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Hans-Christian Ströbele mit dem Brief Snowdens.

Foto: apa/epa/nietfeld

Der Brief von Edward Snowden im Wortlaut (unautorisierte Übersetzung als pdf).

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Der deutsche Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele schilderte sein Treffen mit NSA-Aufdecker Edward Snowden. Dieser sei zur Aussage bereit – aber nicht in Russland. Die deutsche Regierung reagierte zurückhaltend. Hans-Christian Ströbele genoss seinen Auftritt vor der voll besetzten Bundespressekonferenz am Freitag in Berlin. Launig erzählte der Grünen-Abgeordnete den Journalisten, dass er schon vor Monaten deutsche Behörden aufgefordert habe, Edward Snowden über die NSA direkt zu befragen. "Dieser Aufforderung ist niemand nachgekommen, also habe ich mir gedacht, ich muss es selber machen."

Ende vergangener Woche sei nach längerer Pause wieder ein Kontakt zustandegekommen. Gemeinsam mit Ex-Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo und dem NDR-Journalisten John Goetz sei er nach Moskau gereist. Er wollte Snowden nicht alleine treffen, "zumal mein Englisch nicht so ist, dass ich mich mit einem US-Amerikaner locker unterhalten kann". Es sollte auch ein französischer Abgeordneter dabei sein, dessen Reise nicht zustandekam.

Jung, munter, gut drauf

Ob das Treffen mit dem 30-Jährigen in einer Privatwohnung oder in einem Hotel stattgefunden habe, wollte Ströbele aus Sicherheitsgründen nicht beantworten. Sein Eindruck von Snowden: "Ein junger Mann, kerngesund, gut drauf und munter. Aber auch überlegt." Er sei sich des Risikos bewusst und sicher "kein Amerika-Hasser", betonte Ströbele. "Er sieht seine Botschaft darin, schwere Straftaten aufzuklären", beschrieb der ehemalige Rechtsanwalt die Intention Snowdens. Dieser wolle US-Behörden "zur Umkehr bewegen". Laut Ströbele war Snowden, der zwischen 2005 und 2008 bei der CIA, danach bis zu seiner Flucht aus den USA bei der NSA gearbeitet hatte, nicht nur Techniker, sondern auch an Operationen beteiligt gewesen.

Nach Einschätzungen des langjährigen Geheimdienst-Experten ist Snowden "ein bedeutender Zeuge für Deutschland". Er sei bereit auszusagen. So steht es auch in einem Brief, den Snowden Ströbele mitgegeben hat. Darin erklärt der Whistleblower: "Ich freue mich auf ein Gespräch mit Ihnen in Ihrem Land."

Snowden, dem in Russland für ein Jahr Asyl gewährt wurde, könnte aber nicht nach Berlin fahren und dann zurückkommen. "Er kann sich vorstellen, nach Deutschland zu kommen, wenn gesichert ist, dass er in Deutschland oder in einem vergleichbaren anderen Land bleiben kann." Dass der Amerikaner vor einem deutschen Richter oder Ermittlungsbeamten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Russland Aussagen mache, schloss Ströbele aus. Dies könnte Probleme mit russischen Behörden mit sich bringen.

"To whom it may concern"

Den Brief habe er mehr oder weniger ungelesen als Zeuge unterschrieben, gestand Ströbele am Freitag ein. Er schickte ihn per Fax an den Generalbundesanwalt, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsidenten Norbert Lammert. Auf Journalistenfragen, warum in diesem Brief das Wort Deutschland nicht explizit vorkomme und das Schreiben nicht an die Kanzlerin, sondern an "to whom it may concern" adressiert sei, antwortete Ströbele, das wisse er nicht.

Danach gefragt, ob er damit rechne, dass Snowden Asyl in Deutschland bekäme: "Wenn der politische Wille, der Mut da ist, wäre das möglich. Nach den letzten Entwicklungen habe ich Hoffnung." Nach Paragraf 22 des Asylgesetzes kann aus "übergeordneten politischen Gründen" Asyl in Deutschland gewährt werden.

Dankbar, "wenn irgendwas kommt"

Innenminister Hans-Peter Friedrich reagierte umgehend: "Wir sind dankbar, wenn irgendetwas kommt. Wir werden Möglichkeiten finden, wenn Herr Snowden bereit ist auszusagen." Zu einem möglichen Asyl äußerte er sich nicht direkt. Noch zurückhaltender war der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann: "Wenn es eine Möglichkeit gibt, Snowden als Zeuge zu befragen, ohne ihn in Schwierigkeiten zu bringen und die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu riskieren, sollten wir das tun."

Die US-Regierung hat bereits einen Auslieferungsantrag an Berlin geschickt. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass nicht die Regierung für eine Vernehmung zuständig sei. Dies sei Sache der Justiz oder eines möglichen parlamentarischen Untersuchungsausschusses, den Ströbele im Übrigen nächste Woche beantragen will. (afs, DER STANDARD, 2.11.2013))