Kultische Handlungen verlangt der Cult nicht, vielmehr wollen sich die Ingenieure von Magna-Steyr mit diesem Konzeptfahrzeug in Stellung bringen mit einer bestimmten Botschaft an diverse Autohersteller:

Foto: Magna-Steyr

Seht her, wir beherrschen Leichtbau und Verbrauchsoptimierung aus dem Effeff.

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Der "Cult" stellt die Umkehr der Gewichts- und Kostenspirale dar und setzt auf einen Erdgasantrieb.

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Ein kluger Materialmix ist die Basis für den Leichtbau.

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So lobenswert die BMW-Initiative in Form des i3 in Sachen Elektroantrieb und Kohlestofffaser auch sein mag, für die breite Masse der Autokäufer sind an die 40.000 Euro trotz ungewöhnlich hoher Preisdisziplin seitens BMW zu viel. So liegt die Frage nahe, wie ein Auto mit ähnlich positivem Effekt in Sachen Energieverbrauch und CO2-Ausstoß, aber ohne die Verwendung kostspieliger Batterien und sündteurer Kohlenstofffaser, aussehen könnte.

Bei Magna-Steyr in Graz hat man sich genau dieser Frage in ei nem Projekt namens Car's Ultralight Technologies ("Cult") genähert. Siehe da: Es geht auch ohne überbordende Verwendung von Kohlenstofffaser und auch ohne Elektroantrieb, wobei es nicht darum gegangen ist, die Sinnhaftigkeit des E-Antriebs grundsätzlich anzuzweifeln.

Erdgas als Alternative zum E-Antrieb

Projektleiter Wolfgang Fritz: "Es zeigte sich, dass die Endkunden eine Reichweite von 400 km haben wollen, was derzeit mit batterieelektrischem Antrieb nicht möglich ist. Andererseits kann das Ziel, den CO2-Ausstoß zu halbieren, mit konventionellem Antrieb nicht erreicht werden. Erdgas (CNG) bietet da eine hervorragende Alternative."

Federführend hat man gemeinsam mit sieben Partnern aus Wissenschaft und Industrie dieses Konzeptfahrzeug entwickelt, um Chancen und Hürden einer einigermaßen radikalen Veränderung der Bauweise auszuloten.

30.000 Einheiten pro Jahr denkbar

Fritz: "Das Ziel war es, ein optimales Konzept für 30.000 Einheiten pro Jahr zu finden, da diese Stückzahl zum einen dem Trend zur Erhöhung der Modellvarianten Rechnung trägt und zum anderen optimal in unsere flexible Fertigung passt. Aufgrund der vergleichbar geringen Investitionskosten hat sich der Multimaterialmix, wie wir ihn hier gewählt haben, nahezu als Optimum herausgestellt. Wir haben sehr wohl festgestellt, dass gewisse Bauteile (z. B. der Boden aus Kohlenstoff fasern; Anm.) im gewählten Material nicht mehr sinnvoll wären. Wir haben sie aber trotzdem im Konzept behalten, um die Verbindungstechnik und die Fertigungsverfahren auch für diese Materialien weiter zu untersuchen."

Ausgehend von einem Fahrzeuggewicht von 900 Kilogramm, suchte man also nach Möglichkeiten zur Gewichtseinsparung und fand sie auf drei Ebenen: Zusammenfassen von Funktionen, etwa Wegfall des Tankdeckels, stattdessen wird die Motorhaube etwas gelupft. Zweitens: Downsizing des Antriebsaggregats (0,66 statt eines Liters Hubraum wie sonst üblich) und den daraus folgenden Sekundäreffekten wie zartere Dimensionierung vieler anderer Bauteile. Denn: Weniger Gewicht bedeutet weniger Belastung. Drittens: selektive Verwendung neuer Leichtbaumaterialien, komponiert zu einem Multimaterialfahrzeugkörper.

Auf diese Weise reduzierte man das Eigengewicht um ein Drittel gegenüber einem konventionell gebauten Modell, also auf 600 kg für einen viersitzigen Kleinwagen.

Herausforderung Simulation

So werden neben unterschiedlichen Leichtmetallen auch verschiedene faserverstärkte Kunststoffe verwendet. Wolfgang Fritz: "Eine große Herausforderung ist die Simulation, also Berechnung der faserverstärkten Kunststoffe: Stahl ist einfach beschreibbar, er ändert sich praktisch nicht innerhalb alltäglicher Temperaturbereiche. Die Festigkeit von Stahl ist bei plus 50 Grad gleich wie bei minus 20. Bei Kunststoffen hat nicht nur die Temperatur, sondern auch die Deformationsgeschwindigkeit einen Einfluss auf das Deforma tionsverhalten. Auch Feuchtigkeit spielt eine Rolle. All diese Faktoren müssen in die Simulationsmethodik einfließen. Eine weitere Herausforderung liegt in der Verbindungstechnik. Herkömmliche Verfahren (z. B. Punktschweißen) müssen durch neue Verfahren (Kleben, Reibrührschweißen etc.) ersetzt werden. Dabei ist auf die zum Teil ex trem hohe Korrosionsneigung zu achten."

Durch begrenzten Einsatz energieintensiver Kohlenstofffaser und den Wegfall von Batterien ergibt sich trotz des fossilen Erdgases eine erfreuliche Umweltrechnung. Fritz: "Der Cult schneidet in der Gesamtbilanz "well to wheel" (von der Rohstoff- und Energie gewinnung über die Fahrzeugproduktion und die Nutzungsphase bis hin zum Recycling; Anm.) besser ab als alle betrachteten Konzepte, sogar besser als ein batterieelek trisches Fahrzeug, dessen Strom im EU-Mix erzeugt wird." (Rudolf Skarics, DER STANDARD, 18.10.2013)