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Foto: Reuters/Mordasov

Seit Jahren beschäftigt sich die Autorin und Bloggerin Elisabeth Rank mit der Frage, ob und wie soziale Netzwerke den Umgang mit dem Sterben und dem Tod verändern: "Wie ist das zum Beispiel, wenn plötzlich zwischen Postings wie 'Habe gerade ein Eis gegessen' oder 'Schaut mal, was für ein lustiger Hund' plötzlich jemand schreibt 'Ich bin traurig, weil ein lieber Mensch verstorben ist'?", versucht die 29-jährige Berlinerin Empfindungen nachzuspüren.

Zunächst einmal irritierend, stellte sie bei einer twenty.twenty-Diskussionsrunde zum Thema "Der Tod im Netz" am Dienstagabend in Wien fest, einer Veranstaltungsreihe von Telekom Austria und des Magazins The Gap. Denn auf einmal würden auf jenen digitalen Plattformen, auf denen bisher Alltägliches festgehalten wurde, auch Tod öffentlich dokumentiert.

Das Internet bietet neue Möglichkeiten, Krankheit und Tod darzustellen, für sich zu verarbeiten. Der New Yorker Fotograf Angelo Merendino verarbeitete seine Verzweiflung über die Krebserkrankung seiner Frau mit einem Fototagebuch, das er auch noch nach ihrem Tod weiterführt. "Wie kann man nur", lauteten viele Reaktionen darauf.

Niedrigere Hemmschwelle

Rank will jegliche Art öffentlicher Dokumentation auf sozialen Medien rund um den Komplex Sterben weder als besonders positiv oder negativ bewerten, was in dieser Hinsicht online passiert. "Fakt ist, dass die Hemmschwelle in einem sozialen Netzwerk gerade für Jüngere oft niedriger ist, um über Tod und Trauer zu sprechen. Es erfordert schließlich weniger Überwindung, etwas auf eine digitale Pinnwand zu schreiben, als irgendwo anzurufen oder zu einer Beerdigung zu gehen", stellt sie fest. Ein kurzer Blick in die analoge Realität zeigt, dass Tod und Trauer in der Gesellschaft ein tabuisiertes Randthema sind.

Dass digitale Medien auch Einfluss auf die Trauerarbeit von Menschen haben kann, die nicht an der Onlinewelt teilhaben, zeigt Diskussionsteilnehmer Bernhard Jungwirth vom Institut für angewandte Telekommunikation auf. Er berichtet von in einem Osttiroler Bergbauerndorf lebenden Eltern, die ihren 30 Jahre alten Sohn verloren. Ihre Tochter zeigte ihnen die vielen Trauerbekunden, die Freunde auf Facebook posteten, was die Eltern sehr berührte. "Das waren Empathiezeichen von Menschen, die sie sonst nicht erreicht hätten, betont er.

Das Thema "Tod im Netz" hat aber noch andere Facetten, für die es derzeit keinen klaren Umgang gibt. Zum Beispiel, was passiert mit meinem digitalen Nachlass, mit all den Dingen, die ich online jemals veröffentlicht habe, meinen E-Mail-Konten, Passwörter für E-Shops oder Plattformen?

Datenschutz

Eindeutig ist in einem Punkt nur die juristische Seite: Das Recht auf Datenschutz erlischt mit dem Tod des Betroffenen, wie Andreas Krisch vom Verein für Internetnutzer (VIBE) hinwies. Was wir also im Netz einrichten, muss (bei Interesse) von Hinterbliebenen betreut oder gelöscht werden. Krisch empfiehlt daher Datenzugriff und -verwendung möglichst frühzeitig zu regeln.

Die Medienkünstlerin Sylvia Eckermann erinnerte an dieser Stelle an die vor einiger Zeit diskutierte Möglichkeit, Onlineinformationen auf Wunsch mit einem Verfall- bzw. Löschdatum zu versehen. Für Datenschützer Krisch ein von der Theorie richtiger Ansatz, der technisch allerdings noch mehr Forschung bedürfe.

Rank hat ihren digitalen Nachlass bereits geregelt. Die dafür neu aus dem Boden schießenden Dienstleister hält sie nicht für die richtige Lösung. Sie hat daher auf einem Zettel alle Passwörter aufgeschrieben und bei einer Freundin verwahrt. Ihr bleibt es überlassen, was damit geschehen soll. Sie gibt zu: "Die ganz privaten Sachen liegen ohnehin nicht im Internet."

Welche Gedanken sich andere Menschen zum Thema digitaler Nachlass machen, versuchen die twenty.twenty-Veranstalter aktuell durch eine Onlineumfrage herauszufinden. Der Tod ist ein Rätsel. Der richtige Umgang mit ihm wird nicht nur auf sozialen Netzen weiterhin viele Fragen aufwerfen. (Karin Tzschentke, DER STANDARD, 31.10.2013)