Petra Kronberger im Oktober 2013 auf dem Makartplatz in Salzburg.

Foto: Zelsacher

Salzburg - "Ich werde immer noch darauf angesprochen. Und viele Leute glauben gar nicht, dass das schon so lange her ist. 21 Jahre werden es im Dezember." Petra Kronberger eröffnet das Gespräch im Café Classic, das sie als Treffpunkt vorgeschlagen hat - und in dem es sich gut durch die Zeit reisen lässt. Das Café befindet sich im Mozart-Wohnhaus in der Salzburger Innenstadt. Die Pongauerin Kronberger, geboren am 21. Februar 1969, wohnt in der Nähe. Dem Treffen liegt eine der größten Sportkarrieren des Landes zugrunde, die sie im Dezember 1992 im Alter von 23 Jahren abrupt und für die Öffentlichkeit überraschend beendete, um ein neues Leben zu beginnen. Das alte hatte sie nicht mehr ertragen. Den frühen Rücktritt hat sie bis heute nie bereut.

21 Jahre später arbeitet Frau Magister Kronberger, die Kunstgeschichte im Hauptfach und Germanistik im Nebenfach studiert hat, an der Fachhochschule Kufstein als externe Lektorin. Sie begleitet Studierende im Lehrgang Sport, Kultur und Veranstaltungsmanagement bei Praxisprojekten.

Zuvor arbeitete sie im Organisationskomitee der Ski-WM 2013 in Schladming. Sie ist - in Zusammenarbeit und Absprache mit Kolleginnen und Kollegen - zuständig für Kultur und Zeremonien. Sie organisiert etwa die Lesung von Klaus Maria Brandauer, einen ökumenischen Sportgottesdienst, die Vorführungen alter Filme im Stadtkino (Toni Sailer!), eine Sonderausstellung des Skimuseums Mürzzuschlag. Sie kümmert sich um Terminisierung und Ankündigung eines von Einheimischen organisierten Kindermusicals oder plant Führungen durch das alte Silberbergwerk.

Im Hintergrund

Kronberger ist auch die Frau im Hintergrund der Siegerehrungen, plant Dinge wie Position und Anzahl von Absperrgittern, was nicht so einfach ist, weil man ja vorher nicht weiß, wie viele Zuschauer kommen. Sie organisiert die Hostessen und Musik und zeichnet für den Ablauf verantwortlich.

22 Jahre vorher, bei der WM 1991 in Saalbach, stand Petra Kronberger im Vordergrund bei Siegerehrungen. "Da sind Welten dazwischen", sagt sie und meint gar nicht die Welten, die zwischen Hintergrund und Vordergrund liegen, sondern jene, die der Zeitenlauf bedingt, der vieles professionalisierte - nicht nur im Sport.

Saalbach ist ein gutes Stichwort. Dort gewinnt Kronberger die Goldene im Abfahrtslauf. Im Super-G stürzt sie knapp vor dem Ziel schwer, erleidet einen Innenbandriss, wird trotzdem Sechste und darf zur Siegerehrung. Etwas mehr als eineinhalb Jahre später, im November 1992, sagt die damals 23-Jährige dem damals vierjährigen Standard in einem Interview, in dem die Amtsmüdigkeit schon deutlich durchklingt, unter anderem: "Es ist ein arges Gefühl, andauernd von wildfremden Menschen beobachtet zu werden." Und als man nachfragt, wann dieses Gefühl am schlimmsten gewesen sei, antwortet sie: "In Saalbach. Vielleicht war mein Sturz im Super-G ein unbewusster Fluchtversuch." Wie auch immer, er misslingt.

Alle Disziplinen

Kronberger, die Ende 1987 im Weltcup debütiert, holt sich 1990, 1991 und 1992 den Gesamtweltcup, dazu einmal die kleine Kristallkugel im Slalom. Insgesamt gewinnt sie 16 Weltcuprennen und ist die erste Frau, die Siege in allen fünf Disziplinen feiert. Der WM-Goldenen von Saalbach lässt sie 1992 in Albertville Olympiasiege in der Kombination und im Slalom folgen, nebenbei wird sie Vierte im Super-G und Fünfte in der Abfahrt. Dank dieser Taten schafft es Kronberger auf die Titelseite des Time Magazine: "Petra the Great".

