Der Schein trügt - hier spielen Schachcomputer aus den 1970er-Jahren gegeneinander: Andrew Bujalski dringt in "Computer Chess" in eine illustre Community aus Nerds vor.

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Andrew Bujalski (36) wurde mit seinen Filmen "Mutual Appreciation" und "Beeswax" bekannt, in denen er die Lebenslagen von Twenty- und Thirtysomethings mit viel Aufmerksamkeit für Dialogformen verhandelt (Foto re.).

Matthias Grunsky (42) wurde in Wien geboren und ist seit Bujalskis Debüt "Funny Ha Ha" dessen Kameramann.

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STANDARD: "Computer Chess" ist eine Zeitreise in die späten 70er-Jahre, an den Beginn des Computerzeitalters. Was hat Sie nach Filmen über eine zeitgenössische Generation wie zuletzt "Beeswax" an dieser Ära interessiert?

Bujalski: Vieles geschieht unbewusst, aber es war wohl auch eine Rückkehr in die Zeit, in der ich selbst ein Kind war. Ich kann mich an die Gefühle erinnern, die den Eintritt von Computern in unsere Leben begleitet haben. Die Aufregung, als ich zu Weihnachten einen Commodore VIC-20 bekam, war groß. Ich weiß noch, wie ich damit erste Programme geschrieben habe - Dinge, die ein Kind heute ganz langweilig fände.

Grunsky: Ich hatte einen Texas-Instruments-Computer, den ich stundenlang mit meinem Vater programmiert habe. Das Resultat war dann ein Punkt, der den Screen durchkreuzte.

Bujalski: Es gab auch die Ängste, die mit Computern einhergingen - die Science-Fiction hat schon lange darüber spekuliert, was passiert, wenn alles außer Kontrolle gerät. Ich wollte diese Gedanken, die damals in der Luft lagen, einfangen - manche davon wirken veraltet, anderes ist immer noch relevant. Nur weil wir mittlerweile mehrere Jahrzehnte mit Computern gelebt haben, heißt das nicht, dass wir sagen können, was dies mit unseren Leben gemacht hat.

STANDARD: Wie kam es zu dem Schach-Thema, dem Wettbewerb Mensch gegen Maschine - gibt es da einen persönlichen Bezug?

Bujalski: Nein, ich bin selbst ein schrecklicher Schachspieler und hatte nie die Disziplin, mich dem ganz auszusetzen, aber ich schätze das Spiel sehr. Der Film ist wohl auch ein Blick in ein alternatives Fantasieleben. Es hätte mir gefallen, ein guter Schachspieler zu sein. Ich hätte auch gern Computer besser verstanden. Mir hat es immer gefallen, über Schach zu lesen, ich habe sicher viel mehr darüber gelesen als aktiv gespielt.

STANDARD: Das Schachspielen kommt der Definition des Nerds als jemand, der auf enges Regelwerk Wert legt, sehr entgegen. Wollten Sie den Nerds Ihrer Generation nachspüren?

Bujalski: Wenn sich Leute darüber unterhielten, war ich fasziniert, auch wenn ich keine Ahnung hatte, worüber sie eigentlich sprachen. Auf der einen Seite wirkt Schach so einfach, es gibt ein bestimmtes Set an Regeln, aber die Kombinationen sind fast unbegrenzt - zumindest für unseren Geist. Wenn Leute über die großen Spieler sprechen, über Bobby Fischer oder Garri Kasparow, dann reden sie von der Poesie oder der Schönheit des Spiels. Es ist spannend, dass etwas, das auf der einen Seite so kalt und logisch erscheint, so aufregend sein kann. Man muss etwas davon verstehen, um es sehen zu können. Das gilt übrigens auch fürs Kino: Wenn man sich damit auseinandersetzt, findet man darin Schönheit. Allerdings hat es nicht so offensichtliche Begrenzungen wie Schach.

