Auch die Kultur beschäftigt das Thema: Etwa hier bei der Inszenierung "Rotlicht", ein Doku-Theaterstück am Deutschen Theater in Göttingen, das den Alltag der rund 400 000 Prostituierten in Deutschland im März dieses Jahres beleuchtete.

Foto: Isabel Winarsch / Deutsches Theater in Göttingen

Berlin - Der Streit über Verbot versus Legalisierung von Sexarbeit hat in Deutschland einen neuen Höhepunkt erreicht. In der neuen Ausgabe des feministischen Magazins "Emma" wird das deutsche Prostitutionsgesetz massiv kritisiert. Die Redaktion geht sogar noch einen Schritt weiter und hat eine Petition initiiert, die ein vollkommenes Verbot der Prostitution in Deutschland fordert.

Das Magazin setzt seine Forderungen ästhetisch in eine Reihe mit dem legendären Stern-Cover "Ich habe abgetrieben" aus den 1970er-Jahren. Auf dem aktuellen Cover sind die ErstunterzeichnerInnen der Petition abgebildet. Sie alle können sich auf die fünf Forderungen einigen, die in der Petition formuliert wurden: Der "Deregulierung von Frauenhandel und Prostitution schnellstmöglich Einhalt gebieten (...)", Präventionsmaßnahmen und gezielte Hilfe beim Ausstieg, Aufklärung über die Folgen von Frauenkauf in Schulen, "Ächtung und wenn nötig auch Bestrafung der Freier" owie "Maßnahmen, die kurzfristig zur Eindämmung und langfristig zur Abschaffung des Systems Prostitution führen".

90 Prominente

"Prostitution ist ein fundamentaler Verstoß gegen die Würde des Menschen, des weiblichen wie des männlichen", schreibt Emma-Chefredakteurin Alice Schwarzer in ihrem Blog. Denn eine Welt ohne Prostitution sei möglich und ließe sich nicht als Utopie abtun, wie einst die Forderung nach Abschaffung der Sklaverei. Deutschland hingegen fördere mit seinen Prostitutionsgesetzen die moderne Sklaverei. Seit der legistischen Reform im Jahr 2002 sei Deutschland "zu Europas Drehscheibe für Frauenhandel und zum Paradies für Sextouristen aus Nachbarländern geworden", heißt es in dem Appell der Redaktion.

Die Redaktion hat sich dafür bereits 90 prominente ErstunterzeichnerInnen geholt, die diese Forderungen unterstützen, darunter: die Schauspielerin Senta Berger, der frühere SPD-Minister Bodo Hombach, die Theologin Margot Käßmann, Liedermacher Reinhard Mey, TV-Köching Sarah Wiener oder Künstler Peter Weibel. 

Prostituierte nicht pauschal zu Opfer machen

Dem stellt sich seit Dienstag eine weitere Petition entgegen, die vom kürzlich gegründeten "Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen" verfasst wurde. In dem "Appell für Prostitution" verwehren sich die Aktivistinnen dagegen, Prostitution mit Sklaverei gleichzusetzen. Sie fordern die Anerkennung von Sexarbeit als eine berufliche Tätigkeit, die auf Freiwilligkeit beruht. Sei das nicht der Fall, dann handle es sich nicht um Prostitution, sondern um den Strafbestand der Vergewaltigung. "Prostituierte, egal welcher Herkunft, pauschal zu Opfern zu erklären ist ein Akt der Diskriminierung", heißt es in dem Appell weiter. In diesem wird die Einführung des Prostitutionsgesetzes verteidigt, das dem Gedanken der Entkriminalisierung und der beruflichen Anerkennung von Prostitution folgen würde. Diese Anerkennung würde Sicherheit, bessere Arbeitsbedingungen oder auch die Möglichkeit, den Lohn einzuklagen, gewährleisten. 

Der Berufsverband sieht zwar auch Schwächen im deutschen Prostitutionsgesetz und Reformbedarf, aber das Hauptproblem liege in dem "fehlenden Willen zu seiner Umsetzung in den einzelnen Bundesländern".

Forderungen der "Gegenpetition"

Auch die "Gegenpetition" stellt konkrete Forderungen: Beteiligung von SexarbeiterInnen an politischen Prozessen, keine Ausweitung der Polizeibefugnisse und keine staatliche Überwachung oder Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten, keine Kriminalisierung der KundInnen, Aufklärung statt Verbote, z. B. in Form von geförderten Weiterbildungsmaßnahmen für SexarbeiterInnen, Kampagnen gegen Stigmatisierung von Prostituierten sowie Bleiberechten und umfassender Unterstützung für Betroffene von Menschenhandel. (red, dieStandard.at, 30.10.2013)