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Der Fall Maria lenkt die Aufmerksamkeit der Behörden auf illegale Adoptionen und Dokumentenfälschung.

Foto: Reuters/Tessier

Athen/Wien - Zwischen unsicher und trotzig schwankt der Blick jenes weißblonden Mädchens, das vergangenen Donnerstag bei einer Razzia in einer Roma-Siedlung in Griechenland von der Polizei entdeckt wurde. Auf den Bildern, die am Dienstag veröffentlicht wurden, kneift sie die Augen zusammen. Ein Scheinwerfer leuchtet in ihr Gesicht. Ihre Daumenkuppen schimmern violett von den Fingerabdrücken, die Wand hinter ihr ist rostrot.

Mit dieser fast ikonischen Darstellung wollen die Fahnder die leiblichen Eltern des Mädchens finden, das auf den Namen Maria hört. Ein erster DNA-Test ergab, dass das Paar, bei dem es gefunden wurde - ein 39-jähriger Mann und eine 40-jährige Frau - nicht die Eltern sein können. Auch von ihnen veröffentlichte die Polizei Fotos, Maria sitzt zwischen ihnen.

"Tickende Zeitbombe"

Die beiden wurden wegen Verdacht der Kindesentführung in Untersuchungshaft genommen. Laut ihrem Anwalt Constantinos Katsavos räumten sie ein, das etwa fünfjährige Mädchen auf illegalem Weg adoptiert, aber nicht entführt zu haben. Der Mann gab bei der Vernehmung an, die leibliche Mutter sei eine Romni aus Bulgarien, die nicht für Maria sorgen konnte. Er und seine Partnerin hätten das Kind aus Mitleid aufgenommen und großgezogen.

Das Paar, das seit zwei Jahren getrennt ist, verstrickte sich immer wieder in Widersprüche und beschuldigte sich gegenseitig. Das griechische Fernsehen zitierte aus dem Protokoll des Mannes: Er habe seiner damaligen Partnerin davon abgeraten, das Kind zu sich zu nehmen, und gesagt, das Mädchen sei "eine tickende Zeitbombe". Auch ein Video ist aufgetaucht, das Maria beim Tanzen und Betteln zeigt.

Der Fall macht vor allem eines deutlich: wie leicht es scheinbar ist, in Griechenland an gefälschte Papiere zu gelangen. Die Frau hatte zumindest zwei Personalausweise, mittels derer das Paar Fürsorge für 14 Kinder in drei Gemeinden angemeldet hatte. Pro Monat sollen sie sich so 2800 Euro an Beihilfen erschlichen haben.

Im gleichen Haus fand die Polizei noch weitere zwei Mädchen und einen Jungen, deren Identitäten noch ermittelt werden. Die restlichen zehn Kinder sind möglicherweise erfunden. Der Spiegel berichtet, dass drei der gemeldeten Kinder laut ihren Papieren im Zeitraum von nur fünf Monaten zur Welt gekommen sein müssten.

Leiter des Geburtenregisters suspendiert

Für Maria hat sich das Paar im Juni eine Geburtsurkunde beschafft. Am Dienstag reagierte der Athener Bürgermeister Giorgos Kaminis und suspendierte den Leiter des Geburtenregisters und drei weitere leitende Beamte. Das Höchstgericht ordnete eine Untersuchung aller seit 2008 ausgestellten Geburtsurkunden im Land an.

Maria befindet sich jetzt in Obhut der griechischen Hilfsorganisation "Das Lächeln des Kindes". Gesundheitlich gehe es ihr gut, sie sei anfänglich etwas verängstigt gewesen, würde aber schon ganz normal spielen, sagte ein Sprecher der Organisation.

Nun wird ihre DNA mit den Proben von Eltern abgeglichen, die sich bei der Hilfsorganisation gemeldet haben und als Erzeuger infrage kommen. Darunter sind auch Fälle aus den USA, Schweden, Polen und Frankreich, wo Kinder unter mysteriösen Umständen verschwunden sind. Seit der Fall publik wurde, gingen 10.000 Hinweise bei der Organisation ein.

Polizei und Interpol ermitteln inzwischen wegen Verdachts auf internationalen organisierten Kinderhandel. Am Montag wurden bei einer weiteren Razzia neun Personen in zwei Roma-Lagern in der Nähe von Athen festgenommen. (juh, DER STANDARD, 23.10.2013)