Wien/Paris/Marseille - Bundespräsident Heinz Fischer reist am Montag in Begleitung seiner Frau Margit zu einem dreitägigen Staatsbesuch nach Frankreich. Auf dem Programm stehen ein Treffen mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande sowie Arbeitsgespräche mit Premier Jean-Marc Ayrault, Senatspräsident Jean-Pierre Bel und Außenminister Laurent Fabius. Zudem wird der Bundespräsident am Mittwoch Marseille, die Europäische Kulturhauptstadt 2013, besuchen.

Begleitet wird Fischer von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Hundsdorfer (SPÖ). Dementsprechend werden wirtschafts- und sozialpolitische Themen im Mittelpunkt stehen. Etwa die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, bei der Österreich EU-weit als Musterschüler gehandelt wird, oder das österreichische Modell der Sozialpartnerschaft, an dem Paris nach Angaben der französischen Botschaft in Wien höchst interessiert ist.

Auf dem Programm stehen zudem außenpolitische und EU-Themen: Ägypten, Syrien, Iran, Tschad aber etwa auch die EU-Alpenstrategie - eine gemeinsame regionalpolitische Initiative Österreichs, Deutschlands, der Schweiz, Sloweniens, Liechtensteins, Italiens und Frankreichs, die bereits beim EU-Gipfel im Dezember beschlossen werden könnte.

Aus Sicht der französischen Innenpolitik fällt der Besuch des Bundespräsidenten in eine Zeit historischer Unpopularität der Staats- und Regierungsspitze. Seit Monaten liegen die Beliebtheitswerte Hollandes und seines Premiers unter 30 Prozent, die schlechtesten Umfragewerte sahen den Präsidenten zuletzt bei 23, Ayrault bei 25 Prozent. Nach Angaben des Instituts BVA war seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als 30 Jahren noch nie ein Präsident so unbeliebt wie Hollande.

Grund dafür sind einerseits sicherlich die weiterhin schlechten Wirtschaftsdaten des Landes. Bis Ende 2014 wird die Staatsverschuldung Frankreichs auf 95,1 Prozent des BIP ansteigen, die Arbeitslosigkeit erreichte im September mit 10,9 Prozent ein Rekordhoch, große französische Industriebetriebe kündigen ein Sparpaket nach dem anderen an, das Peugeot-Werk in Aulnay-sous-Bois bei Paris wird nächstes Jahr ganz stillgelegt.

Dennoch war es ein 15-Jähriges Mädchen das den französischen Präsidenten zuletzt am meisten in Bedrängnis brachte. Die offenbar gut integrierte Leonarda wurde während eines Schulausfluges von Polizisten abgeführt und mit ihrer Familie in den Kosovo abgeschoben. Das Vorgehen der Exekutive löste frankreichweit Empörung aus. Hollande, der es sich weder mit den Gegnern noch mit den Befürwortern der Abschiebung verscherzen wollte, schlug der 15-Jährigen vor, alleine zurückzukehren und brachte so beide Seiten gegen sich auf.

Während die Aufregung im Fall Leonarda bald vergessen sein wird, ist der Aufstieg der extremen Rechten ein nachhaltigeres Bedrohungsszenario für die französischen Sozialisten. Laut aktuellen Umfragen könnte die Front Nationale (Nationale Front, FN) von Marine Le Pen bei den Europawahlen im Mai 2015 stärkste Partei werden. Erst vor kurzem sicherte sich die FN den Sieg bei den Kantonalwahlen im südfranzösischen Brignoles.

Gerade der Aufstieg der österreichischen FPÖ macht der amtierenden Regierung dabei besonders Angst. "Die extreme Rechte (in Österreich, Anm.) hat einen Stimmenanteil von 30 Prozent, obwohl die Arbeitslosigkeit lediglich bei 4,5 Prozent liegt", sagte Premier Ayrault kürzlich gegenüber dem französischen Magazin "L'Express". Für die französische Regierung, die im Kampf gegen die extreme Rechte vor allem auf bessere Wirtschaftsdaten setzt, ein düsteres Zukunftsszenario. Umso mehr, als FPÖ und FN nach den EU-Wahlen eine gemeinsame Rechtsfraktion im europäischen Parlament planen.

Mehr im Zeichen der Kultur denn der Politik ist dann Fischers Abstecher in die Europäische Kulturhauptstadt Marseille-Provence 2013 am Mittwoch. Neben der über der Hafenstadt thronenden Wallfahrtskirche Notre Dame de la Garde will der Bundespräsident auch das von Architekturkritikern hochgelobte Musee des civilisations de l'Europe et de la Mediterranee (MuCEM) in der Bucht von Marseille besuchen. Das MuCEM wurde nach 13-jähriger Planungs- und Bauzeit im Juni eröffnet und gilt als Prestigeprojekt von Marseille 2013. Alleine am Eröffnungswochenende kamen 63.000 Besucher.

Das Kulturhauptstadtjahr war für Marseille vor allem auch ein Versuch vom Image als Drogen- und Kriminalitätshochburg wegzukommen. Was allerdings nur begrenzt gelang: Bereits 16 Menschen wurden seit Jahresanfang im Bandenkrieg ermordet. Die von der Gewalt besonders stark gezeichneten Viertel rund um den Hafen und im Norden der Stadt, wo Arbeitslosen- und Kriminalitätsrate hoch sowie Bildungsabschlüsse und Haushaltseinkommen unterdurchschnittlich sind, fühlten sich von den offiziellen Feierlichkeiten ausgeschlossen und benachteiligt. (APA, 1.11.2013)