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Globaler Menschenhandel - internationale Proteste: Hier eine Aktion gegen Zwangsprostitution in Berlin.

Foto: EPA/Schlesinger

Es können Bauarbeiter sein, auf einem Gerüst in Wien, oder, in der Erntezeit, Frauen auf einem Erdbeerfeld auf dem Land. Aber auch die dunkelhäutige Nanny in einem Diplomatenhaushalt oder der chinesische Kellner in einem Asia-Restaurant arbeiten dort möglicherweise nicht aus freiem Willen.

Sondern sie wurden vielleicht unter Vorspiegelung eines guten Einkommens angeworben, ohne bisher je einen Lohn gesehen zu haben. Oder sie müssen ihren Arbeitgebern rund um die Uhr zur Verfügung stehen: Zwei von 60 Indikatoren für das Vorliegen von Menschenhandel, die 2009 von der Europäischen Kommission und der Internationalen Arbeitsorganisation (Ilo) erstellt wurden.

Auch in Österreich

Opfer von Menschenhandel gebe es auch in Österreich, und zwar nicht nur unter Prostituierten und Kindern, die unter Zwang hergebracht wurden, sondern zunehmend auch im Bereich Arbeitsausbeutung, sagt Helga Konrad, ehemalige Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gegen Menschenhandel. Doch in Österreich - und international - werde zu wenigen Betroffenen geholfen.

Zwar werde "seit Jahren auf internationalen Konferenzen über den Kampf gegen Menschenhandel debattiert". Aber vielfach fehlten politischer Wille und "Leadership", um wirksam gegen Formen moderner Sklaverei (siehe "Wissen" unten) vorzugehen.

"Kurzsichtiges" Denken

Mit dafür verantwortlich, so Konrad, sei ein "kurzsichtiger Sicherheitsbegriff" bei Polizei und Behörden. Bei Ermittlungen gegen Menschenhändler blieben deren Opfer zu oft auf der Strecke, weil sie aus jenen Staaten, in denen man sie gefunden hat, rasch wieder ausgewiesen werden.

Auch in Österreich ist das laut Experten ein Problem: Betroffene erhalten nur während strafrechtlicher Ermittlungen - 2012 gab es genau 70 Anzeigen - ein Aufenthaltsrecht. Dieses endet, so es keine Verurteilungen gibt.

Im Fall eines Urteils seien die Opfer anderen Ausländern am Arbeitsmarkt aber inzwischen gleichgestellt, wendet hier Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle gegen Schlepperei und Menschenhandel im Bundeskriminalamt, ein. Doch er konzediert, dass auch das vielen keine Hilfe ist: "Wenn sie, wie oft, nur niedrig qualifiziert sind, finden sie auf legalem Weg keinen Arbeitsplatz."

"Man sieht nur, was man weiß"

Derlei unsichere Perspektiven erschweren es Opfern, sich aus dem Ausbeutungsverhältnis zu befreien: Wie wenige überhaupt erkannt werden, zeigt ein Statistikvergleich. Laut Ilo wird die Zahl Betroffener weltweit auf 21,5 Millionen geschätzt, in der EU auf 880.000. Laut dem statistischen Amt der EU, Eurostat, wurden zwischen 2008 und 2011 europaweit genau 23.000 Personen als Opfer identifiziert.

"Man sieht nur, was man weiß", zitiert denn auch Elisabeth Tichy-Fisslberger, Österreichs nationale Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels, Johann Wolfgang von Goethe. Es gelte, "Awareness" zu schaffen, sagt sie - anlässlich des heurigen "EU Anti Trafficking Day", etwa mittels der Veranstaltung "Gemeinsam gegen Menschenhandel" am Montag in der Wiener Diplomatischen Akademie: ein Termin des offiziellen Österreich, internationaler Organisationen und NGOs.

Mit auf dem Programm: eine Podiumsdiskussion über die Rolle der Freier bei der Bekämpfung sexueller Ausbeutung sowie ein Workshop über das derzeit vieldiskutierte Thema der Entschädigungen. Es gelte, Firmen, die von der modernen Arbeitssklaverei profitieren, zu Zahlungen an die Opfer zu zwingen, erläutert Julia Planitzer vom Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte in Wien, die seit Jahren dazu forscht. (Irene Brickner, DER STANDARD, 21.10.2013)