STANDARD: Ist das unser letztes Einzelinterview mit einem ORF-Chef? ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf forderte im STANDARD-Interview einen Zweiervorstand für den ORF, und er scheint in seiner Partei nicht allein mit dem Wunsch nach einer Proporzführung für den ORF.

Wrabetz: In vielen Bereichen im Land gibt es etwas zu tun – in einem läuft es ganz gut – warum soll man da Großes ändern? Der ORF ist derzeit das erfolgreichste öffentlich-rechtliche Unternehmen in  Europa und im Programm wie finanziell gut aufgestellt. Da gab es schon andere Zeiten. Daher gehe ich davon aus, dass man an den Grundparametern der Unternehmensaufstellung nichts ändern wird.  Und die heutige Geschäftsführung ist bis 2016 gewählt.

STANDARD: Vom ORF hört und liest man aber seit Monaten vor allem von nötigen Einschnitten, Kürzungen, Sparmaßnahmen –weil die Gebührenabgeltung des Bundes vorerst entfällt, und wegen kostspieliger Großereignisse – Fußball-WM, Olympische Winterspiele. Das Bild wirkt nicht so rund.

Wrabetz: Natürlich haben wir Fragestellungen zu lösen. Wir haben darauf hingewiesen: Wenn die Refundierung wegfällt, können wir viele Dinge nicht mehr im gleichen Ausmaß machen. Wenn die öffentliche Hand dem ORF weniger Geld geben will, dann merkt man das auch bei den Leistungen. Jetzt geht es um ein austariertes Gesamtpaket mit Einsparungen in allen Bereichen, um den Auftrag bestmöglich aufrecht zuhalten, bestmöglich auch die Quoten zu halten und damit die Werbefinanzierung. Aber es ist klar, dass es ohne Abstriche nicht geht. Und während die Metaller streiken, lösen wir unsere Probleme im Unternehnmen –mit einem 15-Milllionen-Sparpaket mit der Personalvertretung.

10.000 Euro Sparbeitrag

STANDARD: Die Mitarbeiter bekommen ihre Gehaltsvorrückungen 15 Monate später als vorgesehen – worauf verzichtet der Geschäftsführer?

Wrabetz: Auf den - zuletzt bereits reduzierten - Bonus. Damit verzichte ich auf 10.000 Euro -  sicher der größte Betrag hier und das ist auch richtig so.

STANDARD: Das klingt, als hätten Sie die Hoffnung schon aufgegeben, dass Ihnen die Republik weiter Gebührenbefreiungen abgilt.

Wrabetz: Wegen Sonderereignissen und Kostensteigerungen muss jedenfalls gespart werden. Wir kämpfen und argumentieren weiter für die Refundierung , die uns zusteht. Aber das Unternehmen muss auch weiterlaufen, wenn es dabei bleibt, was die Regierung bisher gesagt hat – also ohne Refundierung.

STANDARD: Sparen Sie für ein öffentlich-rechtliches Unternehmen am richtigen Platz? Am Beispiel Sport zeigt sich: Der ORF spart an weniger massenattraktiven Sportarten und braucht gleichzeitig sehr viel Geld für Olympische Winterspiele, für Fußball-WM und will noch um die Champions League mitbieten.

Wrabetz: Wir geben keine Bereiche auf, die wir mit den Refundierungsmitteln geschaffen haben. Es wird beide Spartenkanäle – ORF 3 und ORF Sport Plus - weiter geben.

STANDARD: Bei 70 Prozent weniger Budget für Randsportarten.

"Gebührenzahler erwarten massenattrative Sportarten"

Wrabetz: Die Gewichtung ist in sich schlüssig. Die massenattraktiven Sportarten sind ein wesentlicher Bestandteil des ORF-Programmerfolgs. Ein großer Teil der Gebührenzahler erwartet sie eindeutig von uns.

STANDARD: Woher wissen Sie das? Haben Gebührenzahler angerufen?

Wrabetz: Erstens: In Quadratzentimetern kann man die Häme der Zeitungen abmessen, wieso wir die Champions League nicht haben. Haben wir sie, kommt die umgekehrte Frage.

STANDARD: Das lesen Sie im STANDARD?

