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Proteste von Morsi-Anhängern. Der Vier-Finger-Salut symbolisiert die Anzahl der Todesopfer, die die Räumung des Protestcamps vor der Moschee Rabaa al-Adawiya durch das Militär gefordert hat.

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Der Morsi-Prozess wird streng bewacht.

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US-Außenminister John Kerry war am Sonntag zu einem Kurzbesuch in Kairo - hier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ägyptens Außenminister Nabil Fahmy.

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Nach einem turbulenten Prozessbeginn hat der Richter das Verfahren gegen den ägyptischen Ex-Präsidenten Mohammed Morsi auf Beginn des kommenden Jahres vertagt. Der Prozess werde am 8. Jänner fortgesetzt, meldete der Nachrichtensender Al-Arabiya. Zum Auftakt hatten die Angeklagten Parolen gegen das Gericht und die Militärs gerufen. Morsi selbst hatte nach Berichten von Augenzeugen ausgerufen: "Nieder mit der Militärherrschaft." Außerdem soll er auch Folgendes von sich gegeben haben: "Ich bin der legitime Präsident von Ägypten, und ich bitte das Gericht, diese Farce hier zu beenden." Daraufhin unterbrach der Richter das Verfahren für rund eine Stunde, um es danach auf Jänner zu vertagen. Wie aus Gerichtskreisen verlautete, sollten die Angeklagten in das Kairoer Tora-Gefängnis gebracht werden.

Ein staatlicher Fernsehkanal berichtete während der Unterbrechung, die Anhörung werde erst wieder aufgenommen, wenn Morsi bereit sei, seine Gefängniskleidung zu tragen. Nach Angaben des Staatsfernsehens kam es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Verteidigern und einigen Prozessbeobachtern. Morsi und 14 Mitangeklagte der islamistischen Muslimbruderschaft müssen sich wegen Anstiftung zur Gewalt verantworten.

Morsi wurde Montagmorgen per Helikopter zum Behelfsgerichtssaal in einer Polizeiakademie gebracht. Die anderen Funktionäre der inzwischen verbotenen Muslimbruderschaft brachte die Polizei in gepanzerten Fahrzeugen zum Gericht. Hunderte von Anhängern der entmachteten Islamisten protestierten in der Früh vor der Polizeiakademie. Ein Demonstrant trug ein Transparent mit der Aufschrift "Vergewaltigung des Willens des Volkes".

Passanten attackieren Morsi-Anhänger

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen griffen Passanten Morsi-Anhänger an, die vor dem Verfassungsgericht in Kairo gegen den Prozess protestierten. Der Nachrichtensender Al-Arabiya meldete, Pro-Morsi-Demonstranten seien auf eine zum Sender gehörende Reporterin losgegangen.

Nach Massenkundgebungen am 30. Juni hatte die Armee den ersten freigewählten Präsidenten Ägyptens entmachtet. Seither wird er an einem unbekannten Ort festgehalten.

Mursi polis akademisine getirildi İLK KEZ HAKİM KARŞISINDA http://t.co/xI2KBxDVG9 #Mısır #Mursi pic.twitter.com/JZiTg3I2hj

— TIMETURK Son Dakika (@timeturk_sondak) November 4, 2013

Der gestürzte Präsident und 14 Mitangeklagte aus der Führungsspitze der Muslimbrüder müssen sich für die Ereignisse am 5. Dezember 2012 verantworten. Damals demonstrierten hunderttausende vor seinem Palast in Heliopolis gegen eine umstrittene Verfassungserklärung des Präsidenten. Es kam zu blutigen Zusammenstößen mit mindestens sieben Toten. Morsi wird Anstiftung zum Mord vorgeworfen. Seine Gegner gaben die Schuld an der Gewalt damals Schlägertruppen der Muslimbrüder.

Wir sind vor dem #Mursi-Gerichtsaal in der #Kairoer Polizeiakademie angekommen. Ein riesiger Medien-Zirkus http://t.co/LsfzaJtmO0

— Karim El-Gawhary (@Gawhary) November 4, 2013

Morsi anerkennt das Gericht nicht. Er beharrt darauf, das rechtmäßig gewählte Staatsoberhaupt zu sein, was auch von einzelnen Juristen vertreten wird, die den Muslimbrüdern nicht nahestehen. Morsi hat deshalb bei seinen Befragungen geschwiegen und konsequenterweise auch keine Anwälte beauftragt, ihn offiziell zu verteidigen.

Der Prozess findet in einer politisch aufgeladenen Atmosphäre statt. Seit der Entmachtung des Präsidenten und der Auflösung der Pro-Morsi-Camps Mitte August sind mehr als tausend Menschen ums Leben gekommen. Mehrere tausend Islamisten sind verhaftet, die Organisation der Muslimbrüder in erster Instanz verboten worden. Ihre täglichen Proteste für Morsis Rückkehr sind weniger geworden, haben aber nicht aufgehört. Mit dem Prozess gegen Morsi hofft das Regime in erster Linie eine juristische Rechtfertigung für die Entmachtung der Muslimbrüder zu erhalten.

Ort des Mubarak-Prozesses

Zum Gerichtssaal wurde die Aula einer Polizeischule umfunktioniert, wo im August 2011 auch der Prozess gegen Morsis Vorgänger Hosni Mubarak stattfand. Sie ist quasi ein Annex zum Tora-Gefängniskomplex in Maadi, einem südlichen Vorort Kairos. Dort sitzen die meisten der zuletzt verhafteten Muslimbrüder ein. Nach Protestaufrufen der Morsi-Anhänger wurden 20.000 Sicherheitskräfte aufgeboten - ein Mehrfaches dessen, was beim Mubarak-Prozess aufgeboten wurde.

Einen Tag vor dem angesetzten Prozessbeginn absolvierte US-Außenminister John Kerry am Sonntag einen Blitzbesuch in Kairo. Er hatte buchstäblich in letzter Minute Ägypten ins Programm seiner Nahosttour aufgenommen und traf unter anderem mit Übergangspräsident Adly Mansur und dem Militärchef und Verteidigungsminister Abdel Fattah al-Sisi zusammen. Begegnungen mit Vertretern der Muslimbrüder standen nicht auf dem Programm. Kerry versicherte, die USA würden mit der Übergangsführung zusammenarbeiten. In einer Pressekonferenz mit seinem ägyptischen Amtskollegen Nabil Fahmi erklärte er, man sei sich einig, dass die Prozesse fair sein müssen und die Gewalt gestoppt werden müsse. (Astrid Frefel aus Kairo/APA/Reuters, DER STANDARD, 4.11.2013)