Kaufen Sie Spiele zum Erscheinungstag oder warten Sie meistens die erste Welle an Updates ab?

Foto: Konami

Die Videospielindustrie ist unglaublich schnelllebig. Der technologische Fortschritt in der Hardware- und Softwareentwicklung ermöglicht immer neue kreative Möglichkeiten. Und der potentielle Gewinn für zündende Ideen ist groß: Rund 80 Milliarden US-Dollar werden bereits jährlich mit Videospielen umgesetzt, wobei allerdings nur die Bestgereihten der Charts das große Geld einfahren. Das stellt Hersteller unter Zugzwang, was einerseits zu stetig größer werdenden Blockbuster-Franchises führt und andererseits zu einer Flut von kleineren Produktionen - vor allem im Mobile- und Web-Bereich. Für die Spieler, könnte man meinen, ist dies eine Bereicherung. Noch nie war die Auswahl an Games so reichhaltig wie heute. Der Produktionstrieb hat allerdings eine Kehrseite: Immer öfter erscheinen Werke, die zum Veröffentlichungszeitpunkt nicht fertig sind. Programmierfehler, die Speicherstände löschen, unterdimensionierte Serverkapazitäten, die Online-Gaming unmöglich machen oder schlicht fehlende Spielkomponenten gehören nicht erst seit 2013 zum Freizeitalltag der Spieler.

Crash-Test-Dummies

Es mag widersprüchlich erscheinen, doch gerade die größten Produktionen fallen hier besonders negativ auf. In Blockbuster wie "Diablo", "Sim City", "Gran Turismo", "Assassin's Creed" oder "Grand Theft Auto" werden zwei- bis dreistellige Millionenbeträge investiert, hunderte Menschen arbeiten daran und doch wird einem kaum eine Veröffentlichung einfallen, bei der es zumindest anfangs nicht beachtliche Probleme gab. Der Begriff "Day-One-Patch" ist Teil des Alltagsvokabulars der Pressesprecher geworden. Vorsichtig wird im Vorfeld darauf hingewiesen, dass Online-Multiplayer-Dienste in den ersten Tagen möglicherweise nicht ganz reibungslos funktionieren könnten. Andere Hersteller wiederum entschuldigen sich bei ihren Spieler im Nachhinein mit Entschädigungspaketen. Im Fall des Mehrspielermodus' von "Grand Theft Auto 5" war sogar beides der Fall. Alle Fehler sind fast ein Monat nach dem Start noch immer nicht ausgemerzt worden. Und wenngleich dieses präventive Schuldeingeständnis positiv in der Kommunikation mit Kunden zu vermerken ist, bedeutet das minus aller "Incentives", dass Konsumenten leider schon in der Regel 50 bis 70 Euro für Games hinblättern, die fehlerhaft oder schlicht nicht fertig entwickelt wurden.

Umdenkprozess erfordert

Man braucht keine Analogien zu anderen Branchen aufzuführen, um klarzustellen, dass es höchste Zeit ist, etwas an der Art und Weise zu ändern, wie Spiele heute herausgebracht werden. Selbst die jüngsten Konsolen Wii U, PS4 und Xbox One benötigen zum Marktstart bereits einen Day-One-Patch. John Riccitiello, der ehemalige Chef des Industriegiganten Electronic Arts, pochte vergangene Woche auf die Zuwendung zum Service-gerichteten Modell des Mobile-Marktes. "Mehr als alles andere sollte die Spielindustrie von der Mobile-Branche lernen, dass es um Dienste geht. Es ist ein fortlaufendes Geschäft. Man könnte meinen, dass wir das bereits vor einiger Zeit begriffen haben. Aber ich finde es interessant, dass 'World of WarCraft', 'Sim City', 'Grand Theft Auto', 'StarCraft' und viele andere Games beim Marktstart ins Stolpern geraten sind, als sie ihre Service-Komponenten zusammenführten", sagt der Ex-EA-Boss. "Ich würde sogar behaupten praktisch alle großen Marken stolperten mangels Tests und Forschung, die Mobile-Entwickler während eines gewöhnlichen Arbeitsalltags betreiben."

Der einstige Schirmherr über Marken wie "FIFA" oder "Battlefield" fordert nachträglich, um seine Verantwortlichkeiten befreit, mehr Tests und mehr Forschung. Weshalb erst jetzt? Hätte das nicht eigentlich schon längst eine Selbstverständlichkeit sein sollen?

Kunden als Beta-Tester

Zu Riccitiellos Verteidigung ist anzuführen, dass bei EA unter seiner Aufsicht sehr wohl zahlreiche und oftmals öffentliche Tests von Online-Games durchgeführt wurden. "Battlefield" beispielsweise wird jedes Mal vor dem Erscheinen einer neuen Version Stresstests unterzogen. Das Absurde an diesen Beta-Tests ist jedoch wiederum, wie die Konzerne es gelernt haben, diese zu vermarkten. Beta-Tests werden seit geraumer Zeit schon als Anreiz für Vorbesteller von Spielen genutzt oder als Dienst am Kunden verkauft.

Activision etwa verkündete erst im September, dass Vorbesteller des Shooter-Spektakels "Destiny" Teil eines exklusiven Beta-Tests - vor allen anderen Spielern - sein können. Natürlich bedeutet dies, dass man sich zum Kreis jener Menschen zählen darf, die das Spiel als erstes erleben können. Doch machen Sie sich nichts vor: Hier wird eine für die Entwicklung essentielle Qualitätsprüfung als Zuckerl verpackt. Dabei sollten doch eigentlich die Hersteller den Spielern etwas für die Mithilfe geben? Wie wäre es mit einem günstigeren Preis oder einem kostenlosen Erweiterungspaket für besonders Fleißige? Von einer Service getriebenen Industrie ist die Videospielbranche jedenfalls noch weit entfernt und es liegt an den Kunden, wie lange sie sich das noch bieten lassen. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 26.10.2013)