Stefan Sagmeister auf der Terrasse seiner Wohnung in New York. Wenn es nach ihm geht, ist dies der schönste Ort der Stadt. Das Empire State Building hat er als Original im Blick, er sammelt es aber auch in Form von Souvenirs.

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STANDARD: Wenn Sie sich an Ihren ersten New-York-Besuch erinnern, was fällt Ihnen ein?

Stefan Sagmeister: Mein lieber Schwager hatte eine Wette verloren und musste eine Amerika-Reise spendieren. Wir sind mit dem Greyhound-Bus von New York aus nach Washington, Miami, New Orleans und Chicago gefahren. Begeistert hat uns allerdings nur New York. Ich wusste schon am ersten Tag, dass ich hier einmal leben möchte: Und so kam es dann auch.

STANDARD: Wo verbrachten Sie Ihre erste Nacht?

Sagmeister: In einem schlechten Hotel am Times Square. Das war 1986 eine sehr räudige und etwas gefährliche Gegend. Uns Bregenzern haben die dröhnenden Polizeisirenen in der Nacht natürlich sehr gefallen. Das war wie im Film.

STANDARD: Wie oft sind Sie schon über den Atlantik geflogen?

Sagmeister: In den letzten 20 Jahren circa einmal im Monat, also an die 300-mal.

STANDARD: Haben Sie den Teich auch schon einmal mit dem Schiff überquert?

Sagmeister: Niemals.

STANDARD: Würden Sie's gerne nachholen?

Sagmeister: Nur, wenn diese neuen Ozeandampfer nicht ganz so grauslich ausschauen würden.

STANDARD: Was war Ihr schlimmster Flug?

Sagmeister: Praktisch jeder mit praktisch jeder amerikanischen Fluglinie. Das letzte Mal vor ein paar Wochen vom George Bush International Airport in Houston zum JFK in New York, mit sechs Stunden Verspätung, die uns in 20-Minuten-Abständen angekündigt wurde.

STANDARD: Ihr bester Flug?

Sagmeister: Praktisch jeder mit praktisch jeder asiatischen Fluglinie - der letzte vor ein paar Wochen von Bangkok nach Dubai mit Emirates. Ein sehr gemütlicher Flug. Ich habe in den sechs Stunden Flugzeit mehr Arbeit fertiggestellt als in zwölf Stunden im Studio.

STANDARD: Was macht den Mythos New Yorks aus? Ist es der Geist der Auswanderer, die Skyline?

Sagmeister: Es ist die Dichte der Stadt, die ein Leben ohne Auto ermöglicht. Und eine angenehme Grundfreundlichkeit, die das Kennenlernen von vielen verschiedenen Menschen mit sich bringt.

STANDARD: Welches ist das beste Geräusch der Stadt?

Sagmeister: Die lauten, kurz aufgeschnappten Wortfetzen, die mir auf der Straße entgegenkommen. Vor kurzem sagte jemand: "Man, you have too many mouths and no ears."

STANDARD: Welche ist die schönste Jahreszeit in New York?

Sagmeister: Das sind der Frühling, der Sommer und der Herbst. Der Winter ist eigentlich nur dazu da, den Frühling besser aussehen zu lassen.

STANDARD: Wie gefällt Ihnen der "Big Apple" als Symbol für New York?

Sagmeister: Nicht gut. Hört sich weder gut an, noch schaut es gut aus.

STANDARD: Hätten Sie ein besseres Symbol?

Sagmeister: Andy Warhols Banane, die ursprünglich für Velvet Underground entworfen wurde.

STANDARD: Welches Obst würden Sie für Wien auswählen?

Sagmeister: Die Mostbirne.

STANDARD: Welcher ist der beste New-York-Song?

Sagmeister: Perfect Day von Lou Reed.

STANDARD: Wie gefällt Ihnen Frank Sinatras "New York, New York"?

Sagmeister: Dieses an sich gute Lied hat durch die andauernde Wiederholung leider jegliche Kraft verloren. Die Version von Cat Power funktioniert trotzdem.

STANDARD: Der beste New-York-Film?

Sagmeister: Manhattan von Woody Allen.

STANDARD: Der bedeutendste New Yorker?

Sagmeister: Peter Stuyvesant, weil es New York ohne ihn nicht gäbe.

STANDARD: Hatten Sie jemals ein Date auf dem Empire State Building?