Wrabetz: Nicht im STANDARD, generell. Man sieht es zweitens an den Zuschauerzahlen: Spiele der Nationalmannschaft oder auch anderer Fussball-Bewerbe sehen in der Regel wesentlich mehr Menschen bei uns als bei der Konkurrenz. Und ich rede drittens relativ viel mit unseren Sehern, den Gebührenzahlern. Auch da höre ich diese Erwartungshaltung.

STANDARD: Geht das ORF-Konzept nicht auf die Zeit zurück, als es noch keine Konkurrenz gab? Er muss alles machen, weil er Gebühren bekommt.

Wrabetz: Nein, das will das Publikum. In einer sich fragmentierenden und aufdröselnden Gesellschaft sollen wir das Gemeinsame und Verbindende für die großen Momente des Landes sein. Dazu gehören die Olympischen Spiele, die großen alpinen und nordischen Bewerbe. Wir zeigen da aber eben – etwa mit Curling und Rodeln – auch andere Sportarten .

"Wir machen schon lange nicht mehr alles"

STANDARD: Die Privaten werfen Ihnen vor, Sie kaufen auch praktisch alle internationalen Rechte für die massenattraktivsten Serien und Filme weg – das sind doch mehr als große nationale Momente. Der ORF will alles machen.

Wrabetz: Nein! Wir machen schon lange nicht mehr alles. Wir haben die Champions League gerade nicht, manche Spiele der Nationalmannschaft, wir haben auch bei Filmen und Serien schon lange nicht mehr alles. Einige der großen Verträge sind schon geteilt, manches haben wir gar nicht. Wir schlagen uns in der neuen Zeit bestmöglich und geben nicht vorzeitig Dinge auf. Der ORF kann nur als großer, starker, breit aufgestellter Anbieter funktionieren. Wir können uns a la longue eine Bereitschaft für Gebühren nur erwarten  wenn jeder mit dem ORF genügend Berührungspunkte hat, in Information, Kultur, im Sport und auch in der Unterhaltung. Wir brauchen die Reichweite für die Akzeptanz unseres Gebührenmodells, wir brauchen sie letztlich auch, weil ein Drittel der Einnahmen aus Werbung kommt.

ORF gibt Dokusoaps am Mittwochabend auf

STANDARD: In ihrem Strategiepapier sagen Sie nun: Es wird Programmfelder geben, wo der ORF eine klare Führungsposition haben muss, in anderen wiederum nicht. Welche sind Sie bereit aufzugeben?

Wrabetz: Wir setzen Schwerpunkte. Bei den nicht Premium-Sportarten schauen wir, dass wir den gesetzlichen Auftrag erfüllen, aber keinen besonderen Schwerpunkt setzen. Bei Kauffilmen und –serien stellen wir nicht mehr den Anspruch alles und jedes zu haben, wenn wir es uns preislich nicht leisten können. Wir sind bereit, Exklusivitäten aufzugeben: „Mein cooler Onkel Charlie" läuft in Österreich ja gefühlt schon auf allen Kanälen, weil wir nicht mehr die Wiederholungsrechte kaufen. Bei Kauffilmen und -serien wollen wir zwar eine starke Stellung haben, aber nicht die alleinige. Konsequenzen wird es sicher im Bereich Dokusoaps geben.

STANDARD: Die soll doch lieber ATV machen?

Wrabetz: ATV hat sich da eine ganz gute Stellung erarbeitet. Wie das dort gemacht wird, würde sowieso nicht zu uns passen. Aber selbst mit unserem Zugang ist es kein Schwerpunkt.

STANDARD: Im Vorabend hat der ORF das Feld ja schon länger rasch wieder geräumt, nun auch am Mittwochabend ganz?

Wrabetz: Durch die Sparmaßnahmen ist dieses Genre nicht mehr vertreten. Und im gesamten Vorabend hat der ORF täglich an die 50 Prozent Markanteil, damit sind wir zufrieden.

ORF 3 bringt mehr Zufriedenheit als Publikum

STANDARD: Nun hat der ORF– lange gewünscht – einen Info- und Kulturspartenkanal und einen Sportkanal ...

