Etymologisch betrachtet hat ein Friedhof nichts mit dem Frieden zu tun, stammt das Wort doch vom althochdeutschen Wort "frithof" ab, was übersetzt nicht mehr als "eingehegter Raum" bedeutet. Die beiden ältesten "frithöfe" Wiens datieren aus dem achten Jahrhundert. Sie befanden sich bei der Ruprechtskirche und am Areal rund um die Peterskirche. Aufgrund der Beengtheit im Mittelalter wurden Leichen oft vorzeitig exhumiert und deren Knochen in Ossarien und Karnern gelagert. Nicht selten war diese Tradition Ausgangspunkt für grassierende Seuchen wie die Pest. Die Toten dieser Epidemien durften aber wiederum nicht auf normalen Friedhöfen beerdigt werden, sondern wurden in Pestgruben verscharrt. Als Schachtgräber bezeichnet man jene Massengräber, in denen man aus Spargründen mit Klappsärgen nackte Leichen jenseits von Rang und Namen stapelte. Ab 1732 wurden - als eine der Reformen unter Kaiser Joseph II - alle Friedhöfe an die Peripherie verbannt. Straßennamen wie Sensengasse und Gottesacker legen Zeugnis von dieser Vergangenheit.

Mehr als ein Reiseführer exzentrischer Natur

Kerstin Scherabon zeichnet einerseits die Kulturgeschichte des Wiener Totenkults der als morbide beschriebenen Donau-Nekropole nach, andererseits würdigt sie die pittoreske Schönheit, die kunstvolle Architektur und Ästhetik bildhauerischer Meisterwerke. Ihr Buch "Friedhöfe in Wien" ist aber viel mehr als nur ein Reiseführer eher exzentrischer Natur. Eloquent beschrieben und opulent illustriert erfahren alle 52 in Betrieb befindlichen, sowie die stillgelegten und ehemaligen Friedhöfe - wie beispielsweise der Friedhof der Namenlosen, der Sankt Marxer sowie etliche jüdische Friedhöfe - Beachtung. Inklusive indexierter Öffnungszeiten, Merk-, Denk- und Sehenswürdigkeiten.

Man erfährt, wie groß die Fläche der letzten Ruhestätten sind, wie viele Grabstellen auf denselben existieren, welche historischen Hintergründe bisweilen dort verborgen liegen, welche Glaubenskongregationen wo vertreten sind, welche historisch relevanten Bauwerke sich vor Ort befinden und wo Gräber, Mausoleen oder Urnen Prominenter verortet sind. Dass "der Wiener" besonders viel Wert auf "a scheene Leich" legt, und welche Bereiche - von der Kulinarik bis zur Poesie und Musik - diese Vorliebe zur Nekrophilie umfasst, auch das beschreibt Scherabons umfassende Kulturgeschichte. (Gregor Auenhammer, DER STANDARD, 31.10.2013)