Sattsam bekannt, was uns Heutigen im Arbeitsalltag - und nicht nur dort - zu schaffen macht: die laufende Intensivierung der Anforderungen, der permanente Zwang zur Neuorientierung, die generelle Instabilität der Verhältnisse, deren Unberechenbarkeit, die sich daraus ergebende Verunsicherung und Zukunftsunsicherheit. All das löst Unbehagen aus, macht Sorge, treibt innerlich um. Das Gefühl, sich auf brüchigem Eis zu bewegen, und aus dieser inneren Bangigkeit heraus dennoch beherzt dem Tagwerk nachzugehen führt in augenscheinlich immer mehr Fällen in die Sackgasse des Nicht-mehr-Könnens und Nicht-mehr-Weiterwissens.

Wissenschaft und Therapie beschäftigen sich seit geraumer Zeit mit dieser Problematik. Und die sie dabei maßgeblich beschäftigende Frage lautet: Wieso leiden die einen unter diesen Umständen bis zum körperlich-seelischen Zusammenbruch, während andere mit ihnen klarkommen? Ja, beinahe angefeuert durch die sich ihnen in den Weg stellenden Herausforderungen zu Hochform auflaufen? "Resilience" bzw. "reliency" lautet der englische Begriff für diese Eigenschaften, aus dem sich das nun immer geläufiger werdende Wort "Resilienz" herleitet.

Nature or nurture?

Die mit der Gabe und wohl auch Gnade der Resilienz Beschenkten, was unterscheidet sie von den vom Schicksal weniger Begünstigten, sich an den Umständen Wundreibenden? Wie immer bei diesen Fragestellungen spielt auch bei der Erforschung der Gründe für die Stabilität und Belastbarkeit eines Menschen die Überlegung eine Rolle: nature or nurture? Angeboren oder durch günstige (z. B. frühkindliche = Erziehung) Umweltbedingungen erworben? Einiges deutet zuverlässig darauf hin, dass ein Grundstock dafür den Glücklichen schon in die Wiege gelegt wird. Ebenso viel allerdings auch darauf, dass ein gewisses Mehr an innerer Widerstandskraft durchaus auch erarbeitet werden kann.

Und so konstatieren denn auch Rosmarie Welter-Enderlin und Bruno Hildenbrand als Herausgeber stellvertretend für die übrigen Autoren des wissenschaftlich-therapeutisch orientierten Bandes Resilienz - Gedeihen trotz widriger Umstände: Die Resilienzforschung zeigt, dass die Psyche eine Art Schutzschirm besitzt, die den Menschen widerstandsfähig und krisenfest macht. Der Kern der Resilienz aber ist das unerschütterliche Vertrauen in die Fähigkeit, sein eigenes Leben in den Griff zu bekommen. Eine Feststellung, die eine früher geläufige, heute beinahe vergessene Redensart wieder in Erinnerung ruft: Jeder ist seines Glückes Schmied.

Sieben Säulen

Wenn Letzteres auch "cum grano salis" zu lesen ist - niemand sollte es sich antun, passiv auf die "unwiderstehliche Macht der Verhältnisse" hinzuweisen, an der auch der beste Mann scheitern kann, wie das berühmte Wort des älteren Moltke lautet. Denn, so Enderlin und Hildenbrand konkreter: Dieses Vertrauen basiert auf sieben Säulen, die die Basis unserer inneren Stärke bilden: Optimismus, Bewältigungsorientierung, Verlassen der Opferrolle, Akzeptanz, Verantwortung, aktive Zukunftsplanung, Netzwerke und Freundschaften.

"Nature" hin, "nurture" her - Resilienz gibt es nicht ohne konsequentes eigenes Zutun. Was Christina Berndt in ihrem Band Resilienz - Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft - Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout zu der kurzen Feststellung führt: Für unsere psychische Widerstandskraft können wir ein Leben lang etwas tun. Hinzuzufügen wäre: Und wir sollten das auch tun. Wie auch immer die Dinge mit der inneren Widerstandskraft gegen die äußeren Misshelligkeiten gedreht und gewendet werden, die Sache läuft auf eines hinaus: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Erwarte wenig von anderen, dafür umso mehr vor dir. Sei dankbar für jede Form von Unterstützung, nur setze nicht, geschweige denn hoffe darauf.

Krisen des Lebens

Wie diese Lebenseinstellung in die Tat umzusetzen ist, welche Erkenntnisse die Resilienzforschung dazu beisteuert und welche Lehren für den Alltag daraus zu ziehen sind: Christina Berndt stellt dazu eine Fülle lesens- und beherzigenswerter höchst nützlicher Fakten in ihrem breit angelegten Buch bereit. Ihre Absicht ist es, den Lesern anhand von Beispielen Wege aufzuzeigen, wie sie künftig die großen und kleinen Krisen des Lebens besser bewältigen können.

In dieser Absicht trifft sich Berndt mit Andrew Zolli und Ann Marie Healy, den Autoren von Die 5 Geheimnisse der Überlebenskünstler - Wie die Welt ungeahnte Kräfte mobilisiert und Krisen meistert. Doch wie der Untertitel schon signalisiert, fassen Zolli und Healy ihre anregende, beinahe spannende Auseinandersetzung mit dem Thema weiter. In ihrem Fokus stehen neben dem Menschen Unternehmen ebenso wie soziale und politische Organisationen bzw. Systeme. Ihr Credo: Ohne Widerstandskraft - für sie die generelle Fähigkeit, sich an dramatisch ändernde äußere Bedingungen anzupassen und dabei funktionsfähig zu bleiben - ist es überall um die Krisenfestigkeit schlecht bestellt. Aus diesem weiten Blickwinkel heraus teilen sie ihr Buch in zwei Hälften. Die erste ist der Widerstandsfähigkeit von Systemen und Organisationen gewidmet, die zweite der von Menschen. Drei Bücher, ein Thema; drei Perspektiven, eine Aufforderung: Versäumen Sie nicht, sich fit zu machen für eine Welt, die zugiger wird. Gerade auch auf dem Arbeitsmarkt. (Hartmut Volk, DER STANDARD, 19./20.10.2013)