STANDARD: Mit der Entscheidung, alte Videokameras zu verwenden, haben Sie beide aber eine zusätzliche Begrenzung gewählt. Warum?

Grunsky: 16 mm war nicht begrenzend genug ... (lacht)

Bujalski: Das war mein Sprung vorwärts von der Technologie der 1940er- zur Technologie der 1960er-Jahre. Ich finde langsam meinen Weg ins 21. Jahrhundert. Die Wahl der Kameras war das Erste, was ich über dieses Projekt wusste. Die letzten zehn Jahre habe ich mit 16 mm gedreht. Das galt schon damals als altmodisch, ich wurde immer wieder gefragt, warum ich mit Film arbeite. Nun gab es einen widerstrebenden Teil in mir, der sagte: "Okay, ihr wollt, dass ich auf Video drehe, dann aber so."

STANDARD: Gab es dafür Vorbilder?

Bujalski: Eine Idee dazu kam vom US-Fotografen William Eggleston, er hatte eine dieser Portopak-Kameras und dokumentierte in Memphis diese bizarren Charaktere, die er aus der Umgebung kannte. Er hat es dann 30 Jahre später geschnitten und in Stranded in Canton veröffentlicht - die Qualität der Bilder ist unglaublich. Mir gefiel die Idee, die Technologie jener Zeit zu nützen, um die es geht. Video ist wie ein Simulacrum für Film. Ich wollte aber Video, das unleugbar Video ist und sich für sein Video-Sein schämt. Die Frage war also, welches Projekt zu dieser Kamera passen würde.

Grunsky: Es war eine Zeitreise. Ich erinnere mich: Als ich die Kamera das erste Mal für Tests verwenden konnte, kam sie in ihrer 40 Jahre alten Originalverpackung. Ich sah durch den Viewfinder, da sieht man gleich dieses alte Fernsehbild - es fühlte sich an, als wäre ich in die Zeit meines Vaters zurückgereist, er arbeitete für den ORF, war einer der ersten Kameramänner dort. Es gibt so viele Artefakte im Bild, kaum Kontraste.

STANDARD: Was hat die Kamera beim Regieführen verändert? Sie wirkt gegenwärtiger.

Bujalski: Die 16-mm-Filme folgten dem Prinzip, dass sich die Kamera vornehm zurückhalten soll. Es war mir wichtig, dass die Darstellung im Mittelpunkt stand, die Kamera sollte mit der Darstellung keinen Konkurrenzkampf ausfechten. Diesmal haben wir alles ausprobiert. Matthias hat viel eingebracht - dass sich die Kamera wie ein Charakter anfühlt, liegt hauptsächlich an ihm. Es war auch das erste Mal, dass ich ohne fertiges Skript gearbeitet habe.

STANDARD: Hat einer von Ihnen das Material auch gleich angeschaut?

Grunsky: Jede Nacht. Ich musste das einfach machen, speziell mit dieser Kamera. Es hilft herauszufinden, was man nicht mehr machen soll; oder man sieht, was besonders gut funktioniert hat.

Bujalski: Ich nicht, habe aber versucht, am Stand zu bleiben. Steven Soderbergh sagte einmal, er drehe untertags und schneide gleich in der Nacht. Ich bewundere das, kann aber nur eine Sache zur gleichen Zeit machen: Entweder bin ich Autor, Regisseur oder Cutter. Das liegt auch daran, dass ich aus der 16-mm-Welt komme. Es ergibt für mich Sinn, dem Material zu vertrauen. Vielleicht ist das der Schachspieler in mir, der davon überzeugt ist, dass es eine Lösung im Material gibt. Das ist fast spirituell: Ich mag es nicht, nachzudrehen. Ich glaube, dass eine göttliche Entität dir alles mitgegeben hat, was du brauchst. Du musst es nur decodieren, es steckt irgendwo da drinnen. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 18.10.2013)