Wie kann man die verpasste Qualifikation Österreichs für die WM 2014 in Brasilien im historischen Kontext einordnen? Dieser Frage wollen wir in einer neuen Folge unserer Serie "Zahlen Bitte!"-Serie nachgehen.

Zuerst die blanke Erfolgsbilanz: Österreich schaffte es bei 26 Anläufen in der Zweiten Republik bisher sechs Mal zu einer Endrunde. Die Erfolgsquote liegt also bei 23 Prozent. Die Anläufe vor dem zweiten Weltkrieg waren nicht so richtig für voll zu nehmen. 1930 gab es gar keine Qualifikation, 1934 verzichtete Österreich wegen "Irrelevanz" auf zwei Quali-Spiele, 1938 verlor man die (geschaffte) sportliche Qualifikation durch den Anschluss an Deutschland.

Wenn gejubelt wurde, fuhr Österreich immer zu einer WM (54, 58, 78, 82, 90 und 98). Die beiden frühesten Erfolge fallen in eine Ära, in der die Qualifikation aus bis vier Spielen bestand. Das Team von 1954, das später WM-Dritter wurde, musste für eine Teilnahme nur eine "Gruppe" mit Portugal überstehen (es war trotzdem eine "Gruppenphase", andere Gruppen bestanden aus drei Teams). Einem 9:1-Heimsieg stand am Ende ein 0:0 auswärts gegenüber. 1958 setzte man sich gegen Luxemburg und die Niederlande dank eines 3:2-Heimsieges gegen letztere durch. Bekanntermaßen düster sieht die Bilanz bei Europameisterschaften aus. Die Heim-EM 2008 steht einsam außerhalb der Erfolgsstatistik, denn naturgemäß musste man dafür keine sportliche Qualifikation überstehen.

Beschränken wir uns (der Aktualität und Vergleichbarkeit wegen) auf die jüngsten 25 Jahre, wird die Bilanz noch düsterer. Österreich hat sich in zwölf Anläufen dieses Vierteljahrhunderts zwischen der WM 1990 und 2014 sportlich nur zwei Mal für eine Endrunde qualifiziert (unter Josef Hickersberger zur WM 90 und Herbert Prohaska zur WM 98). Einmal scheiterte man immerhin erst im Playoff (unter Otto Baric zur WM 2002). Trotzdem entspricht das einer gesunkenen Erfolgsquote von rund 17 Prozent (gegenüber 29 Prozent aus der Zeit vor 1990).

In dieser jüngeren Ära startete Österreich bei seinen Quali-Erfolgen nie aus einem schlechteren als dem dritten Lostopf. Die drei Anläufe aus übleren Ausgangslagen blieben in dieser Hinsicht erfolglos. Vier Mal übertraf Österreich seine Ausgangslage, indem es immerhin ein besseres Endergebnis erreichte, als der Lostopf es nahelegte. Zwei Mal genügte das zur Teilnahme an der Endrunde, die anderen beiden Male zog man sich lediglich aus der ärgsten Misslichkeit wieder nach oben. Ebenfalls vier Mal schnitt man schlechter ab, als man gesetzt war.

Der Blick auf die Ergebnisse der letzten zwölf Qualifikationsturniere erinnert an einige Anomalien. Die Verteidigung der "Mannschaft 2000" von Prohaska bzw. später Baric war etwa prinzipiell kein offenes Scheunentor. Das dritte und letzte Match von "Schneckerl" an jenem Kegelabend in Valencia schmeichelt der Statistik mit seinem 0:9 aber wenig.

In negativer Hinsicht schlägt auch die EM-Qualifikation 1992 aus. In einer Fünfer-Gruppe mit Jugoslawien (1., später ausgeschlossen), Dänemark (2., nur deshalb später Europameister) und Nordirland (3.) wurde Österreich Vierter. Man rettete sich nur dank der Tordifferenz vor den Färöern (in deren allererstem Bewerb). Die Niederlage in Landskrona war also vielleicht das erinnerungswürdigste, aber keineswegs das einzige Problem dieser Qualifikation. Nach der Hickersberger-Blamage im Auftaktspiel übernahm Alfred Riedl die Mannschaft

Ranglisten und Lostöpfe.

Bei der Entwicklung des Lostopfs muss man beachten, dass die Ausrichtung der EM 2008 sich auf die FIFA-Weltrangliste negativ auswirkte (fast zwei Jahre ohne Pflichtspiele). Die Ziehung aus Topf 5 zur WM-Qualifikation 2010 lässt sich dadurch erklären - zum Teil auch durch die vielen schlechten Ergebnisse in der Vorbereitung auf die Heim-EURO.

Dass man den Anlauf für die WM 2014 aus Topf 4 nehmen musste, ist so gesehen eine Verbesserung - allerdings eine, die man unbedingt erwarten durfte. Grundsätzlich scheint Österreich eine Topf 3-Nation zu sein: Sechs Mal lag man seit inklusive 1990 in diesem Topf, drei mal im zweiten, drei Mal, drei Mal darunter

In den nächsten zwei Jahren bis zur Auslosung der WM-Qualifikation 2018 ist die Weltrangliste nicht von größerer Bedeutung für Österreich. Die UEFA hat für die Auslosung für EM-Qualifikation und EURO-Endrunden eine andere Rangliste. Die existiert seit 2007 und wird seit der EM-Qualifikation für die Endrunde 2012 genutzt. 

