Brüssel/Luxemburg - "Sachlich" oder doch "leicht angespannt" sei die Sitzung verlaufen. So schilderten der christsoziale Premierminister Jean-Claude Juncker und sein Noch-Koalitionspartner von der Arbeiterpartei (LSAP), Wirtschaftsminister Etienne Schneider, am Montag die Stimmung beim ersten Ministerrat nach den Parlamentswahlen vom Sonntag in Luxemburg.

Dem ganz entsprechend rechnet bei den beiden großen Parteien praktisch niemand mehr mit einer Fortsetzung des Regierungsbündnisses, das seit 2004 bestand. Zu viel Porzellan wurde bei der Aufarbeitung der Geheimdienstaffäre im Frühjahr zerschlagen.

Vor allem haben beide Parteien, wie berichtet, verloren: Junckers Volkspartei (CSV) stark an Stimmen und Mandaten (minus 4,5 Prozentpunkte, minus drei Sitze). Die LSAP büßte 1,5 Prozent Stimmenanteil ein, konnte aber ihre 13 Mandate halten. Wie es im Land weitergeht, sollte nun rasch - bis nächste Woche - entschieden werden.

Die Regierung bot dem Großherzog zu Montagmittag ihren Rücktritt an. Dieser beauftragte Juncker mit der Fortführung der Geschäfte und will bald erklären, wem er den Auftrag zur Bildung der neuen Regierung geben wird. Voraussichtlich wird dies zunächst wieder Juncker sein, als Chef der nach wie vor stärksten Partei.

Rechnerisch möglich wäre aber auch eine Dreierkoalition der Arbeiterpartei mit den Liberalen von der Demokratischen Partei (DP) und den Grünen. Die haben ein Mandat verloren (jetzt sechs). Wegen der starken Zugewinne der DP (plus 3,3 Prozentpunkte an Stimmen, plus vier Mandate auf 13) ergibt sich für ein Dreierbündnis eine Mehrheit mit 32 Mandaten gegen 23 von CSV und fünf von Kleinparteien. Das Problem dabei: Schneider hat angekündigt, dass er Premierminister werden will. Der Parteichef der Liberalen, Xavier Bettel, hat im Wahlkampf aber ebenfalls erklärt, nur als Premier in die Regierung zu wechseln - oder gar nicht. Er ist erst seit Jänner 2013 Bürgermeister von Luxemburg-Stadt.

Juncker mit Ablaufdatum

Juncker hingegen strebt direkt ein Bündnis mit den Liberalen an, mit denen die CSV eine komfortable Mehrheit bilden könnte. Vor allem wirtschafts- und finanzpolitisch gibt es zwischen diesen Parteien große Übereinstimmung. Auf der anderen Seite drängte der 40-jährige Bettel im Wahlkampf auf einen Generationenwechsel bei der CSV. Montagabend wollten Sozialisten und Liberale beraten, wie sie weiter vorgehen.

Eine Regierungszusammenarbeit von Arbeiterpartei und Liberalen (aber ohne Grüne) hat es seit 1945 in Luxemburg erst einmal gegeben: 1974 bis 1979. Die Sozialisten hatten das Amt des Premiers damals dem Liberalen Gaston Thorn überlassen, obwohl sie mehr Stimmen hatten. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 22.10.2013)