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Under pressure.

Foto: Reuters/Wiegmann

Köln - Die Vergabe der Fußball-WM 2022 an den Persischen Golf kommt nicht aus dem Gerede. Jetzt hat sich auch Michael Sommer, der mächtige Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, zu Wort gemeldet. "Es kann nicht sein, dass die WM in einem Land stattfindet, das seine Arbeiter wie Sklaven behandelt. 2011 hat die FIFA die WM vorschnell nach Katar vergeben. Die Entscheidung wurde auf offenkundig fragwürdiger Basis getroffen", schrieb der Gewerkschaftsboss an seine Amtskollegen in Ländern mit Sitz im Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes.

Das am Freitag bekannt gewordene Schreiben ist der Auftakt zu einer konzertierten Aktion gegen die FIFA und ihren Chef, Sepp Blatter. Seite an Seite mit Sommer marschiert da auch Wolfgang Niersbach, Chef des Deutschen Fußballbundes.

Michael Sommer - das macht seine Worte noch um einiges gewichtiger - ist auch Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB), der die Interessen von 175 Millionen Arbeitern vertritt. Zur Süddeutschen Zeitung sagte er kämpferisch: "Es wird weiter gequält und gestorben. Wolfgang Niersbach und ich haben nun verabredet, dass jeder seine Leute mobilisiert. Wir haben uns maximal sechs Wochen gegeben. Dann sichten wir die Ergebnisse unserer Aktion und gehen auf die FIFA los."

Prophezeites Massensterben

Recherchen der englischen Tageszeitung Guardian zufolge lässt Katar Gastarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen für das gigantische Prestigeprojekt klimatisierter Stadien in der Wüste schuften. Die australische IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow prophezeit gar, bis zur Eröffnungspartie würden 4000 Gastarbeiter in Katar an den Folgen von Ausbeutung sterben.

Sommer fordert in seinem Schreiben die nationalen Gewerkschaften auf, bei den jeweiligen Fußballverbänden Einfluss zu nehmen. "Ich bitte Sie, Kontakt zu Ihrem Fußballverband aufzunehmen, um über diese unmenschlichen Bedingungen zu informieren und ein verstärktes Engagement anzustoßen, Katar diese WM zu entziehen, wenn nicht sofort wirkungsvolle Maßnahmen getroffen werden, die Ausbeutung zu beenden." Sommer erbittet bis zum 25. November einen Bericht über die Reaktion - rechtzeitig zur Sitzung der FIFA-Exekutive am 4. und 5. Dezember in Brasilien.

Katar will die gewerkschaftlich-ballesterische Gemeinschaftsinitiative allerdings ins Leere laufen lassen. Das Organisationskomitee verwies noch am Freitag auf erhebliche Fortschritte, die "in Medienberichten jedoch nicht erwähnt werden".

"Kein Schnellschuss"

Es gebe "viele positive Beispiele und Initiativen" von staatlicher Seite, aber auch von Unternehmen. "Wir wollen keinen Schnellschuss, der zerbröselt, wenn das Rampenlicht der Medien-Welt 2023 weiterwandert, sondern wir wollen nachhaltige Veränderungen, die das Leben der Gastarbeiter in Katar verbessern", teilte das WM-Komitee mit. Es sei eine Arbeiter-Charta verabschiedet worden, die Entwicklung von "Standards, zu denen sich alle Vertragspartner bekennen müssen", stehe kurz vor dem Abschluss.

Pressieren tut's den Katarern offenbar nicht. Allein im Juni und August sind 44 Arbeiter aus Nepal gestorben. Die Berichte darüber haben die Aufmerksamkeit erstmals massiv aufs katarische Arbeitsleben gelenkt.

Jetzt soll gegengelenkt werden, so der IGB-Chef: "Wir müssen Mehrheiten finden, um Druck auf die FIFA auszuüben." (sid, red, DER STANDARD, 02./03.11.2013)