Gänserndorf - "Peter ist noch Abdeckplanen holen gefahren. Es kommt Frost", ist aus der Küche zu hören. Die Küche, das ist ein Verschlag an einem Ende eines Gewächshauses, das von den Feldern und Beeten des Gärtnerbetriebs Ochsenherz umgeben ist. Dort wird für freiwillige Feldarbeiter gekocht, die an diesem kühlen Oktobermorgen zwischen Paprikastauden und Bohnenranken werken. Später wird es ein gemeinsames Mittagessen geben.
Statt Peter Laßnig kommt Stefan Beschorner. Beide haben hier, auf einem Stück Erde nahe Gänserndorf in Niederösterreich im Jahr 2002 begonnen, nach biologisch-dyamischen Grundsätzen Gemüse anzubauen. Ohne Düngerzukauf wollten sie arbeiten. Gewinnmaximierung war keines ihres Ziele. Verkauft wurden die Produkte am Wiener Naschmarkt und am Karmelitermarkt.
"Ein sehr spezieller Boden"
2013 bauen die Gärtner nach wie vor Gemüse an. Der heurige Sommer brachte eine lange Hitzewelle. Ohnehin sei man hier, wo die Urdonau viel Schotter unter einer dünnen Humusschicht hinterlassen hat, auf intensive Bewässerung angewiesen, erklärt Beschorner. "Ein sehr spezieller Boden", der sich sehr positiv auf den Geschmack auswirke. Der späte Frühling sei dagegen "herausfordernd" gewesen. Der Mangel an Licht hinterlasse Spuren. Auch im Winter, der den Frost vorausschickt, ruht das Ochsenherz nicht. Zuckerwurzel, Kohlsprossen und anderes Wintergemüse trotzen der Kälte. "Wenn man will, kann man sich problemlos und vielfältig ernähren."
Die Mengenerträge sind eben unterschiedlich, wenn man nur das nimmt, "was der Boden hergibt". Die Vielfalt bringe komplizierte Arbeitsabläufe, alte Sorten oft weniger Ertrag. Bis 2009 stand am Ende jeden Jahres, in Geld betrachtet, ein Minus. Obwohl die Gärtner ihre ganze Ernte losgebracht hatten. Also was tun? Spezialisierung? Doch Düngerzukauf? Sollten sie ihre Werte tatsächlich verwässern? Nein.
Partnerschaft zwischen Produzenten und Konsumenten
"Community Supported Agriculture" (CSA) hieß die Antwort, eine Partnerschaft zwischen Produzenten und Konsumenten, die die Lebensmittelerzeugung nicht nur als Geschäft sehen wollte. Die Konsumenten finanzieren den Anbau über einen aus Budget und Konsumentenanzahl errechneten Jahresbeitrag und werden dafür jede Woche mit Gemüse versorgt. Sie bekommen das, was der Boden hergibt, tragen das Risiko von Ernteausfällen mit. 2010 wurde umgestellt, viele Stammkunden wurden zu "Ernteanteilsnehmern".
Sie erhalten das Gemüse bei Abholstellen oder in Form fertig gepackter Kisten samt Kochrezepten. An jedem ersten Samstag im Monat sind Anteilsnehmer eingeladen, auf den Hof zu kommen und mitzuhelfen. Eine solche Art des Gemüseanbaus lasse auch Zeit und Raum für Experimente.
Mittlerweile ist auch Peter Laßnig mit den Abdeckplanen da. Die Paprikasaison könne man durch das Zudecken um einen Monat verlängern, sagt er. Als Botaniker kümmert er sich um Kreuzungen und selektiert Pflanzen, die vermehrt werden. "Es gibt viel, was gut gedeiht, aber nicht angebaut wird", sagt er. "Man muss alles ausprobieren." Das Experimentieren setzt sich beim Kochen fort. Schwarzkohl habe einen ganz anderen Geschmack, wenn man ihn dünn schneidet und ihn kurz mit Olivenöl in die Pfanne gibt.
Resümee nach drei Jahren
Und das Resümee nach drei Jahren partnerschaftlicher Landwirtschaft? Funktioniert es? "Wir sind jetzt sehr zufrieden", sagt Beschorner. Mit über 200 Ernteanteilsnehmer sei man "gut ausgelastet, aber nicht übervoll". Ein Anteil beträgt heuer 1200 Euro pro Jahr. Ein paar Leute, die sich das nicht leisten können, zahlen weniger, andere dafür mehr. Insgesamt muss es sich ausgehen. Das Modell hat zudem Vorbildwirkung: Mittlerweile gibt es weitere CSA-Projekte in Österreich.
Das Wort "Expansion" gibt es für die Gärtner trotzdem nicht. "Wir sind mit der Betriebsgröße zufrieden." Eine Erweiterung könnte sich natürlich ergeben, ist aber nicht intendiert. Die Nachfrage nach Obst, Fleisch, Getreide sei durchaus da. Brot zu backen, wäre kein Problem - wenn man eine entsprechende Fläche dafür hätte.
Und hier liegt derzeit auch die größte Sorge: Der gepachtete Streifen von 700 mal 80 Metern ist teilweise als Bauland gewidmet. Eine Straße soll gebaut werden. Also suchen die Gärtner nach einer Alternative. Was nicht einfach sei, in der von großen landwirtschaftlichen Betrieben geprägten Gegend. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 24.10.2013)