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Frank Appel sieht Wachstum vor allem in Asien.

Foto: Reuters/Wolfgang Rattay

Frank Appel, Chef von Deutsche Post DHL, über unattraktive Ex-Monopolisten in besetzten Märkten, das Briefgeheimnis und warum Überwachung dem Papierbrief eine Renaissance bescheren könnte. Gefragt hat Luise Ungerboeck.

STANDARD: Was verschlägt den Chef der großen Deutschen Post ins kleine Österreich?

Appel: Weil es zu meinen Aufgaben gehört, sich einen Eindruck von den Märkten zu machen, in denen wir tätig sind. Wir sind ja in 220 Ländern und Territorien aktiv. Ich mache das regelmäßig, dieses Mal in Österreich.

STANDARD: Sind Sie zufrieden?

Appel: Wir hatten in Österreich durchaus schwierige Jahre, aber das Geschäft hat sich in den vergangenen zwei Jahren sehr gut entwickelt.

STANDARD: Was war so schwierig und was hat sich ausgerechnet in den vergangenen Krisenjahren verbessert?

Appel: Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Als Gruppe haben wir jetzt einen stärkeren Fokus auf Kunden- und Mitarbeiterorientierung. Und mit unseren vier DHL Divisionen haben wir eine klare strategische Ausrichtung. Unser Speditionsgeschäft war immer schon erfolgreich. Im Express-Segment fokussieren wir uns jetzt ausschließlich auf das internationale Expressgeschäft, in dem wir mit über fünfzig Prozent Marktführer in Österreich sind. Seither entwickelt sich diese Sparte erfreulich. In der Kontraktlogistik mussten wir einige Portfoliobereinigungen vornehmen. Das internationale Briefgeschäft entwickelt sich ebenfalls positiv, vor allem im B2C-Segment, und vor allem wegen des Online-Handels.

STANDARD: Warum war das Expressgeschäft in Österreich so schwierig? Platzhirsch Österreichische Post hatte das Segment Express/Paket viele Jahre in ein Joint-venture ausgelagert, also nicht einmal selbst betrieben ...

Appel: Im Paketbereich war die österreichische Post immer ein Konkurrent, nicht aber im Expressgeschäft. Wir waren da nicht der größte Marktteilnehmer und es gibt hier für die österreichische Post immer noch gewisse Skalenvorteile. Deshalb konnten wir dieses Geschäft nicht profitabel betreiben und haben das Paketgeschäft daher auch aufgegeben. Insgesamt erleben wir mit unseren DHL-Einheiten aber eine erfreuliche Situation in Österreich, wir bauen unsere Marktanteile aus, sind dabei aber auch abhängig von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen..

STANDARD: Sie haben kürzlich gefordert, dass die europäische Politik mehr für das Wirtschaftswachstum tun muss. Was konkret? Stimulierungsprogramme?

Appel: Ich glaube, dass Regionen nur dann erfolgreich sind, wenn sie wettbewerbsfähig sind. Da hat Europa in den vergangenen Jahren Terrain verloren. Länder wie Holland, Österreich und Deutschland sind wettbewerbsfähig geblieben, aber andere haben durch erhebliche Kostensteigerungen, bei fehlenden gleichzeitigen Produktivitätsteigerungen den Anschluss nicht halten können. Die hohen Staatsdefizite haben ein übriges dazu getan. Deshalb bin ich ein absoluter Verfechter einer deutlichen Reduktion der Staatsdefizite, wir können nicht das Geld der nächsten Generationen ausgeben. Die weitere Konsolidierung in Europa ist absolut erforderlich und wir brauchen eine stärkere Integration Europas. Ich bin ein starker Befürworter der Vereinigten Staaten von Europa, denn keines der Länder, das gilt auch für Deutschland als große Volkswirtschaft, kann im internationalen Wettbewerb alleine bestehen. Den eingeschlagenen harten Sanierungskurs müssen wir in Europa gemeinsam fortsetzen. Von reinen Stimulationsprogrammen halte ich gar nichts, man kann nur das Geld ausgeben, das man vorher verdient hat.

STANDARD: Welche Vorteile soll uns das bringen? Haushaltsdisziplin schafft noch kein Wirtschaftswachstum ...

Appel: Nein, natürlich nicht, aber Wettbewerbsfähigkeit. Und Wettbewerbsfähigkeit wird immer durch die gleichen Themen wie Infrastruktur und Bildung erzeugt. Ein weiteres ist die Öffnung der Märkte, zum Beispiel durch das transatlantische Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Das könnte rund 1,5 Prozent Wachstum erzeugen, weil Geld und Arbeitskraft nicht durch Administration gebunden, sondern für Investitionen freigesetzt würden. Überflüssige Bürokratie schafft ja keinen Mehrwert. Europa hat ja schon eine gute Infrastruktur und im Schnitt sehr gute Bildungssysteme, zumindest im Vergleich zu dem, was ich an anderen Orten auf der Welt kennengelernt habe. Somit hat Europa bereits beste Chancen, und Geld für Investitionen in diese Bereiche wäre zielführender eingesetzt als in marktregulierende Verwaltungsprozesse.

STANDARD: Die neuen EU-Mitgliedsländer in Süd-/Osteuropa kommen in Ihrem Wachstumskonzept nicht vor. Warum das?

Appel: Durchaus, ich glaube, dass wir ein Investitionsprogramm für die neuen Länder brauchen, das natürlich von den reicheren Ländern finanziert werden muss, aber auch zum eigenen Vorteil. Es wird nicht reichen, dass die wohlhabenderen Länder Bürgschaften übernehmen oder für Kredite einstehen. Die EU-Gemeinschaft braucht für diese Regionen ein echtes Entwicklungsprogramm für den Dienstleistungsbereich und für die Industrie, um sie langfristig wettbewerbsfähig zu machen.

