Bild nicht mehr verfügbar.

Bilanzen werden durchleuchtet, Risiken bewertet und die Banken der Eurozone durch einen strengen Stresstest gejagt.

Foto: AP/Burgi

Der einheitliche europäische Aufsichtsmechanismus tritt in die Umsetzungsphase. Vergangene Woche gab die Europäische Zentralbank erste Einzelheiten für die umfassende Bewertung der Kreditinstitute bekannt, die sie voraussichtlich beaufsichtigen wird. Mit dieser Eingangsuntersuchung - auch "Bilanz-TÜV" genannt - soll erreicht werden, dass die EZB nur die Aufsicht über Institute übernimmt, bei denen etwaige Kapitallücken zuvor geschlossen wurden. Wie diese Schließung erfolgen soll und ob hierzu - wenn eine Rekapitalisierung über den Markt nicht möglich ist - Mitgliedstaaten auf Mittel des ESM zugreifen können, ist noch Gegenstand der politischen Diskussion. Eine Entscheidung des Rates hierzu wird im November 2013 erwartet.

Durchgeführt werden soll die Eingangsuntersuchung in einem komplexen Zusammenspiel zwischen der EZB als zentrale Stelle und den nationalen Aufsichtsbehörden, die sich auch externer Experten bedienen sollen.

Die Brisanz der Untersuchung zeigt der britische Economist in seiner jüngsten Ausgabe auf. Er hält unter Berufung auf den IMF fest, dass in Portugal, Spanien und Italien 50, 40 bzw. 30 Prozent der Unternehmensschuldner ihre Zinslast nicht durch den Vorsteuergewinn erwirtschaften.

Umfassende Risikobewertung

Die umfassende Untersuchung umfasst drei Elemente. Erstens erfolgt eine aufsichtliche Risikobewertung. Diese beinhaltet eine quantitative und qualitative Analyse im Hinblick auf die Hauptrisiken einschließlich Liquidität, Verschuldungsgrad und Refinanzierung. Ziel dieser Analyse ist die Erstellung eines Risikoprofils der Institute, ihre Einordnung im Vergleich zu anderen Banken sowie die Identifizierung von Schwachstellen in Bezug auf exogene Faktoren. Hierzu planen die EZB und die nationalen Aufsichtsbehörden, ein gemeinsames Risikobewertungssystem zu entwickeln, das auch im einheitlichen Aufsichtsmechanismus als Aufsichtsinstrument genutzt werden soll. Es versteht sich von selbst, dass die Methodologie dieses Risikobewertungssystems von zentraler Bedeutung für die Ergebnisse ist.

Das zweite Element ist eine Bewertung der Aktiva der Institute auf Basis der Bilanz per 31. Dezember 2013 (Asset Quality Review - AQR). Eine der vielen offenen Fragen wird die Behandlung von Staatsanleihen sein. Auch bestehen Befürchtungen, dass sich bei bestimmten Finanzierungsarten, etwa Schiffsfinanzierungen, Wertberichtigungsbedarf ergeben kann. Man darf gespannt sein, wie sich die Vorwirkung des AQR bereits in den Jahresabschlüssen 2013 niederschlagen wird.

Auch die Ausgestaltung der Methodik des AQR wird erheblichen Einfluss auf dessen Ergebnis haben. Darin liegt ihre politische Brisanz und erklärt, warum die Erwartungen von zwölf Monaten Dramatik bis zur Einschätzung der EZB reichen, dass man keine großen Überraschungen erwartet.

Die einheitliche Methodik bietet die Chance der künftigen Vergleichbarkeit von Daten. So wird dem AQR eine einheitliche Definition ausfallgefährdeter bzw. ausgefallener Engagements zugrunde liegen, die an einen entsprechenden Vorschlag der EBA anknüpft. Vor allem die risikoreichen und intransparenten Teile der Bankbilanz sollen beim AQR durchleuchtet werden, wobei ein bestimmter Mindestanteil der Aktiva einer Prüfung unterzogen werden muss. Eine umfassende Prüfung der internen Modelle zur Berechnung der risikogewichteten Vermögenswerte bleibt indessen aus.

Der AQR ist in drei Phasen unterteilt: Portfolioauswahl, Durchführung sowie Auswertung und Vergleich der Ergebnisse. Den Vorschlag für die Portfolioauswahl werden die nationalen Aufsichtsbehörden der EZB unterbreiten, die diesen Vorschlag u. a. mit Informationen aus dem Risikobewertungssystem abgleichen und Anpassungen verlangen wird.

Der dritte Teil der Eingangsuntersuchung ist ein Stresstest, der von der EZB zusammen mit der EBA durchgeführt werden wird. Die Methodologie und die zugrunde liegenden Szenarien dieses Tests sind noch festzulegen; weil sich diese auf das Ergebnis auswirken, liegt in diesen Details viel Brisanz. Während ein Institut den AQR bestanden hat, wenn sein hartes Kernkapital auf Basis der ab 1. Jänner 2014 geltenden Eigenkapitaldefinition acht Prozent beträgt, wird für den Stresstest letztlich wohl die am Ende des Übergangszeitraums geltende strengere Eigenkapitaldefinition zählen.

Problematische Kapitallücken

Erfasst werden von der Eingangsuntersuchung, die auf konsolidierter Basis durchgeführt werden soll, 128 Banken und Bankengruppen. Ihr Ziel ist es, sicherzustellen, dass die EZB nur "aufgeräumte Institute" in die Aufsicht nimmt und die Altlasten behoben werden, bevor nach der Einführung der einheitlichen Aufsicht auch der direkte Zugriff auf Mittel des ESM zur Refinanzierung gestrauchelter Banken eröffnet werden soll. Damit unterliegt die Auffüllung aufgedeckter Kapitallücken allerdings noch dem Teufelskreis aus nationaler Bankenrettung und Verschärfung der Staatsschuldenkrise.

Eine nachhaltige Verbesserung des Vertrauens in die Stabilität der Banken in der Eurozone ist indessen nur zu erwarten, wenn die Untersuchung als hinreichend streng wahrgenommen wird und Bankenpleiten kurz danach ausbleiben. Eine allzu strenge Untersuchung könnte allerdings ihrerseits erhebliche, sogar überdimensionierte Kapitallücken feststellen und so wiederum Verwerfungen auslösen. Der Teufel liegt daher im Detail der Festlegung der Parameter der Bewertung. Darauf darf man gespannt sein. (Klaus Lackhoff, Friedrich Jergitsch, DER STANDARD, 30.10.2013)