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In Rom gingen am Samstag empörte Menschen auf die Straße, um gegen Kürzungen von Sozialleistungen zu demonstrieren. 4000 Polizisten waren im Einsatz, es kam zu Ausschreitungen. 

Foto: AP/Monaldo

Mailand/Lissabon/Athen - Am Wochenende haben in Südeuropa wieder Massenproteste gegen weitere Sparprogramme stattgefunden. In Rom protestierten zehntausende Menschen gegen die Politik der Regierung. 16 Demonstranten wurden festgenommen, 20 Polizisten verletzt. 70.000 Menschen nahmen laut Organisatoren an den Demos teil; 50.000 waren es laut Polizei.

Hunderte von Demonstranten schlugen in der Nacht zum Sonntag ihre Zelte in der Nähe von Porta Pia, vor dem Ministerium für Infrastruktur auf und wollen hier bis Dienstag biwakieren. Dann will Transportminister Maurizio Lupi ihre Forderung nach Recht auf Wohnungen und feste Arbeitsplätze anhören. Heute, Montag, werden die Demonstranten vor dem Gericht gegen die Festnahme ihrer Kollegen protestieren. "Wir wollen nicht, dass unser Protest gegen die Sparpolitik sofort wieder untergeht" , begründete eine Studentin das Biwakieren.

Ausschlaggebender Grund für die von den verschiedenen Protestbewegungen organisierten und den Gewerkschaften unterstützten Demonstrationen ist das Haushaltsgesetz der Regierung. Das wurde vorige Woche verabschiedet und sieht Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst, unter anderem eine Nullrunde bei den Beamtengehältern, vor. So sollen Steuerentlastungen bis zu 14,6 Mrd. Euro innerhalb von drei Jahren finanziert werden. Geplant sind auch Beschäftigungsanreize für jugendliche Arbeitnehmer - die haben jedoch noch keine konkrete Form angenommen. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt beim Rekordwert von 40,1 Prozent. "Auch wir haben Recht auf Arbeit und eine Wohnung, auf eine Zukunft" war auf den Transparenten zu lesen. Unter den Demonstranten waren auch zahlreiche Schüler, also Minderjährige, zu finden. "Ein Signal, dass die Jugend in Bewegung gerät", kommentierte Soziologe Ilvo Diamanti den Protest.

Bei der Großdemonstration kam es auch zu Ausschreitungen. Vor Wirtschafts- und Finanzministerium steckten in- und ausländische Extremisten Mülleimer in Brand, Rauchbomben explodierten, Polizisten wurden mit Eiern beworfen.

Italien will die Neuverschuldung 2014 mit 2,5 Prozent deckeln; Rufe nach einer Lockerung der Sparpolitik, nach flexibleren Maastricht-Regeln werden immer lauter. "Ich sehe Chancen, dass die Neuverschuldungsgrenze von drei Prozent gelockert werden könnte", kommentierte der einstige EU-Kommissionspräsident, Romano Prodi, die Situation. Italien unterstütze nicht nur mit zig Millionen Euro andere EU-Länder, Rom sei einst auch großzügig gewesen, als Deutschland und Frankreich eine Lockerung der Grenze forderten. "Bei flexibleren Maastricht-Kriterien könnten wir Beschäftigung und Wachstum ankurbeln", meinte Prodi bei einem Seminar des Industriellenverbandes Unindustria Bologna.

Portugiesen auf der Straße

Auch im Eurokrisenland Portugal, das aufs dritte Rezessionsjahr in Folge zusteuert, haben Zehntausende gegen massive Kürzungen im Staatshaushalt protestiert. In Lissabon und Porto forderten die Menschen bei den vom Gewerkschaftsdachverband CGTP organisierten Kundgebungen ein Ende von "Ausbeutung und Verarmung". In Lissabon fuhren Demonstranten in rund 400 Bussen demonstrativ über die Brücke des 25. April, die an die Nelkenrevolution von 1974 erinnert.

Warm anziehen heißt es auch in Griechenland. Die Regierung stellt sich auf harte Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern ein. "Bis Juni wird es die Hölle werden", sagte Finanzminister Giannis Stournaras am Sonntag. "Alles wird auf den Prüfstand gestellt und mit unseren Geldgebern beurteilt." Und der Minister schlug Begrenzungspflöcke ein: "Wir werden ein neues Rettungspaket nur dann akzeptieren, wenn es nicht an finanzielle, sondern an strukturelle Maßnahmen geknüpft ist." (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, 21.10.2013)