Wien - Diese Nachricht könnte den Koalitionsverhandlern von SPÖ und ÖVP das Leben erleichtern: "Keinen unmittelbaren Handlungsbedarf" sieht Rudolf Müller, um die Pensionen trotz rasanter Alterung der Bevölkerung zu sichern. Der Leiter der Pensionskommission zieht diesen Schluss aus jenem Gutachten, das selbige am Dienstag beschlossen hat.
Wie der Standard berichtete, bescheinigt der Bericht dem System für die nächsten Jahre gute Stabilität. Bis 2028 entsprechen die prognostizierten Kosten jenen Zielen, die vor zehn Jahren in einem Referenzpfad angepeilt wurden, rechnet Müller vor; zwar steigt der Zuschuss des Staates zu den Pensionen der allgemeinen Sozialversicherung (ASVG) von derzeit 2,8 auf 4,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), doch das wird angesichts der demografischen Entwicklung für vertretbar gehalten. "Beruhigen", ergänzt Müller freilich, "wird das nur die über 50-Jährigen."
Jüngere Semester haben Grund zur Sorge: Ab 2028 legen die Kosten entgegen dem angestrebten Pfad weiter zu, um 2050 bei 5,9 Prozent des BIP zu landen. Allerdings stelle sich der Zuwachs aus einer Gesamtsicht weniger dramatisch dar, relativiert Müller: Denn während sich die Kosten fürs ASVG-System mehr als verdoppeln, erspart sich die öffentliche Hand durch das Auslaufen der Beamtenpensionen viel Geld. Beide Systeme zusammengerechnet würden die staatlichen Kosten von derzeit 6,3 Prozent des BIP bis 2035 auf 7,9 Prozent steigen, um bis 2060 wieder auf 7,6 Prozent zu fallen. Es geht also darum, einen Anstieg von 1,6 Prozent zu finanzieren, sagt Müller: "Das ist die Dimension des Problems."
Pensionskommission vertagt
Maßnahmen zur Lösung will die aus Experten, Parteien- und Interessenvertretern zusammengesetzte Kommission bis kommenden Jänner ausarbeiten - Einigung vorausgesetzt. Das neue Gutachten hat eine breite Mehrheit hinter sich. Die einzelnen Einwände entzündeten sich an Details, das offenbar grundsätzlich skeptischere Finanzministerium enthielt sich der Abstimmung.
Mitglied Ulrich Schuh, Leiter der Industrienahen Instituts Eco Austria, hat für den Bericht gestimmt. Für einen Fortschritt hält er die nun amtliche Erkenntnis, dass die bisherigen Reformen zwar kurzfristig entlasteten, "aber längerfristig keine Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft sind". Es brauche einen Mechanismus, der das System automatisch an die steigende Lebenserwartung anpasse, "sonst fährt es irgendwann an die Wand".
Müller hingegen legt den Fokus nicht auf systemische Fragen, sondern mahnt Anstrengungen in der Bildungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik ein. Wenn es nicht gelinge, die Menschen in Beschäftigung zu halten, bringe die Heraufsetzung des gesetzlichen Antrittsalters null Ersparnis: Statt der Pensionen würden dann eben Kranken- und Arbeitslosengeld Geld verschlingen. (Gerald John, DER STANDARD, 30.10.2013)