1,75 Millionen Todesopfer und 3,45 Millionen neue Fälle pro Jahr: Krebs ist in der EU eines der größten Gesundheitsprobleme. Die Kosten sind ebenfalls erschreckend hoch. Aktuellen Berechnungen zufolge dürften sie sich auf 126 Milliarden Euro jährlich summieren.

Zunehmendes Problem

Die Häufigkeit von Tumorerkrankungen und Leukämie steigt. Experten schätzen, dass sich die Anzahl der Krebsfälle weltweit bis 2030 verdoppeln wird. Hauptursache ist zwar die demografische Entwicklung, die zunehmende Alterung von Gesellschaften, doch negative Begleiterscheinungen eines vielerorts wachsenden Wohlstands spielen ebenfalls eine Rolle sowie Rauchen, Alkoholkonsum und falsche Ernährung.

Der größte Killer unter den Karzinomen ist Lungenkrebs mit europaweit 353.000 Todesopfern im Jahr 2012, gefolgt von Darmkrebs und Brustkrebs mit 215.000 beziehungsweise 131.000 Verstorbenen (vgl.: European Journal of Cancer, Bd. 49, S. 1374). Die Sterblichkeitsrate infolge von Lungenkrebs sinkt bei Männern in einigen europäischen Staaten. Für Frauen jedoch steigt sie vielerorts stetig an, etwa in Frankreich und Spanien. "Krebs ist nicht nur etwas, was anderen passiert", betonte der EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg im vergangenen Monat bei einem Forum der European Cancer Foundation in Amsterdam. Deshalb werde die Bekämpfung der Krankheit auch weiterhin ganz oben auf der Prioritätenliste der Union stehen.

Konkrete Initiativen

2009 startete die Europäische Kommission ihr Programm "European Partnership on Action Against Cancer". Hauptziel ist die Senkung der Anzahl der Neuerkrankungen um 15 Prozent bis 2020, das sind 510.000 Menschen pro Jahr weniger.

Um die oben genannte Verringerung der Krankheitslast zu erreichen, sollten alle EU-Mitglieder bis Ende 2013 Pläne für eine integrierte Strategie zur Krebsbekämpfung vorlegen. Prävention und Früherkennung stehen dabei an zentraler Stelle. "Ein Drittel der Krebsfälle ist vermeidbar - die kostengünstigste Lösung", heißt es diesbezüglich in einem Memorandum der Kommission.

Man habe seit langem Maßnahmen zur Förderung eines gesunden Lebensstils initiiert und Richtlinien zur Vermeidung oder Verringerung von arbeitsbedingten Belastungen mit karzinogenen Substanzen erlassen. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen kritisieren gleichwohl die lückenhafte Reichweite solcher Bestimmungen. Der Schutz der Bevölkerung gegen krebserregende Stoffe sei nicht ausreichend. Vor allem im Kampf gegen das Rauchen wird den EU-Gremien mangelnde Konsequenz vorgeworfen.

Flächendeckendes Screening

Im Bereich Früherkennung hat die Europäische Kommission die Vorgabe gesetzt, ein regelmäßiges flächendeckendes Screening aller potenziell von Brust-, Gebärmutterhals- und Dickdarmkrebs gefährdeten Personen durchzuführen. Das entspricht EU-weit circa 125 Millionen Untersuchungen jährlich. Alle Krebspatienten sollen zudem die beste verfügbare Behandlung erhalten. Hierzu müssen die Therapieansätze in den Mitgliedsstaaten verglichen und die erfolgreichsten verbreitet werden.

Welch enorme Unterschiede auf diesem Gebiet noch herrschen, macht die oben zitierte Studie deutlich: So haben etwa österreichische Männer ein deutlich höheres Risiko, an Krebs zu erkranken, als ihre rumänischen Geschlechtsgenossen (standardisierte Inzidenz: 423,9 gegen 381,6), doch sie sterben deutlich weniger daran (standardisierte Mortalität: 259,9 gegen 199,4).

Solche Diskrepanzen zeigen die Qualitätsunterschiede in der medizinischen Versorgung von Tumorpatienten auf. "Diese Ungleichheiten in der Krebsbehandlung und in der Folge bei den Heilungsaussichten werden zunehmend offensichtlich und zunehmend inakzeptabel für moderne Gesellschaften", erklärte Peter Boyle, Direktor des International Prevention Research Institute, Anfang Oktober auf dem European Health Forum in Bad Hofgastein.

Eine mögliche Lösung für dieses Problem sehen viele Experten in der Einrichtung spezialisierter, überregionaler Krebszentren. Hier können Fachkompetenz und technische Ressourcen zur Behandlung von Tumorerkrankungen und Leukämie besser gebündelt werden. Der Therapieerfolg ließe sich dadurch im Vergleich zu herkömmlichen Spitälern deutlich steigern, meinen die Fachleute. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 18.10.2013)