In Qualifikation für EM 2016 wohl aus Topf 3

Die "UEFA National Team Ranking"-Rangliste zählt die Pflichtspiele der zum jeweiligen Zeitpunkt jüngsten drei Endrunden und der dazugehörigen Qualifikationsturniere zusammen und gewichtet sie mit chronologisch steigender Bedeutung. Sie gleicht im Gegensatz zur FIFA auch das Ausrichten von Turnieren aus: Die Ergebnisse der davor liegenden Qualifikation werden recycelt.

Österreichs bisherige Platzierungen:

2007 (erste Wertung): 29.

2009 (bei Auslosung der EM-Quali 2012) : 28.

2011 (bei Auslosung der EM 2012): 29.

Derzeit und bei Auslosung der EM-Quali 2016: 27.

Für die Europameisterschaft 2016 dürfte Österreich in Topf 3 zurückkehren. Je nachdem, welchen Modus die UEFA wählt, könnte man auch knapp an Topf 2 (12 Gruppen) oder 4 (adaptierter bisheriger Modus mit 9 Gruppen) vorbeischrammen. Da vermutlich nur ein zweiter Gruppenplatz zur EM-Endrunde berechtigen wird, muss der ÖFB also auf eine einigermaßen günstige Auslosung hoffen oder das Team über sich hinauswachsen. Eine Gruppe mit Spanien und Kroatien oder Belgien ist - wie auch immer der Modus am Ende aussehen wird - bedauerlicherweise nicht auszuschließen und würde der rot-weiß-roten "Jetzt aber wirklich!"-Stimmung wohl einen fiesen Schlag versetzen.

Betrachten wir nun noch die entscheidenden Faktoren in den Qualifikationen zu den Turnieren der letzten 25 Jahre genauer: Tore und Punkte.

Zuerst die absoluten Werte:

Im Detail anders sieht der historische Verlauf aus, wenn man ihn um die Anzahl der Teams in der Quali-Gruppe bereinigt. Zwei Dinge muss man allerdings bedenken: Mehr Teams bedeuten für gewöhnlich einen zusätzlichen schwächeren Gegner (aus Topf 6). Nicht nur absolut (wegen der kleineren Anzahl der Spiele), sondern auch relativ (wegen der durchschnittlich besseren Gegner) sind in kleineren Gruppen also weniger Tore erwartbar. Besonders dramatisch wirkte sich das in der EM-Qualifikation 1996 aus, wo Österreich allein gegen Liechtenstein elf seiner 29 Tore erzielte.

Die aktuelle Mannschaft von Marcel Koller ist gemessen an erreichten Punkten und erzielten Toren die drittbeste des vergangenen Vierteljahrhunderts. Sie erreichte (ex-aequo) die viertbeste Platzierung. Und nur die überragende WM-Mannschaft von 1998 erhielt weniger Tore. Die erfolgreichen Qualifikation für die WM 1990 kommt hingegen in keinem Wert an das derzeitige Team heran.

Ein Aufwärtstrend zeigt sich, wenn man die jüngste Vergangenheit dieses Jahrtausends betrachtet (die Qualifikation für die EM 2000 war ja 1999 abgeschlossen). Man erzielte nie mehr Tore pro Spiel und erhielt nie weniger Gegentreffer als bei der abgelaufenen Qualifikation. Nur vor der WM 2002 holte man mehr Punkte. Österreich scheiterte dieses Mal (trotz der zweitschlechtesten Ausgangslage der letzten 25 Jahre) also erfolgreicher als sonst und arbeitete sich in beiden relevanten Ranglisten zuletzt nach vorne.

Kollers bisherige Bilanz im Vergleich

Zum Schluss aus aktuellem Anlass noch eine kurzes Wort über Marcel Kollers Gesamtbilanz. Die kann sich nämlich im historischen Vergleich sehen lassen. Nur ein Trainer der letzten 25 Jahre hat eine bessere vorzuweisen: Herbert Prohaska. Koller liegt derzeit gemessen an den virtuellen Punkten pro Spiel auf Rang 8 der erfolgreichsten ÖFB-Trainer aller Zeiten. Ein Sieg gegen die USA im November würde ihn sogar vor Walter Nausch bringen - dem Trainer der legendären Mannschaft, die 1954 Dritte bei der Weltmeisterschaft wurde. Dass Koller nicht allein dafür verantwortlich ist, dass Österreich heute wieder ein patentes Nationalteam hat, scheint offensichtlich. Aber die günstigen Voraussetzungen muss man eben auch nutzen. Seine Popularität in Österreich mit diesen Bilanzen ist jedenfalls wenig verwunderlich. (Tom Schaffer, derStandard.at, 17.10.2013)