Wrabetz: ... natürlich wollte ich den Kultur- und Infospartenkanal ORF 3 und habe mich dafür eingesetzt, auch dafür, dass das ein gesetzlicher Auftrag wurde. Das war eine der besten Taten der vergangenen Jahre. Er kommt gut an und klärt auch die Diskussion, ob das ORF-Fernsehen ausgewogen programmiert. ORF 3 löst bei mehr Menschen Zufriedenheit mit dem ORF aus, als den Kanal tatsächlich sehen. Auch wer am Sonntag den „Tatort" schaut und nicht Oper, tut das im Gefühl, es gibt auch verlässlich Kultur und Information vom ORF.

STANDARD: Praktisch ein Servus-TV-Phänomen. Aber gehen die Spartenkanäle nicht auf Kosten der Hauptprogramme?

Wrabetz: Nein. Mit den zehn Millionen Euro für ORF 3 im Jahr, inklusive Ausstrahlungskosten, würden wir nicht unsere Fragestellungen in den beiden Vollprogrammen lösen.

STANDARD: Man könnte ORF 3 aber auch als strategischen Fehler sehen. Nun argumentieren Medienpolitiker, der Kanal wäre genau das, was der ORF eigentlich sein soll – und man kann auf die anderen verzichten.

Wrabetz: Wenn man nun ein Publikumssegment im Fernsehen zufriedenstellt, das bisher nur mit Ö1 zufrieden war, ist das doch gut. Es wäre absurd, daraus abzuleiten, wir sollten unsere relativ starke Stellung im jungen Publikumssegment infrage stellen. ARD und ZDF zeigen jetzt mit ihren Plänen für einen Jugendkanal, dass es nicht richtig ist, das Segment aufzugeben.

STANDARD: ARD und ZDF hätten nun vermutlich gern ORF 1. Die Medienbehörde sah dort und in ORF 2 zuwenig ausgewogene Programmsparten, die zweite Instanz findet das nur in der Gesamtbetrachtung mit ORF 3 gesetzeskonform, das Verfahren liegt nun beim Verwaltungsgerichtshof.  Haben Sie Signale, ob der etwa Kultur so breit definiert wie der ORF?

Wrabetz: Nein. Aber wir sollten jetzt durch ORF 3 selbst mit der engeren Definition keine Probleme haben. Ich bleibe dabei: Ich glaube nicht, das Behörden Programmquoten festlegen sollen. Ziel muss sein, möglichst viele Menschen mit Information, Kultur, Unterhaltung und Sport zu erreichen. Darum sollte es gehen, nicht um Einzelprogrammierungen.

Ö3-Beschwerde: "Nicht gelassen, immer aufmerksam - aber zuversichtlich"

STANDARD: Die Privatsender nehmen sich nun das Radio vor und beschweren sich bei der Behörde, dass die ORF-Radios, vor allem Ö3, nicht ausgewogen programmiert sind.

Wrabetz: Es ist fraglich, ob diese Bestimmungen überhaupt auf das Radio in dieser Form anwendbar sind. Aus dem Gesetzeswortlaut und der Genese dieser Bestimmungen ist klar erkennbar, dass hier das Fernsehen gemeint war. Und wenn man sich die Radioflotte ansieht, kann es wohl nicht der Sinn sein, dass man lange Kultursendungen auf Ö1 auf anderen Sendern mit ähnlich langer Verlesung von Sportresultaten austariert. Sport wurde im Radio vor 50 Jahren übertragen, als das Fernsehen noch wenig Verbreitung hatte. Wir werden unsere Sicht sehr gut dokumentieren. Die Informationsleistung von Ö3 gerade, aber nicht nur rund um Wahlen zum Beispiel unterscheidet sich ganz substanziell von der kommerzieller Radios.

STANDARD: Sie sehen dem Verfahren also gelassen entgegen?

Wrabetz: Nicht gelassen - immer aufmerksam. Aber zuversichtlich, dass wir mit unseren Argumenten Recht bekommen.

Schulterschluss: "Müssen das auch einmal tun."

STANDARD: Wenn wir schon bei den Behörden und Beschwerden sind: Gegen einen Passus in den Regeln der Behörde für Werbung auf der ORF-TVthek haben Sie sich beschwert, weil sie die Vermarktung von ORF-Videobeiträgen auf anderen Plattformen, etwa von Zeitungen, erschweren könnte. Um diese angekündigte Kooperation wurde es sehr still.