STANDARD: Gibt es weiße Flecken in Europa, auf dem Globus, wo die Deutsche Post unter- oder gar nicht repräsentiert ist?

Appel: Eigentlich nicht. Als Deutsche Post DHL sind wir in 220 Ländern und Territorien präsent, aber z.B. nicht mit dem Briefgeschäft. Diese Nischen eröffnen Chancen für kleinere Unternehmen.

STANDARD: Warum sind Ex-Monopolisten, also die nationalen Postgesellschaften in den Transformationsländern uninteressant für Ihre Expansion? Bei der Liberalisierung der Telekommunikation vor 15 Jahren war das anders, da gab es Übernahmefeldzüge.

Appel: Wir hatten versucht, mit unserem Briefgeschäft in ausländischen lokalen Märkten, wie Holland, England oder Spanien Fuß zu fassen. Gelungen ist es uns im wesentlichen in den USA. Der Einstieg in das nationale Briefgeschäft in einem Markt wie Österreich ist besonders deshalb weniger interessant, weil es immer einen leistungsfähigen Ex-Monopolisten gibt und gleichzeitig das klassische Briefgeschäft schrumpft. In Österreich müsste man dazu auch noch flächendeckend anbieten, weil es Konzessionen ausschließlich für Ballungsräume nicht gibt. Anstatt uns an einem schrumpfenden Markt zu beteiligen, investieren wir lieber in einen wachsenden Profit-Pool wie Asien.

STANDARD: Die Deutsche Post steht, wie alle anderen Postgesellschaften in Europa auch, regelmäßig in der Kritik – sei es wegen Warteschlangen am Schalter oder verloren gegangener Sendungen. Sind Privatkunden, die meist auch Zwangsaktionäre sind, lästig?

Appel: Keineswegs. Unsere Kundenzufriedenheit wird regelmäßig von einem externen Unternehmen untersucht. In iedenheit bei Privatkunden erreicht. Ich glaube daher nicht, dass der Kunde in Deutschland mit unseren Leistungen unzufrieden ist. Ansonsten arbeiten wir natürlich ständig daran, noch besser zu werden. Auch ich gehe regelmäßig in den Betrieb und arbeite mal als Briefträger, Lagerarbeiter oder Paketzusteller, ich weiß, wie sich unsere Mitarbeiter täglich anstrengen und ihr Bestes geben...

STANDARD: Sie werden nicht lang undercover arbeiten, die Menschen werden Sie wiedererkennen ...

Appel: Solange man in der Regel nur im Wirtschaftsteil einer Zeitung und dann auch im Anzug erscheint, wird man auf der Straße in Jeans eher selten erkannt... (lacht). Selbst in Bonn, wo unser Unternehmenssitz ist, werde ich meist nicht erkannt.

STANDARD: Stichwort Anonymität: Das Briefgeheimnis war eine Errungenschaft in der Geschichte der Menschheit. Jetzt wird in großem Stil überwacht. Wie schützen Sie das Briefgeheimnis? Sie kooperieren ja mit den US-Behörden, Absender und Empfänger von Sendungen werden fotografiert ...

Appel: Wir fotografieren natürlich keine Sendungen. Von den Sortiermaschinen werden zur Kodierung lediglich Postleitzahl, Ort, Straße und Hausnummer gelesen. Selbst dort findet eine Auswertung von Absender- oder Empfängernamen nicht statt. Darüber hinaus werden diese Daten nach wenigen Tagen wieder gelöscht.

STANDARD: Aber Sie kooperieren doch mit den US-Behörden?

Appel: Wenn Sie damit meinen, dass wir Briefe in die USA zur Zustellung an die US-Post übergeben, dann ja. Dabei liefern wir keine Adresslisten mit. Ansonsten haben Sie natürlich recht, unsere Zusteller, und das gilt sicher genauso für Österreich, sind eine extrem wichtige Säule der Demokratie, weil Sie das Briefgeheimnis schützen. Hingegen ist die Sicherheit der Kommunikation im Internet nicht immer garantiert. Selbst die Politik gibt zu, dass vieles gelesen und abgehört werden kann. Vielleicht erleben wir an manchen Stellen noch einmal eine gewisse Renaissance des Briefes.

STANDARD: Der Papierbrief ist etwas Anonymeres, das von der NSA nicht ausgespäht wird?

Appel: Das stimmt, nur der Versender und der Empfänger kennen den Inhalt. Aber wir haben mit dem E-Post-Brief ein Produkt auf den Markt gebracht, mit dem auch im Internet das Briefgeheimnis sichergestellt werden kann. Der E-Postbrief ist ein vollkommen verschlüsseltes Dokument. Wir selbst hatten professionelle Hacker aufgefordert, das System zu knacken, es ist ihnen nicht gelungen.

STANDARD: Alles eine Frage des Aufwands, meinen Sie nicht?

Appel: Die westlichen Länder müssen sich überlegen, wie wichtig ihnen das Thema Datensicherheit ist. Wie wollen sie die Privatsphäre von Menschen schützen? Dazu gehört auch der Schutz der eigenen Historie. Wenn die aktuelle Entwicklung weitergeht, dann werden Menschen in 20 Jahren mit im Internet zugänglichen Bildern ihrer Jugendsünden konfrontiert. Wie geht man damit als Gesellschaft um? Alle Menschen haben eine Jugend gehabt, haben vielleicht Dinge getan, die sie später bereuen. Aber sie haben ein Recht darauf, daraus zu lernen. Und dieses Recht schneiden wir ihnen gerade ab. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, 2.11.2013)