Während der achtjährigen Präsidentschaft von Mahmud Ahmadi-Nejad (2005–2013) war der 4. November ein Tag, an dem stets antiamerikanische Hassparolen geschwungen wurden. Der neue iranische Präsident Hassan Rohani würde hingegen den kommenden Montag, den 34. Jahrestag der Besetzung der US-Botschaft in Teheran durch revolutionäre Studenten, am liebsten ignorieren.

Doch radikale Gegner der Regierung versuchen seit Tagen mit allen Mitteln, die Erinnerung an diesen Tag wachzuhalten. Sie wollen vor die ehemalige US-Botschaft ziehen und in Kundgebungen ihren Hass auf Washington unterstreichen. Doch im Gegensatz zu früheren Demonstrationen wird heuer kein Regierungsmitglied dabei sein oder gar eine Rede halten, wie es unter Ahmadi-Nejad routinemäßig der Fall war.

Die konservative Zeitung Keyhan versucht seit Tagen, mit antiamerikanischer Berichterstattung zumindest einen Teil der bisher uninteressierten Bevölkerung für die geplanten Demonstrationen zu mobilisieren.

Rohanis Gegner erhalten auch indirekt Unterstützung durch den Teheraner Oberbürgermeister Mo­hammed Bagher Ghalibaf. Er hatte die Präsidentenwahl gegen Rohani im Juni haushoch verloren und scheint dies immer noch nicht verkraftet zu haben. Er nutzt momentan jeden offiziellen Anlass aus, um an alte antiamerikanische Parolen zu erinnern. Er ließ sogar großflächige Plakate auf mehreren Plätzen in Teheran affichieren; sie mussten aber nach sehr negativen Resonanzen in der Bevölkerung und wegen des Widerstands des Stadtrats der iranischen Hauptstadt bald wieder entfernt werden. Seitdem scheinen auch die Differenzen zwischen den Vertretern liberalerer Ansichten in der Regierung und den mit der Präsidentenwahl ins Abseits geratenen Konservativen zuzunehmen.

Priorität Wirtschaftspolitik

Die meisten Zeitungen im Iran nehmen im Gegensatz zu früheren Jahren dieses Mal kaum Notiz vom Jahrestag der Besetzung der US- Botschaft – und damit wird wohl auch die allgemeine Meinung im Iran reflektiert. Die Regierung verfolgt längst andere Prioritäten; vor allem die akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten machen dem Land zu schaffen. Um dies zu veranschaulichen, hat unlängst die Regierung Dokumente veröffentlicht, die einen Teil der Fehlinvestitionen und Fehlplanungen während der Regierungszeit Ahmadi-Nejads zutage fördern.

Auch Mohammed Khatami, Ahmadi-Nejads Vorgänger als Präsident (1997–2005), wird neuerdings wieder in vielen Zeitungen zitiert. Er stellt sich voll hinter Rohani und dessen Entspannungspolitik und warnte jüngst bei einer Begegnung mit Studenten in Teheran vor radikalen Kräften im Iran, die mit allen Mitteln versuchen würden, einen Keil zwischen den neuen Präsidenten und die Reformer zu stoßen. Er rief zur Mäßigung auf und verlangte auch von den Studenten, ihre Forderungen in akzeptablen Grenzen zu halten. (Amir Loghmany aus Teheran /DER STANDARD, 2.11.2013)