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Der US-Botschafter in Frankreich, Charles H. Rivkin, bekam den Ärger der französischen Regierung über die NSA-Abhöraktionen persönlich zu hören: "schockierend und völlig inakzeptabel".

Foto: AP Photo/Claude Paris, File

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Der Sitz der NSA in Fort Meade in Maryland. Der US-Geheimdienst hat auch französische Bürger auspioniert.

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Ein solches Verhalten war der amerikanische Gesandte in Paris von den sonst so eleganten französischen Diplomaten nicht gewohnt: Er solle doch bitte "umgehend" im Außenministerium erscheinen, bedeutete ihm die französische Regierung nur kurze Zeit nach den neusten Enthüllungen in Sachen "National Security Agency" (NSA). Außenminister Laurent Fabius, am Montag auf EU-Termin in Luxemburg, bemühte sich nicht selbst nach Paris zurück, sondern ließ den US-Botschafter von einem Untergebenen empfangen.

Vor den Mikrofonen sprach er hingegen Klartext: "Diese Praktiken zwischen Partnern verletzten die Privatsphäre und sind völlig inakzeptabel." Innenminister Manuel Valls bezeichnete die neusten Enthüllungen als "schockierend" und verlangte "präzise Erklärungen der amerikanischen Behörden".

Le Monde berichtet detailliert, dass die NSA in Frankreich binnen einem Monat mehr als 70 Millionen Telefongespräche angezapft habe. Bestimmte Nummern wurden automatisch abgehört; auch SMS wurden millionenfach abgeschöpft, wenn sie gewisse Schlüsselworte enthielten.

Le Monde bezieht sich auf Unterlagen des Whistleblowers Edward Snowden aus der Zeit zwischen dem 10. Dezember 2012 und dem 7. Jänner 2013. An einzelnen Tagen nahm der US-Geheimdienst in Frankreich sieben Millionen Telefonate auf. Diese Operation lief unter dem Siegel "US-985D", während zum Beispiel deutsche Telefone unter den Dossiers "US-987LA" und "US987LA" gespeichert wurden.

Brisant daran ist, dass laut Le Monde nicht nur große US-Anbieter wie Google oder Microsoft die logistische Grundlage für das Abhören bildeten. Technische Hilfe leisteten auch der französische Operateur Wanadoo, der mittlerweile im Telekomkonzern Orange aufgegangen ist, sowie der franko-amerikanische Netzwerkausrüster Alcatel-Lucent, der unter anderem Unterseekabel herstellt. Die Unternehmen nahmen vorerst keine Stellung zu den Vorwürfen.

Politiker im Visier

Noch mehr Wellen wirft die Information, dass die NSA keineswegs nur Terrorverdächtige unter die Lupe genommen habe, sondern auch Geschäftsleute, Regierungsmitarbeiter und Politiker. Namen nennt Le Monde nicht. Trotzdem kritisierte am Nachmittag auch Premier Jean-Marc Ayrault das Ausspionieren von Privatgesprächen, das "keinerlei strategische Rechtfertigung, keinerlei Rechtfertigung der nationalen Verteidigung" habe. Er sei "tief schockiert", dass ein verbündetes Land wie die USA" so weit gehen könne, fügte er an.

Die Reaktion in Paris kontrastiert mit dem Schulterzucken, mit dem die Franzosen bisherige Abhör-Enthüllungen aufgenommen hatten. Die Pariser Staatsanwaltschaft eröffnete im Sommer zwar ein Strafverfahren gegen NSA, FBI sowie "Zulieferer" wie Google oder Microsoft. Die politischen Reaktionen hielten sich aber in Grenzen. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 22.10.2013)