Wrabetz: Wir warten auf eine Entscheidung des Bundeskommunikationssenats – der Punkt spielt eine Rolle wie man mit den Zeitungen konkret zusammenarbeitet. Auch wenn es da Einschränkungen gibt, werden wir den Verlagen Bewegtbilder anbieten. Aber für die spielt es natürlich eine Rolle, ob sie einen Beitrag aus Bundesland heute oder der ZiB vermarkten können.

STANDARD: Ging es da nicht um gemeinsame Vermarktung?

Wrabetz: Dafür muss man vermarkten können.

STANDARD: Ist das Rechtsgutachten zu dem Projekt inzwischen fertig?

Wrabetz: Noch nicht ganz – aber in der Finalisierung.

STANDARD: Worum geht es da?

Wrabetz: Was darf man, welche kartellrechtlichen und vermarktungstechnischen Bedingungen gibt es da. Ich hoffe, dass wir das heuer abschließen können. Wir können nicht ständig vom österreichischen Schulterschluss gegen die Googles dieser Welt sprechen, wir müssen das auch einmal tun. Das ist wichtig aus strategischen Gründen.

STANDARD: Wo wollen Sie denn noch die Schultern schließen?

Wrabetz: Gemeinsam mit anderen Playern Anliegen gegenüber der Politik zu vertreten, etwa im Leistungsschutzrecht, in Hinblick auf die Nutzung von Frequenzen bei der Verteidigung der Fernsehplattform gegen andere.

STANDARD: Sie präsentieren dieses Wochenende in Sölden auf dem Gletscher die nächste ORF-App zum Skiweltcup. Die zu Schladming hat laut Medienbehörde gegen das Gesetz verstoßen – diesmal alles wasserdicht aus Ihrer Sicht?

Wrabetz: Wir haben versucht, alle Bedenken einfließen zu lassen, die gegen die erste App vorgebracht wurden. Und gegen unsere zweite App zur Nationalratswahl gab es bisher keine Beschwerden.

STANDARD: Sollte man den Bereich vielleicht langsam im Gesetz neu regeln?

Wrabetz: Nein. Wir wollen in dieser Geschäftsführungsperiode in Smart TV und Smart Media Applikationen einsteigen. Das haben wir jetzt geschafft mit der Schladming-App und 200.000 Downloads, mit der Nationalratswahl-App und 150.000 Downloads. Die erste trimedial bespielte Plattform. Und auf den Erfahrungen aufbauend die Skiweltcup-App, die alleine mobil oder als Second Screen zum Fernsehen funktioniert. Langfristig muss man das aber vermutlich auf der europäischen Ebene neu denken.

STANDARD: Das ORF-Gesetz und die Regelungen dort für Online und Co basieren im wesentlichen auf dem EU-Wettbewerbsverfahren, das nach vielen anderen europäischen Ländern auch Österreich ereilte. Was stört Sie?

Wrabetz: Vorabprüfungen für neue Angebote  bedeuten zwar Entwicklungsmöglichkeiten für öffentlich-rechtliche und nicht Versteinerung auf dem Status des Jahres 2000. BBC, ARD, ZDF und wir kommen inhaltlich mit den Verfahren gut zurecht. Aber man sieht, dass das alles relativ lang dauert. Wenn man für eine Anpassung der TVthek 18 Monate braucht, kann es manche relevante Entwicklung gar nicht mehr geben, wenn sie genehmigt werden. Vielleicht kann man die Prozesse auf europäischer Ebene, etwa mit dem Weißbuch Konvergenz, auf die großen Themen beschränken und muss nicht jede Zusatzentwicklung einzeln genehmigen lassen.

STANDARD: Vom Antrag des ORF bis zur Entscheidung der Medienbehörde dauerte es doch kein Jahr.  Mussten Sie Ihre Apps genehmigen lassen?

Wrabetz: Nein, aber die Erweiterung der TVthek. Wir haben mit KommAustria und Wettbewerbsbehörde bis auf den einen Punkt vernünftige Lösungen gefunden. Aber es kann sein, dass es manchmal zu lange dauert.

