Wollte man ein bisserl polemisch sein, könnte man zwei Vorfälle einander gegenüberstellen: Im Zuge der Räumung des Wiener Stadtparks von mehreren dort kampierenden Obdachlosen bekam ein armer Teufel eine Strafverfügung über 194 Euro, ersatzweise Haft. Die teils einschlägig vorbestraften Rechtsradikalen, die etwa gleichzeitig das Ernst-Kirchweger-Haus in Wien-Favoriten und einen dortigen türkischen Klub überfallen und einen Mann verletzt hatten, wurden auf freiem Fuß angezeigt. Die Polizei hatte ursprünglich ihren ebenso beliebten wie lächerlichen Spruch losgelassen, man müsse erst "überprüfen, ob ein politischer Hintergrund vorliegt".

Abseits der Polemik muss man nach Lösungen suchen. Ein größerer städtischer Park verträgt vielleicht zwei, drei Obdachlose als Dauergäste, aber nicht ganze Bankreihen, die mit einer Art Zeltstadt belegt sind. Wien hat genügend Notschlafplätze sowohl seitens der Gemeinde, wie auch von NGOs ("Gruft" der Caritas, "Vinzirast"). Deren Mitarbeiter leisten übrigens heroische Arbeit in wahrer Nächstenliebe.

Das Problem ist, dass ein beträchtlicher Teil der oft psychisch beeinträchtigten Obdachlosen auch bei Minusgraden das Übernachten unter freiem Himmel der Enge der Notquartiere vorzieht. Außerdem bekommen die meist aus östlichen EU-Staaten zuwandernden Obdachlosen schwerer oder gar nicht Zugang zu den öffentlichen Quartieren - auch aus Angst, Elendszuwanderer anzuziehen.

Inzwischen haben sich NGOs, Polizei und der Fonds Soziales Wien, der die Notschlafstellen verwaltet, darauf geeinigt, einander künftig besser zu informieren, um ein koordiniertes Vorgehen zu erreichen. Gut so. Und das gilt auch für das gesamte groß und größer werdende Problem der Armutsmigration nach Österreich (und Europa). Die Obdachlosen sind da nur ein kleiner Ausschnitt. Österreich und Europa sind mit einer Flüchtlingsproblematik konfrontiert, die weder mit teilweise üblen staatlichen Schikanen, noch mit einer realitätsfernen "Türen-auf-für-alle-Politik" zu managen ist.

Es hat sich jetzt eine breite, parteiunabhängige Allianz von zivilgesellschaftlichen Organisationen gebildet, die die Bundesregierung auffordert, "die Weichen für eine Flüchtlingspolitik in Einklang mit den Grundwerten der Menschlichkeit" zu stellen. Dagegen steht das Wissen, dass auch im vorbildlichen Schweden die Aufnahme von perspektivlosen Flüchtlingen aus sehr anderen Kulturen zu Krawallen und zum Aufstieg nationalistischer Parteien geführt hat.

Was die NGOs, die Blaulichtorganisationen und die Stadt Wien bei den Obdachlosen versuchen, nämlich koordiniert zu einer halbwegs tragbaren Lösung ohne Ho-ruck-Aktionen zu kommen, sollten vielleicht die Bundesregierung und die neue Menschenrechtsallianz bei den Asylwerbern und Flüchtlingen versuchen: den ganzen Wust an überkomplizierten Rechtsvorschriften, Realitätsverweigerung einerseits und populistischen Scheinmaßnahmen andererseits aufzudröseln und die Politik gegenüber der Armutswanderung neu aufsetzen. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 30.10.2013)