SPÖ-Bundeskandidaten für den Nationalrat, Resul Ekrem Gönültas. 12.715 Vorzugsstimmen

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"Migranten retten SPÖ vor noch größerem Debakel", titelte die vom ehemaligen FPÖ-Nationalratspräsidenten Martin Graf betreute Seite unzensuriert.at und verwies damit auf das Vorzugsstimmenergebnis des SPÖ-Bundeskandidaten für den Nationalrat, Resul Ekrem Gönültas. 12.715 Vorzugsstimmen waren am Ende für Gönültas zusammengekommen und hatten ihn somit auf Platz zwei der SPÖ bezüglich Bundesvorzugsstimmen gehievt. Namhafte und/oder altgediente Politiker wie der Grüne Karl Öllinger oder der Neos-Parteichef Matthias Strolz bekamen weniger Vorzugsstimmen als der unbekannte Polit-Newbie Gönültas.

Außer Gönültas waren auch etwa drei türkischstämmige Kandidaten von der ÖVP aufgestellt gewesen, die alle schlecht gereiht auf einen Vorzugsstimmenwahlkampf setzen mussten. Der aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund kommende Hasan Vural hatte während des Wahlkampfs für Furore gesorgt und war mit knapp 1500 Vorzugsstimmen dennoch unter den Erwartungen geblieben. Keiner von den schlecht gereihten Migranten-Kandidaten wird im Nationalrat vertreten sein. Selbst der SPÖler Gönültas hätte knapp 80.000 Vorzugstimmen gebraucht. Diese Zahl entspricht im Übrigen der ungefähren Zahl aller türkischstämmigen Wahlberechtigten in Österreich.

Rein theoretische Chancen

Die frischgebackene Nationalrätin Aygül Berivan Aslan von den Grünen hatte bereits im Interview mit daStandard gesagt, dass es eben wichtig sei, den Wählern vorab klar zu sagen, ob man auf einem wählbaren Platz sei oder nicht. Während des Wahlkampfs hatte ein offener Brief der grünen Nationalrätin Alev Korun an die türkischsprachigen Medien in Wien für verärgerte Reaktionen seitens Vural und Gönültas gesorgt. Korun hatte vorgerechnet, wie viele Stimmen beide Herren brauchen würden und wie schlecht damit die Chancen stünden.

Nach der Wahl haben sich alle Migrantenkandidaten, die nicht gewählt worden waren, bei ihren Wählern bedankt, auch wenn sich etwa der ÖVPler Selfet Yilmaz kritisch äußert: "Leider haben wir in der Community ein Problem mit fehlendem politischem Interesse." Für Sirvan Ekici, die ehemalige Wiener Gemeinderätin der ÖVP, ist hingegen klar, dass alle Parteien in puncto Kandidaten- und Listenpolitik umdenken müssten. "Ich will politisch aktiv bleiben, aber ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich nicht mehr auf ausweglosen Plätzen kandidieren werde", so das Resümee Ekicis.

SPÖ bei Muslimen erfolgreich

Gönültas, der aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Milli-Görüs-Ableger Islamische Föderation Wien (IFW) in die Kritik geraten war, wurde von seinem Chef Christoph Matznetter, dem Präsidenten des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands (SWV), auf Twitter verteidigt, und auch der Bundesgeschäftsführer sprang ihm in einer Aussendung zur Seite. "Bedenklich" sei die Hetze von rechter Seite gegen Gönültas gewesen. Und auch wenn Gönültas nicht gewählt worden ist, hat er seiner Partei viele Stimmen gebracht, die ohnehin unter den österreichischen Muslimen am stärksten gewählt wird.

Der Umfrageforscher Peter Hajek sieht es nüchtern: "Die SPÖ hat im muslimischen Milieu einen klassischen Zielgruppenwahlkampf geführt und war angesichts unserer Nachwahlbefragungen sehr erfolgreich damit. Außer den Grünen gibt es praktisch keine feststellbare Parteienpräferenz muslimischer Wähler." Gerade weil Zielgruppenwahlkämpfe alltäglich seien, sei die damalige Reaktion Faymanns im TV-Duell mit Strache unverständlich gewesen. "Im Migrantenmilieu in der jeweiligen Sprache zu werben ist logisch, bei Pensionisten oder Jugendlichen passt man Strategie und Methode ja auch den Angesprochenen an", so Hajek weiter.

Die wahlberechtigten Menschen mit Migrationshintergrund seien heute schon ein sehr wichtiger Wählerpool. "Und angesichts der Zahlen, die wir für ATV zusammengestellt haben, war die SPÖ bei der Zielgruppe der muslimischen Wähler sehr erfolgreich. Daher ist davon auszugehen, dass sie dies auch in Zukunft so handhaben wird", folgert Hajek im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen in Wien 2015. (Rusen Timur Aksak, 18.10.2013, daStandard.at)