STANDARD: Für Smart TV ist wohl auch der Zugang zu Sozialen Medien Bedingung.

Wrabetz: Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof da bei seiner  für uns positiven Grundmeinung bleibt – auch wenn der Bundeskommunikationssenat nun mit einer neuen Sichtweise noch einmal dagegen entschieden hat.

Smart TV und Werbung: "Bekannt, dass ich mir Probleme ganz gut einteile"

STANDARD: Sie haben Smart TV voriges Jahr bei den Medientagen groß angekündigt – wann bekommt man es denn nun zu sehen?

Wrabetz: Die Apps gibt es ja schon. Der zweite große, komplexere Schritt ist das Thema Programmführer, daran arbeiten wir. Im nächsten Jahr soll es erste Dinge geben. Im Prinzip geht es darum: Wie kann ich Programm besser auffindbar machen, weiterempfehlbar, und wie kann ich zu einer personalisierteren Wahrnehmung des ORF kommen. Also etwa bei der TVthek Vorschläge aus Bereichen, von denen wir aufgrund der Nutzungs-Historie wissen, dass sie den einzelnen User interessieren.

STANDARD: Das Amazon-Prinzip.

Wrabetz: Die BBC macht das gerade mit MyBBC – MeinORF könnte in die Richtung gehen. Ende nächsten Jahres sollten wir soweit sein.

STANDARD: Dafür müssen Sie aber wieder ein Vorprüfungsverfahren durchlaufen.

Wrabetz: Sicher.

STANDARD: Sollte man rechtzeitig einreichen.

Wrabetz: Natürlich. Aber man sollte vorher schon genau wissen, was man tun will. Und der Markt entwickelt sich laufend weiter. Die Behörde beurteilt solche neuen Angebote sehr professionell, aber eben auch sehr im Detail. Wenn man seine Überlegungen dazu modifiziert, geht der Prozess von vorne los. Und das in einer Welt, in der wir mit den Apples und Googles konkurrieren, die oft ein bisschen schneller sind.

STANDARD: Das Projekt klingt auch nach personalisierter Werbung.

Wrabetz: Nein, das hat damit nichts zu tun.

STANDARD: Werden Sie Werbung gleich mitbeantragen bei dem Projekt Smart TV/Programmführer - bevor sie dafür ein zweites, langes Verfahren abwarten müssen?

Wrabetz: Ich bin dafür bekannt, dass ich mir die Probleme ganz gut einteile.

"Ein Zweizeiler reicht" für die Gebührenrefundierung

STANDARD: Ein schönes Stichwort, um zur politischen Lage zurückzukehren. Für Apps brauchen Sie keine Änderungen des ORF-Gesetzes – wünschen Sie sich sonst welche?

Wrabetz: Ein Zweizeiler reicht. Die Refundierung lässt sich in zwei Zeilen im Gesetz beschließen.

STANDARD: Mit allem anderen sind Sie zufrieden? Mit den Bestimmungen für Social Media, mit dem den Programmauftrag und den „angemessen" vertretenen Genres, mit einem Publikumsrat  der keine direkt gewählten Mitglieder wie bisher haben darf, die er aber laut Gesetz in den Stiftungsrat schicken muss ....

Wrabetz: Wenn wir in einem Zeitalter leben würden, wo alle ganz viel Zeit und gar keine Probleme hätten, dann könnte man ganz viel in Rechtsästhetik und manche Verbesserungen investieren. Aber wir haben große Herausforderungen, große Veränderungen im Medienumfeld, wir sind gut aufgestellt und machen unseren Job. Konzentrieren wir uns darauf, anstatt über Änderungen nachzudenken, wo die Verbesserung nicht erkennbar ist.

STANDARD: Sie erwarten also keine Verbesserung etwa von einem kleineren Stiftungsrat?

Wrabetz: Ich sage nur: Auch der Stiftungsrat hat in ganz schwierigen Zeiten, was das wirtschaftliche und mediale Umfeld betrifft, von 2008 bis heute, kompetente Diskussionen geführt und die richtigen Beschlüsse gefasst. Das muss man schon einmal deutlich besser schaffen, um die damit verbundenen Nachteile aufzuwiegen.

