Kein Zweifel - wenn eine neue Regierung gebildet wird, geht es auch um Namen. Um Ablösekandidaten, um Wechselspekulationen und um Versuche ehrgeiziger Politiker, sich selbst ins Spiel zu bringen.

Die Medien, will heißen: Journalisten und ihre Chefs, beteiligen sich besonders gerne am Minister-Raten. Und zeigen dabei leider oft wenig Sach- oder Personenkenntnis.

Besonders oft wird derzeit Sebastian Kurz, der Staatssekretär für Integration, genannt - nämlich als "Zukunftsminister" oder als "Superminister".

Abgesehen davon, dass jedes Ministerium ein Zukunftsressort sein sollte, würde man den jungen Politiker stark überfordern. Ihn, wenn auch nur medial, in eine große Verantwortung zu drängen ist typisches Boulevard-Denken: Jemand hinaufloben, um sie oder ihn dann, nach ersten Fehlern, gleich wieder hinunterzuschreiben.

SPÖ und ÖVP haben wegen ihrer Verankerung in Landesregierungen, Kammern und anderen Institutionen immer noch eine (wenn auch sinkende) Zahl geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten. Bei den Grünen wächst die Schar kompetenter Sachpolitiker durch Regierungsbeteiligungen in den Ländern.

Wenn in Medien ohne Blick auf Führungsfähigkeiten oder ausgewiesene Berufserfolge Spitzenleute neuer Parteien gehypt und auch gleich für Regierungsämter genannt werden, sind Warnschilder aufzustellen. Und wenn sogar Leserinnen und Leser aufgerufen werden, Namen vorzuschlagen, dann hat der mediale Populismus über den Verstand der Redaktionen gesiegt.

Minister werden nicht gewählt, die Bevölkerung hat zu Recht keine Mitsprache bei ihrer Auswahl. Geschieht das trotzdem (wenn auch nur in einer Zeitung), wird die Demokratie für den Versuch von Auflagensteigerungen missbraucht.

Für mangelnde Kompetenz sorgen die Parteien bei ihren Nominierungen schon selbst. Ein Beispiel: Erinnern Sie sich noch an die Osttirolerin Verena Remler, die für die ÖVP einige Monate (von November 2010 bis April 2011) Staatssekretärin war? Österreich hat vor allem während der Regierungszeit Schüssel I unter der Inkompetenz von FPÖ-Ministern gelitten, weil die Haider-Partei fürs Regieren nicht vorbereitet war. Karin Miklautsch (Justiz), Elisabeth Sickinger (Soziales) oder Monika Forstinger (Verkehr) sind nur einige, die schnell wieder dorthin verschwanden, von wo sie kamen. Graue Mäuse.

Das Gegenteil, politische Courage zum Beispiel, ist unbestellbar. Wäre der (faktische) Kanzleramtsminister Josef Ostermayer so wie der Berliner Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele auf die Idee gekommen, in Moskau Edward Snowdon zu treffen, hätte die Regierung einen Coup gelandet. Das übliche Minister-Raten wäre von heftigen Auseinandersetzungen und Spekulationen überdeckt worden. Ostermayer hätte sich dadurch vielleicht als Außenminister qualifiziert. Denn die (mediale) Schaltfigur im Kanzleramt zu attackieren, das würde der Boulevard sich wohl eher nicht getrauen. Regierungsinserate sind wichtiger als politischer Diskurs. (GERFRIED SPERL, DER STANDARD, 4.11.2013)