Sagmeister: Nein. Aber ich habe eine Sammlung von Souvenirs vom Empire State Building. Die stehen alle in einem Fenster meiner Wohnung. Und von dort sehe ich auch das Original.

STANDARD: Welcher ist Ihr Lieblingsort in New York?

Sagmeister: Bei mir auf dem Dach, am Sonntagmorgen, nachdem die New York Times geliefert wurde. Dazu gibt's Bagel, Lox and Scallion Cream Cheese, Tomaten und Zwiebeln.

STANDARD: Wo wohnen Sie?

Sagmeister: Genau am Schnittpunkt zwischen dem Meatpacking District, Chelsea und dem West Village. Ich fühle mich dort sehr wohl.

STANDARD: Würden Sie gern in New York alt werden?

Sagmeister: New York ist nach wie vor meine Lieblingsstadt. Aber ich muss nicht mein ganzes Leben in meiner Lieblingsstadt verbringen.

STANDARD: Wie stellen Sie sich Ihren Abschied von New York vor?

Sagmeister: Das mag ich mir dann doch lieber nicht vorstellen.

STANDARD: Sind Sie schon einmal in New York überfallen worden?

Sagmeister: Nein, nie. Auch nicht, als es noch gefährlich war.

STANDARD: Wie erinnern Sie sich an den 11. September 2001. Wo waren Sie an dem Tag?

Sagmeister: Ich war wegen eines Vortrags in London und konnte zehn Tage lang nicht zurück. Hurricane Sandy habe ich übrigens auch versäumt.

STANDARD: Wie bewegen Sie sich in New York?

Sagmeister: Normalerweise zu Fuß, ich wandere auch nach 20 Jahren hier wahnsinnig gerne durch die Stadt. Neuerdings bin ich auch ab und zu mit dem Fahrrad unterwegs, weil das Bike-Sharing-Programm außerordentlich gut funktioniert.

STANDARD: Wohin fahren Sie, wenn Sie mal rauswollen?

Sagmeister: Ich bin Mitglied bei einem Autoklub und kann mir von dort feine Autos ausleihen. In dem Fall geht's entweder hinauf zum Dia Center of the Art in Beacon, zum Storm-King-Skulpturenpark oder zum Massachusetts Museum of Contemporary Art. Oder ich besuche Freunde mit Häusern in Upstate NY, in Connecticut oder Vermont.

STANDARD: New York hat sich sehr verändert. Vor 30 Jahren noch waren viele Orte unsicher. Heute heißt es, entwickelt sich sogar Harlem zum Bobo-Viertel. Wie hat New York sich verändert?

Sagmeister: Es ist gealtert, ist etablierter geworden, so wie ich. Darum ist's mir auch nie langweilig.

STANDARD: Ist Manhattan für einen Otto Normalverbraucher in Sachen Mieten überhaupt noch irgendwie leistbar?

Sagmeister: Nein, leider nicht, abgesehen von ein paar Glücksfällen.

STANDARD: Auch andere Viertel sind in Sachen Immobilien immer mehr ein Elitenterrain.

Sagmeister: Ja, das ist ein großer Nachteil. Die Stadt verliert ihre Dichte, weil immer mehr Leute an den Stadtrand gedrängt werden. Dafür ist jetzt in Queens auch etwas los.

STANDARD: Was darf ein New-York-Besucher keinesfalls versäumen?

Sagmeister: Die Galerien in Chelsea.

STANDARD: Sie stammen aus Bregenz. Was kann Bregenz, was New York nicht kann?

Sagmeister: Vor 7.000 am Ufer sitzenden Leuten Opern aufführen, drei, vier ausgezeichnete Skigebiete in unmittelbarer Nähe anbieten, wunderbar qualifizierte Handwerker aller Art und picobello Bademöglichkeiten sowohl im Sommer als auch im Winter.

STANDARD: Haben Sie manchmal Heimweh nach Vorarlberg?

Sagmeister: Ich bin jemand, der nicht viel vermisst, aber meine Brüder und Schwestern gehen mir schon manchmal ab. Ich besuche sie circa sechsmal im Jahr, und sie kommen auch gerne zu mir nach New York.

STANDARD: Sie haben vor kurzem das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich erhalten. Welche Verdienste würden Sie denn aufzählen?

Sagmeister: Den Verdienst, meine Verdienste nicht in der Öffentlichkeit aufzuzählen.

STANDARD: Wo werden Sie die Urkunde in New York aufhängen?

Sagmeister: Ich hab da eine schöne Schachtel ... (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 25.10.2013)