudem, wenn Geschichten anders als erwartet ausgehen.

Ein Schulfreund zum Beispiel hätte auf die Mail eines gewissen Achmed geantwortet, der 187 Millionen, die einst Saddam Hussein gehört hatten, auf ein europäisches Konto überweisen wolle - und 20 Prozent als Prämie in Aussicht stellt. Der Gruber Hansi hätte auch zweimal 50.000 Euro für Bestechungen überwiesen. Doch der Deal klappt tatsächlich: Der Schulfreund ist fein raus.

Insgesamt aber durfte man sich von Maurer mehr erwarten. Aber dann bricht Maurer - wider Erwarten - sein neues Programm ab. Er sei mit dem Schreiben nicht fertig geworden, er werde nun improvisieren. Er rettet sich in die Pause, indem er pointiert nacherzählt, wie es zur Wirtschaftskrise 2008 kam. Doch Maurer spielt das Improvisieren nur. Es wirkt künstlich, man nimmt es ihm keine Sekunde lang ab - schon gar nicht, wenn er, um Zeit zu überbrücken, Time von Tom Waits singt.

Erst nach der Pause erklärt er, was ihn am Schreiben hinderte: Sein Freund habe ihn nach Amerika mitgenommen. Geld spielte keine Rolle. Und so berichtet er von den skurrilsten Erlebnissen dort. Die Bodenhaftung beginnt Maurer dabei sukzessive zu verlieren: Er steigert sich immer mehr in Hirngespinste.

Es scheint, als habe Maurer von einer übergeordneten Instanz den Auftrag erhalten, eine Geschichte zu erfinden, in der die Worte "linkslinks", "Taliban", "Negeranten", "Körperflüssigkeiten", "Computerviren", "Jesus" , "Sexualpraktiken", "Russen", "Juden", "Gorilla", "Political Correctness" und "Kampfroboter" auftauchen müssen - aber nicht nur einmal, sondern zumindest zweimal in unterschiedlichen Kombinationen. Und Maurer erfüllt diesen Job mit Bravour. Dass er dabei auf Kokain war: Das spielt er nur mit starren, geweiteten Augen.

Aber nun spielt er wirklich Theater. Und er sprengt - dramaturgisch ähnlich wie Josef Hader - die Grenzen der Kleinkunst: Thomas Maurer, ein Münchhausen des 21. Jahrhunderts, bietet großes Kino. Mit großem Aufwand: Nie zuvor dürften bei einem "Kabarettprogramm" derart viele Menschen mitgewirkt haben - von Sounddesignern bis zu einem Pronounciation Coach.

In der Regie von Petra Dobetsberger entstand zwar nicht der witzigste Soloabend Maurers, mit Sicherheit aber der irrwitzigste. Zum Schluss ist die Welt gerettet: Barack Obama verkündet ein "Neues Programm". Unfassbar. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 16.10.2013)