Mit den Vorwürfen, dass sogar Bundeskanzlerin Angela Merkels Handy nicht vor Geheimdienstzugriffen sicher ist, erhält die Debatte um Überwachungsmethoden in Deutschland neue Nahrung. Der Vorfall zeigt eindrucksvoll, wie schnell sich Prioritäten verschieben, sobald nicht mehr die unsichtbare Masse an Bürgern im Staat, sondern deren wichtigste Repräsentantin betroffen ist.
Bisher hat Merkel es nämlich verstanden, die Aufregung und Debatten über die Abhörpraktiken klein zu halten. Zuletzt ließ sie am 18. August über das ZDF ausrichten, dass alle Fragen diesbezüglich geklärt seien. Zumindest für sie.
Denn Merkel kennt das Spiel so gut wie jeder andere mächtige Staatschef. Jeder überwacht jeden. So verwundert es dann zum Beispiel auch nicht mehr, wenn Deutschlands Verteidigungsminister de Maiziere mit einer fast schon erschütternden Selbstverständlichkeit der Öffentlichkeit sagt, dass er fix davon ausgeht, abgehört zu werden.
Manche Staaten beherrschen das Katz und Maus Spiel besser als andere und überwachen ihre Überwacher besser als andere. Solange man also nichts in der Hand hat, bewährt es sich in diesem Spiel, still zu halten, den Rückstand und die eigenen Abhördefizite zu verkleinern. Jetzt scheint für Merkel allerdings der Moment gekommen, in dem sie sich einen machtpolitischen Vorteil gegenüber den USA ausspielen könnte, etwa in punkto Freihandelsgespräche. Ob dieser Vorteil aber zu Gunsten aller überwachten deutschen Staatsbürger genützt wird, darf bezweifelt werden.
Denn Selbstregulierung wäre zwar theoretisch wünschenswert, doch niemand will freiwillig auf Kontrollmöglichkeiten verzichten. Solange es kein System von Checks und Balances gibt, das die Arbeit von Geheimdiensten transparent regelt und einschränkt, bleibt das Prinzip von Tarnen und Täuschen sowohl auf dem nationalen wie dem internationalen Parkett weiterhin in Kraft. Die Scheinheiligkeit mit der Bundeskanzlerin Merkel bisher auf die Abhörskandale reagiert hat, ist das beste Beispiel dafür. (Teresa Eder, derStandard.at, 24.10.2013)