Heidelberg - Metalle der Seltenen Erden gehören zu den wertvollsten Rohstoffen überhaupt. Sie sind unverzichtbar für zahlreiche alltägliche Technologien, etwa Mobiltelefone, Bildschirme und Computer. Unverzichtbar sind sie aber offenbar auch für manche Organismen: In einer heißen Quelle hat ein internationales Forscher-Team unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für medizinische Forschung in Heidelberg ein Bakterium entdeckt, das Seltene Erden zum Wachsen braucht: Methylacidiphilum fumariolicum benötigt Lanthanum, Cerium, Praseodymium oder Neodymium als Co-Faktoren für das Enzym Methanol-Dehydrogenase, mit dem es seine Energie gewinnt. Möglicherweise ist der Gebrauch von Seltenen Erden unter Bakterien weiter verbreitet als gedacht, schreiben die Forscher in der Fachzeitschrift "Environmental Microbiology".

An sich sind die 17 zur Gruppe der Seltenen Erden gehörenden Metalle gar nicht wirklich selten. In der Erdkruste lagern größere Mengen als beispielsweise von Gold oder Platin. Allerdings sind die Elemente verhältnismäßig gleichmäßig verteilt, so dass der Abbau nur an wenigen Stellen wirtschaftlich ist. Rar sind die Metalle der Seltenen Erden dagegen in der belebten Natur. Da sie sich in Wasser nur sehr schwer lösen, sind sie für den Stoffwechsel der meisten Organismen nicht brauchbar. Umso überraschender ist die Entdeckung der Forscher in einer Schlammpfütze vulkanischen Ursprungs im italienischen Solfatara.

Seltene Erden statt Kalzium

Hier fanden Mikrobiologen der Radboud-Universität im niederländischen Nijmegen eine Mikrobe, die ohne einige der Metalle der Seltenen Erden nicht lebensfähig ist. Methylacidiphilum fumariolicum gehört zu einer Gruppe von Bakterien, die in einem äußerst unwirtlichen Lebensraum gedeihen: Sie fühlen sich bei einem pH-Wert zwischen 2 und 5 und Temperaturen zwischen 50 und 60 Grad am Wohlsten– Bedingungen also, die für die meisten anderen Organismen tödlich sind. Methylacidiphilum toleriert sogar pH-Werte unter 1, was konzentrierter Schwefelsäure entspricht.

Ihre Energie gewinnen die Bakterien aus Methan. Sie besitzen dafür ein spezielles Enzym, die Methanol-Dehydrogenase, das das beim Abbau des Methans entstehende Methanol mit Hilfe metallischer Co-Faktoren weiter verarbeitet. Dazu wird großteils Kalzium verwendet. Bei ihren Untersuchungen fiel den Forschern auf, dass Methylacidiphilum im Labor nur mit dem Wasser aus dem Schlammtümpel gedieh. Keines der Spurenelemente, das die Forscher den Kulturschalen zufügten, regte die Mikroben zum Wachstum an. Eine Analyse ergab, dass das Wasser hundert bis tausend Mal mehr Metalle der Seltenen Erden enthielt als normal.

Thomas Barends und Andreas Dietl vom Max-Planck-Institut für medizinische Forschung untersuchten daraufhin die dreidimensionale Struktur der Methanol-Dehydrogenase und stellten fest: Methylacidiphilum fumariolicum setzt in seiner Methanol-Dehydrogenase nicht Kalzium, sondern ein Atom eines anderen Metalls ein."Dann passte auf einmal alles zusammen", berichtet Barends. "Wir konnten zeigen, dass es sich bei diesem geheimnisvollen Atom um ein Seltenes Erdmetall handeln muss. Dies ist das erste Mal überhaupt, dass eine solche biologische Funktion für Seltene Erde gefunden wurde."

Möglicherweise weit verbreitet

Methylacidiphilum benutzt an Stelle von Kalzium die Metalle der Seltenen Erden Lanthanum, Cerium, Praseodymium und Neodymium in seiner Methanol-Dehydrogenase. Das Bakterium braucht sie, um aus Methan Energie zu gewinnen. Die Metalle der Seltenen Erden besitzen einen etwas größeren Ionenradius als Kalzium, können dieses aber trotzdem als Co-Faktor von Enzymen ersetzen. "In der Aminosäurekette der Methanol-Dehydrogenase des Bakteriums sind einzelne Aminosäuren ausgetauscht worden. Dadurch entsteht mehr Platz für die Metalle", sagt Barends. Methylacidiphilum nimmt zudem mehr Metalle der Seltenen Erden auf als es zum Überleben braucht. Es könnte also sein, dass es die Metalle in der Zelle speichert.

Genom- und Proteom-Analysen lassen vermuten, dass diese Vorgehensweise vor allem unter Bakterien aus Küstengewässern weit verbreitet ist. Aber auch auf der Blattoberfläche von Pflanzen haben Wissenschafter mit Metallen der Seltenen Erden ausgestattete Bakterien entdeckt. Pflanzen können die Metalle anreichern und so die Versorgung für die Bakterien sicherstellen. "Möglicherweise kommen solche Bakterien aber auch überall dort vor, wo es genügend Nachschub an Sand gibt. Denn Sand ist eine nahezu unerschöpfliche Quelle für Seltene Erden", so Barends. (red, derStandard.at, 28.10.2013)