STANDARD: Welche Nachteile wären das?

Wrabetz: Für den ORF ist es ganz wichtig, dass seine Gremien auf der politischen Ebene außer Streit stehen. Das heißt, sie müssen breit aufgestellt sein. Die FPÖ ist definitiv kein großer Fan von mir, und selbst die kündigt ein Gebührenvolksbegehren an, wenn sie nicht mehr in den ORF-Gremien vertreten ist.  Wenn der ORF breit aufgestellt sein und regional kompetent aufgestellt bleiben soll, müssen auch die Länder vertreten sein. Also frage ich: Verbessert sich das wirklich?

"Zusammensetzung unserer Gremien entscheidet ohnehin die Politik"

STANDARD: Also bloß nichts ändern? Alles bleibt besser?

Wrabetz: Ein Denkmodell ist: Es gibt ein dem Stiftungsrat entsprechendes, breit und pluralistisch zusammengesetztes Gremium für die großen Entscheidungen: Budget, Gebühren, Personal. Und darunter eine Art kleineren Aufsichtsrat für das Tagesgeschäft, quasi ein aufgewerteter Finanzausschuss des Stiftungsrats. Das könnte bestimmte Dinge vereinfachen. Vermutlich braucht es nicht alle 35 Stiftungsräte, um jedes neues Arbeitsbild im Kollektivvertrag zu beraten. Die Zusammensetzung unserer Gremien entscheidet ohnehin die Politik. Aber die echten Fragen – Geld und Gebührenrefundierung – wird man dadurch nicht lösen, dass man weniger Stiftungsräte hat.

STANDARD: Das heißt?

Wrabetz: Ohne Refundierung die Zahl der Stiftungsräte zu reduzieren bringt nichts.

STANDARD: Die beiden Punkte gehen für Menschen in der Politik offenkundig Hand in Hand. Wie haben Ihnen denn die Wahlkonfrontationen gefallen?

Wrabetz: Die Konfrontationen waren ein toller Erfolg, eine große Leistung von Ingrid Thurnher und ihrem Team, gegen diverse Vermutungen vorher ein Publikumsrenner und haben sicher dazu beigetragen, dass die Wahlbeteiligung in Österreich weniger gesunken ist und europaweit auf einem hohen Niveau bleibt, weil die Politik im Mittelpunkt war.

STANDARD: Verstehen Sie den Grant von SPÖ und ÖVP, von dem man liest und hört, dass die Konfrontationen vor allem der Opposition genützt hätten?

Wrabetz: Ich lese nur davon. Aber da muss man bedenken: Wir haben das gleiche gemacht wie seit 20 Jahren. Weil die Politiker auch zu den Diskussionen der Privatsender gegangen sind, hat sich die Zahl der Diskussionen maßgeblich vermehrt – für die Politiker, aber nicht für das Publikum: 60 Prozent aller Wahlsondersendungen liefen im ORF, 40 bei den Privaten. Von den gesehenen Fernsehminuten waren aber 88 Prozent bei uns und zwölf Prozent bei den Privaten. Und bei den Privaten haben ganz überwiegend die Polit-Aficionados zugesehen. Bei denen ist dann der Eindruck entstanden: Das ist so wahnsinnig viel. Bei uns waren es ja nur fünf Diskussionen mehr als beim letzten Mal. Fakten und Wahrnehmung klaffen manchmal auseinander.

"Denkunmöglich, dass sich eine Regierung nicht mehr Debatten stellt"

STANDARD: Eine Partei kam erstmals in den Nationalrat, obwohl, vielleicht sogar weil der ORF sie nicht zu den Konfrontationen eingeladen hat.

Wrabetz: Manche der zu den Konfrontationen geladenen Oppositionsparteien haben gewonnen, manche verloren – die These kann also nicht stimmen, dass die Opposition generell von den Konfrontationen so profitiert hat. Im Zusammenhang mit Neos wiederum hatten wir im Fernsehen und im Radio 450 Berichte. Wir haben mittransportiert, dass sich die politische Landschaft verändert. Wir haben den Anspruch, eine Bühne im elektronischen Bereich zu sein und politische Prozesse zu vermitteln. Aber natürlich nicht, dass wir dem einen schaden oder dem anderen nutzen. Wenn sich Demokratie entwickelt, leisten wir dazu einen Beitrag: Politik hat die Chance, sich darzustellen. Für mein Verständnis von öffentlich-rechtlichem Rundfunk ist denkunmöglich, dass sich eine Regierung nicht mehr Debatten stellt oder nur die Regierung diskutiert. 