Während der Spiele spielt es sich ab um Superstar Kronberger. Ihr damaliger Freund kommt nach Frankreich, um sie zu unterstützen. Ein Fotograf schießt ein Bild von den beiden, es erscheint in einer Boulevardzeitung. "Die Lawine war nicht mehr zu stoppen. Viele Journalisten haben um ein Interview angefragt, der Druck wurde immer größer, doch ich hatte keine Zeit. Okay, sagte ich, dann stellen wir meinen Freund bei einer Pressekonferenz vor."

Was für ein Rummel. "Ich hab ja mitgekriegt, was sich viele gedacht haben: Jetzt gewinnt schon wieder die Petra, wir wissen nicht mehr, was wir über sie schreiben sollen. Im Nachhinein kann ich darüber lachen. Aber damals hat es mich tief im Inneren getroffen. Ich habe Jahre gebraucht, um darüber hinwegzukommen."

Nach den Spielen ist Kronberger total ausgebrannt. Heute würde man sagen, dass sie unter dem Burn-out-Syndrom leidet. Sie finalisiert den Weltcup trotzdem, holt die dritte große Kugel, doch das Feuer kommt auch nach der Sommerpause nicht mehr zurück. "Mir haben auch die Ziele gefehlt. Will ich die Erfolge verdoppeln, verdreifachen?, hab ich mich gefragt. Das wollte ich nicht, ich konnte auch nicht mehr. Dazu ist die Angst vor einer wirklich schweren Verletzung gekommen."

Mitten in der Saison, am 28. Dezember 1992, dankt Kronberger ab. Sie hat reichlich Geld verdient in ihrer kurzen Karriere, sie hätte viel mehr verdienen können, doch der Preis erschien ihr zu hoch. "Bis zur Pension hätte ich es finanziell nicht geschafft", sagt sie auf Anfrage, aber darum ist es nie gegangen. Die Frage lautete: "Wie kratze ich die Kurve in das nächste Leben? Ich bin bejubelt worden, war eine bekannte Person. Im Sport misst du dich immer, hast gleich das Ergebnis, erlebst Adrenalinschübe, das Pendel schlägt in die Höhe und in die Tiefe. Mit einem Schlag war alles vorbei."

Museumsführerin

Vorübergehend arbeitet sie für den ORF im aktuellen Dienst. Doch der Job kommt zu schnell, ist stressig. Kronberger, die in Werfenweng und Pfarrwerfen aufwuchs und an der Skihandelsschule Schladming zur Handelskauffrau ausgebildet wurde, holt die Matura nach, studiert in Salzburg, Berlin und Hamburg. Was sie immer schon interessiert hat, sind die Epochen der Kunst. "Ich hab gespürt, dass Kunst auf mich wirkt", sagt sie. Zunächst hemmt der Gedanke, diesbezüglich so gar keinen Hintergrund zu haben. Weil aber Ausdauer, Disziplin und Konsequenz Eigenschaften der Spitzensportlerin sind, bewirbt sie sich unermüdlich und kommt ins Geschäft. Sie kuratiert Ausstellungen, arbeitet als Museumsführerin, unterrichtet Kunstgeschichte an der Volkshochschule Salzburg und in der Erwachsenenbildung in Saalfelden. Und sie schwärmt im Café Classic beispielsweise von einer von ihr geleiteten Exkursion zu den Palladio-Villen in Italien.

Aus Kronberger ist auch eine Sängerin geworden, Stimmlage Alt. Seit 2005 ist sie Mitglied im Salzburger Domchor, seit 2008 in der KlangsCala, und sie tritt mit den Chören regelmäßig auf. "Mein Drang zu singen war immer schon groß. Ich hab zwar seit der Volksschule nicht mehr gesungen. Doch ich hab mir gedacht, dass ich ja nichts zu verlieren habe." Zudem sitzt sie im Vorstand des Vereins Kada, "Karriere danach", der Spitzensportler auf dem Weg ins Berufsleben unterstützt. Schließlich weiß Petra Kronberger, wie man die Kurve kratzt. (Benno Zelsacher, 25.10.2013)

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