Wien - Um künftig wirklich neu zu regieren, wie SPÖ und ÖVP es versprochen haben, tue sich bei der Asylpolitik ein weites Feld auf, meint Ernst Löschner, Mitgründer der NGO-Initiative "Gegen Unmenschlichkeit". Die Vorschläge lägen auf dem Tisch.

"Wir haben eine Regierungserklärung zum Thema Flucht und Asyl entworfen, ein Expertenkomitee unter der Leitung von Menschenrechtsexperten Manfred Nowak steht bereit. Und wir haben Vorgespräche für eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung des Asylwesens geführt. Das strenge derzeitige System nämlich kommt uns teuer", sagte der ehemalige Bankdirektor von BNP Paribas Österreich bei der Vorstellung der 200-Seiten-Dokumentation des zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses für einen humaneren Umgang mit Flüchtlingen am Dienstag in Wien.

Besagte Initiative hat seit Juni 31.361 Unterschriften gesammelt. Bei den Angesprochenen jedoch, den Koalitionsverhandlern, ist die Message noch nicht angekommen. Zwar will Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) nach einem Besuch Löschners und anderer Initiativenmitglieder diesen "eine Chance geben, mit allen Parteien zu reden" - wie aus ihrem Büro zu erfahren war. Aber beim SPÖ-Verhandler des Koalitionskapitels "Sicherheit und Rechtsstaat", Gerald Klug, hörte man auf Standard-Anfrage "von derlei Asyl-Forderungen zum ersten Mal". Von ÖVP-Seite (Innenministerin Johanna Mikl-Leitner) wiederum kam überhaupt kein Kommentar.

Öffnung des Arbeitsmarkts

Teuer, so hatte davor der Sänger und Ehrenpräsident des Wiener Integrationshauses, Willi Resetarits, gesagt, komme derzeit zum Beispiel der De-facto-Ausschluss von Asylwerbern vom Arbeitsmarkt. Nach den weiterhin oft langen Asylverfahren, in denen die Betroffenen Grundversorgung beziehen, seien diese aufgrund der erzwungenen Untätigkeit vielfach "psychisch krank". Sie seien arbeitsunfähig, was die öffentliche Hand zusätzlich koste.

Daher ist der "effektive Zugang für Asylsuchende zum Arbeitsmarkt nach längstens sechs Monaten" im NGO-Regierungserklärungsentwurf einer von fünf empfohlenen Maßnahmen. Weiters ein "humanitär orientiertes Bleiberecht", die "Berücksichtigung humanitärer Umstände in allen Verfahren" und eine "an den menschlichen Bedürfnissen orientierte Grundversorgung".

Sowie ein "Bekenntnis der Bundesregierung zu solidarischer Flüchtlingsaufnahme in der EU": Auf EU-Ebene nämlich gehörten Österreichs Vertreter bei Asylfragen "zusammen mit Deutschland derzeit zu den Scharfmachern", konkretisierte Uni-Wien-Experte Nowak. Beide Staaten widersetzten sich vehement neuen Regeln für die Aufteilung von Asylwerbern in der EU: Eine Haltung, die Alternativen zum derzeitigen Dublin-II-System, das die Verantwortung für Asylverfahren den Ersteintrittsländern aufoktroyiert, in weite Ferne rücke.

Hier sei von der neuen Regierung Umdenken gefragt. Weg von einer Haltung, die Flüchtlinge als Last darstelle, hin zu einer "Einstellung, die den christlich-sozialen und sozialdemokratischen Werten von ÖVP und SPÖ besser entspricht", sagte der ORF-Journalist und "Gegen Unmenschlichkeit"-Mitinitiator Michael Kerbler. Sein Vorschlag für mehr Fairness gegenüber Flüchtlingen: "Ein paar 1000 Mikrofone zusätzlich, um alle Einvernahmen in Asylverfahren zu dokumentieren." Das, so Kerbler, würde zu weit mehr Rechtssicherheit führen. (bri, DER STANDARD, 30.10.2013)