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In knapp fünf Stunden bewältigt der Zug die 1300 km zwischen Peking und Schanghai. 

Foto: EPA/Trebitsch

"Ein Superzug unserer Führung." Es ist eindeutig zweideutig, wie Übersetzerin Wan Chen die Gruppe auf die Fahrt mit dem chinesischen Hochgeschwindigkeitszug CRH 380A von Peking nach Schanghai einstimmt. "Seit fünf Jahren sind wir ein Hochgeschwindigkeitsland", sagt die Mittvierzigerin zum Standard.

Wie sie das meine? "2008 sind die ersten Highspeed-Züge gefahren - zwischen Peking und Tianjin. Seither sind tausende Kilometer Hochgeschwindigkeitsstrecken dazugekommen. Und es wird weiter gebaut."

Verpflegung am Bahnhof zu organisieren für die gut 1300 km lange Strecke, die der Zug in weniger als fünf Stunden schafft, stellt sich als Ding der Unmöglichkeit heraus. Zwar ist alles da, ein richtiger Chinese ebenso wie ein falscher McDonald's und ein wenig einladender Kentucky Fried Chicken - es scheitert schlicht am Geld.

Keine Scheine

"No Credit Card, no Dollar, no Euro", wird einem bedeutet. Und Renminbi? "Die gibt es am Automaten", sagt Frau Chen. Ihre Augen leuchten. Auch das stellt sich als Fehlanzeige heraus. Der Automat will partout keine Scheine ausspucken.

Dafür funktioniert der Zug eins a. Kurz vor Abfahrt wird er bereitgestellt. Vor den Eingangssperren zur Plattform haben sich inzwischen Trauben von Reisenden gebildet. Kaum springt die Ampel auf Grün, setzt sich der Tross in Bewegung. Das Drehkreuz deblockiert, sobald das Ticket über den elektronischen Scanner wischt.

Der Platz im Zug ist rasch gefunden. Rote Polsterstühle, zwei links des Mittelgangs, zwei rechts, schaffen eine entspannte Atmosphäre.

Auf die Minute genau setzt sich der Zug in Bewegung, beschleunigt rasch auf 200, dann auf 300 Stundenkilometer. Häuser, Bäume, Flüsse, Seen fliegen vorbei. Kein Rütteln, kein Rattern, das die Reise stören würde. Nur der Magen knurrt, aber nicht lange. Die Rettung naht in Person der Schaffnerin. Sie kontrolliert die Tickets, teilt Wasser aus und händigt Jausensackerln aus. Süßigkeiten und Nüsse finden sich darin. Keine Wurstsemmel, aber immerhin.

Das Display im Mittelgang zeigt 308 km/h. Das flache Land ist inzwischen einer Hügellandschaft gewichen. Sie ähnelt der Buckligen Welt in Niederösterreich - wenn nicht die vielen Kohlekraftwerke, Atommeiler und Megabaustellen wären, an denen der Zug vorbeiflitzt. Die Felder sind großteils abgeerntet. Organische Reste werden verbrannt, wie das vor 20, 30 Jahren in Österreich auch noch üblich war. Und immer wieder Bauern, die ihr Land mühsam mit Schlauch bewässern. Ein Kontrast zum Highspeed-Zug, wie er größer nicht sein könnte.

Die Lautsprecherstimme sagt: "Next stop ..." Der Rest geht unter. Ein Stadtnamen jedenfalls, der in unseren Breiten so geläufig ist wie Unterstinkenbrunn in China. Reisende steigen aus, neue steigen ein. Und dann die erste Unsicherheit. Ein reservierter Platz, wo ein Unbefugter sitzt, weil dessen Platz schon okkupiert ist. Die Schaffnerin spricht kein Englisch, der auf dem falschen Platz sitzende Westler nicht Mandarin.

Minutenlanges Studieren der Tickets ist die Folge. Bis schließlich ein beherzter Schaffner Improvisationstalent zeigt. Er weist dem neu zugestiegenen Gast einen anderen Fensterplatz zu.

Improvisationsschwäche

"Mit Improvisieren tun sich Chinesen noch immer sehr schwer", sagt nach der Ankunft in Schanghai ein Manager aus Österreich. "Früher war es noch schlimmer." Er könne das sagen, weil er seit vielen Jahren Geschäfte in China mache.

Als die Strecke zwischen Peking und Schanghai 2012 nach nur dreijähriger Bauzeit in Betrieb ging, brausten die Züge mit bis zu 380 km/h dahin. Wegen einer Senkung der großteils auf Stelzen errichteten Strecke im Yangtse-Delta wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 310 km/h reduziert.

"Weil dank der Tempodrosselung auch die Betriebskosten stark gesunken sind, wird aus dem Provisorium wohl ein Dauerzustand", vermutet ein Insider. (Günther Strobl aus Peking, DER STANDARD, 4.11.2013)