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Im Nuklearkomplex Sellafield im Nordwesten Englands gab es immer wieder Zwischenfälle.

Foto: EPA/Giles

Großbritannien setzt für seine Energieversorgung auf Hilfe aus Fernost. Künftig dürfen chinesische Staatskonzerne an neuen Atomkraftwerken (AKWs) auf der Insel nicht nur mitbauen, sondern sogar die Konsortialführerschaft übernehmen. Dies sei "der nächste Schritt im Verhältnis zwischen dem ersten Nutzer ziviler Atomkraft und dem am schnellsten wachsenden Produzenten von Atomstrom", sagte Finanzminister George Osborne am Donnerstag im südchinesischen Taischan. Kommende Woche wollen die französische EdF und Chinas CGN die Verträge zum ersten Bau eines neuen britischen AKWs seit zwanzig Jahren unterzeichnen.

Wie die frühere Labour-Regierung setzt auch die konservativ-liberale Koalition unter Premier David Cameron für die Sicherstellung künftigen Strombedarfs auf Kernkraft. Die 16 überwiegend veralteten und störanfälligen Meiler decken im Volllast-Betrieb knapp 20 Prozent des jährlichen Bedarfs der Insel. Während im vergangenen Jahrzehnt noch von zwölf neuen AKWs an sieben bereits bestehenden Standorten die Rede war, plant EdF inzwischen nur noch vier neue AKWs mit je 1650 Megawatt Leistung.

Fehlendes Know-how

Die französische Staatsfirma hatte 2008 den britischen Atom-Betreiber British Energy übernommen. Auf der Insel gibt es seither kein Unternehmen mit dem nötigen technischen Know-how mehr. Die zunächst ebenfalls interessierten deutschen Konzerne RWE und Eon haben sich aus dem britischen Geschäft zurückgezogen. Insofern käme ein Engagement chinesischer Staatskonzerne den Auftraggebern aus Konkurrenzgründen gelegen.

Umgekehrt will Peking nicht nur wie bisher Milliarden in Großbritannien investieren, sondern auch eigene Technik exportieren. Drei Staatskonzerne liegen dabei im Wettstreit, eine Präferenz des staatlichen Aufsehers für eine bestimmte Designlösung lässt auf sich warten. Osborne besuchte in den vergangenen Tagen nicht nur die AKW-Baustelle von Taischan, wo EdF bereits mit CGN kooperiert, sondern auch die Standorte anderer Kernkraftbetreiber.

Die Verlautbarungen des konservativen Ministers haben offenbar den liberalen Energieminister Edward Davey nachhaltig verärgert. Davey hat in monatelanger Kleinarbeit die Grundlage für den atomaren Neuanfang in Hinckley Point (Grafschaft Somerset) gelegt. Dort soll sich CGN zu 30 Prozent beteiligen, EDF finanziert 70 Prozent des auf 16,5 Mrd. Euro geschätzten Bauprojekts.

Im Gegenzug verlangen die Franzosen von der Regierung Garantiepreise, die dem Vernehmen nach um rund das Doppelte über dem derzeitigen Strompreis liegen. Dies ist mit EU-Regeln kaum zu vereinbaren, die eine Subventionierung neuer Kernkraftwerke verhindern sollen. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 18.10.2013)