STANDARD: Da verweisen Politiker von SPÖ und ÖVP gerne auf Deutschland, wo es nur ein so genanntes Kanzlerduell gab.

Wrabetz: Im deutschen Fernsehen hat auch die Regierungschefin mit dem Oppositionschef diskutiert. Dass nur die Regierung diskutiert, entspricht nicht meinem Konzept des öffentlich-rechtlichen. Rundfunks. Aber klar ist auch: Wir können Politiker nur dann im Fernsehen diskutieren lassen, wenn sie auch kommen – und das liegt in deren Ermessen. Einzelaspekte in der Gestaltung der Konfrontationen kann man sich anschauen – ob nun mit oder ohne Publikum etwa. Aber ich glaube nicht, dass solche Aspekte das Wahlverhalten verändern können.

STANDARD: Der Grant scheint sich stark auf die Fernsehdirektorin Kathrin Zechner zu fokussieren.

Wrabetz: Noch kein Politiker hat etwas Schlechtes über sie gesagt, oder?

Wahlkonfrontationen: "Stehe dazu."

STANDARD: Das heißt, Sie sind schuld?

Wrabetz: Ich hatte ein Konzept, das nicht mehr ganz neu ist: Seit 1994 ist es das Konzept des ORF für Wahlauseinandersetzungen. Ich finde es richtig, und dazu stehe ich auch. Die Diskussion wird sich wieder beruhigen. Und ansonsten machen alle in der Geschäftsführung ihren Job bestmöglich unter schwierigen Bedingungen.

STANDARD: Zwei Direktionen lagen nach meinen Informationen bis zuletzt noch unter den Sparvorgaben – das Fernsehen, aber vor allem das Radio. Das hat zur Anfrage eines bürgerlichen Stiftungsrats geführt, dem Sinne nach: Nimmt der Radiodirektor Karl Amon die Sparvorgaben nicht ernst?

Wrabetz: Karl Amon ist ein großer Optimist. Überall sind die Budgets extrem knapp, keine Frage. Und keine Frage ist, dass da jeder ringt, möglichst viel zu erhalten in Hinblick auf Publikumsakzeptanz und andere Paramenter. Wir werden schauen, wie die Direktoren das jeweils in ihrem Bereich hinbekommen. Und wenn man draufkommt, ein Bereich schafft es nicht oder nur mit übergroßen Schäden, muss man bestimmte Prioritäten umorientieren. Bis Anfang November wird das Budget noch hin- und hergeknetet werden – viele Parametern ändern sich ja noch. Nun sind die Werbeerwartungen für 2014 wieder anders als sie noch vor 14 Tagen schienen.

STANDARD: So knapp vor dem Budgetfinale ändern sich die Werbeprognosen wegen Quoten, die schon sehr lange konstant erodieren?

Der Streit beim Heurigen

Wrabetz: Ich halte nichts davon unsere Budgetgespräche und -prozesse in der Öffentlichkeit nachzuerzählen und zu bewerten.

STANDARD: A propos Öffentlichkeit: In der haben Sie, Finanzdirektor Richard Grasl und Zechner beim Heurigen relativ lautstark gestritten, was auch "profil" wahrgenommen hat. Worum ist es denn da gegangen – und warum in der Öffentlichkeit?

Wrabetz: Ich weiß nicht, was der BBC-Generaldirektor aufführen müsste, damit man darüber berichtet, dass er mit Managern beim Heurigen war und ein paar Worte etwas lauter ausfielen. Das war nicht in der Öffentlichkeit, sondern vor anderen Mitarbeitern. Und wir haben ein bisschen lauter diskutiert...

STANDARD: ... weil der kaufmännische Direktor einmal klarmachen wollte, wie er das alles machen würde.

