Wien - Ein "Sandwichkonzert", also Zeitgenössisches zwischen Bekanntem, kann wie ein leeres Lippenbekenntnis wirken - es sei denn, die gespielte Novität hat so viel Gewicht, dass sie dem Gewohnten tatsächlich Konkurrenz machen kann.

Dieser Eindruck wurde beim letzten Konzert des ORF-Radiosymphonieorchesters Wien vor seinen Programmen im Rahmen des Festivals Wien Modern schon auch ein klein wenig von der Interpretation des ersten Programmpunkts begünstigt. Franz Listzs symphonische Dichtung Orpheus ist ansonsten kein Stück, um dessen Wirkung man bangen müsste. Aber Chefdirigent Cornelius Meister schien die Sache doch gar zu verhalten und unbeteiligt anzulegen, so dass sie nicht viel mehr als brav herüberkam.

Paradoxe Transformationen

Letzteres Attribut wäre dem folgenden Auftragswerk des Musikvereins und des ORF unter keinen Umständen angemessen: Mit hands, yard, infinity für Orgel und Orchester hat Thomas Amann eine Gratwanderung der Extreme unternommen und dem hingebungsvoll präzisen Solisten Wolfgang Kogert Untypisches abverlangt. Dabei hat der 1978 geborene Innsbrucker, unter anderem Schüler von Beat Furrer, paradoxerweise gerade bei den ureigensten Möglichkeiten des Instruments angesetzt, sie aber radikal transformiert.

Ebenso spielerisch wie zwingend nutzte er die Fähigkeit der Orgel zu unveränderten, ausgedehnten Klängen, arbeitete andererseits mit kürzestmöglich angerissenen Akkorden, amalgamierte dies mit dem Orchesterklang in allen möglichen Fusionen und bewies dabei ein ebenso untrügliches Zeitgefühl wie einen Sinn für tiefenscharfe Klangwirkungen.

Was schließlich die vierte Symphonie von Jean Sibelius im Programm zu suchen hatte, wurde nicht völlig klar - es sei denn, die Fähigkeiten des Orchesters auch bei diesem Repertoire unter Beweis zu stellen. Das gelang jedenfalls Meister mit einer Mischung aus Brillanz und Innigkeit sowie ein bisschen geschmackvoll beschränktem Pathos. (daen, DER STANDARD, 22.10.2013)