Wrabetz: Aber unzuständigerweise (lacht). Nein, im Ernst: Wo über Budgets, über Inhalte Diskussionen stattfinden, tun sie das professionell und in einem normalen Ton.  In einer ausgelasseneren Stimmung kann man aber schon einmal zusammenkrachen.

STANDARD: Wie sehen Sie denn den ORF in fünf Jahren positioniert?

Wrabetz: Dass auch in einem komplett veränderten Medienumfeld 50 Prozent der relevanten Kontakte auf Leistungen des ORF entfallen, auf welchen medialen Plattformen auch immer. Dass wir damit auch unser Finanzierungsmodell absichern. Und dass wir in den vier Großgenres, Information, Kultur, Sport und Unterhaltung auch die qualitativen Contentleader sind.

STANDARD: Mit dem heutigen Führungsteam?

Wrabetz: Aus derzeitiger Sicht: Ja.

STANDARD: Sind Sie 2016 noch Generaldirektor des ORF?

Wrabetz: Ja, wieso nicht?

STANDARD: Als Alleingeschäftsführer?

Wrabetz: In Europa überwiegt bei weitem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Modell eines Intendanten – der bei uns halt Generaldirektor heißt und Alleingeschäftsführer ist. In manchen gibt's Kollegialorgane, nirgendwo gibt es Doppelspitzen. Selbst bei Airbus ist man von dem Modell abgekommen.

"Nicht mit dem Flammenschwert des Weisungsrechts"

STANDARD: Aber derzeit können Sie den Direktoren Weisungen erteilen.

Wrabetz: Ich renne ja nicht täglich mit dem Flammenschwert des Weisungsrechts durchs Haus. Ich versuche ohnehin, kollegial zu führen, wofür ich übrigens auch schon kritisiert wurde. 90 Prozent der Entscheidungen treffen wir einvernehmlich. Manchmal gibt es Richtungsentscheidungen wie: Ich will einen Spartenkanal. Davon wird ein Fernsehdirektor, der zwei Stammprogramme zu verantworten hat, nie begeistert hat.

STANDARD: Vor allem, wenn der Generaldirektor ORF 3 in seiner Verantwortung behält.

Wrabetz: Bestimmte Dinge muss man aus dem Kernbereich herausnehmen, damit sie sich entwickeln können. Das war bei Online auch nicht anders. Oder ich gebe vor: Ich will ein ordentliches Orchester, weil ich das als eine Aufgabe des ORF sehe. Und dafür trage ich auch die Verantwortung.

STANDARD: Das heißt: Mit Ihnen kein Zweiervorstand?

Wrabetz: Grundsätzlich halte ich die bestehende Aufstellung für sinnvoll und sie ist auch international üblich. Aber ich schließe das nicht a priori und generell aus. Ein Modell mit zwei Generaldirektoren ist absurd, das wird ja wohl niemand meinen. Andere Veränderungen muss man sich anschauen, was sie bringen und was sie kosten. Ich habe meine Tätigkeit als kaufmännischer Direktor früher immer so verstanden, dass ich mit den Generaldirektoren gemeinsam agiert habe. Und so handhaben wir das jetzt auch. Ich glaube auch, dass Richard Grasl nicht wahnsinnig darunter leidet, dass ich in bestimmten Dingen das letzte Wort habe, die Entscheidung treffen muss.

STANDARD: Einer dieser ORF-Generaldirektoren, mit denen Sie agiert haben, war Ihre Vorgängerin Monika Lindner, die ja gerade als künftige Abgeordnete viele wild macht. Darf sie tatsächlich zu ihrer ORF-Pension dazuverdienen, was sie will, solange sie es nicht beim ORF oder einem anderen Sender tut?

Wrabetz: Das Bezügebegrenzungsgesetz wird vermutlich auch für sie gelten. Aber das entscheidet die Parlamentsdirektion, ob die ORF-Pension auf ihre Bezüge angerechnet wird und ob es deshalb zu Kürzungen kommt.

STANDARD: Haben Sie auch einen solchen Vertrag – falls Sie mit 69 dann auch in die Politik gehen?.

Wrabetz: Das werde ich dann gerne beantworten, gehe aber davon aus, dass das Bezügebegrenzungsgesetz anwendbar ist. (Harald Fidler, DER STANDARD, 25./26./27.10.2013, Langfassung)