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Im Vorfeld der Spiele von Sochi 2014 skizziert derStandard.at in einer mehrteiligen Artikelserie die Geschichte des österreichischen Eishockey-Nationalteams bei Olympischen Spielen.

Originalbild: APA/Schneider

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Österreichs Mannschaft vor seiner ersten Partie bei Olympischen Spielen am 11. Februar 1928 gegen die Schweiz.

Foto: Archiv des ÖEHV

Originaltext des Gelöbnisses, das die Mitglieder des erweiterten Olympiakaders zu Beginn der Vorbereitung vor ÖEHV-Präsident Alfred Schwarz ablegen mussten.

Foto: Der Eishockeysport vom 10.11.1927

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Das Eisstadion Badrutts Park, Austragungsort der Olympischen Eishockeybewerbe 1928.

Foto: Schweizerisches Olympisches Comité/Archiv

Das Eishockey, wohlgemerkt in seiner kanadischen Form und nicht jener des damals in Europa gebräuchlicheren Bandys, wurde im Rahmen des VI. Olympischen Kongresses in Paris im Juni 1914 in den Kreis der olympischen Sportarten aufgenommen. Da wenige Wochen später der Erste Weltkrieg ausbrach, dauerte es bis ins Jahr 1920, als in Antwerpen erstmals Eishockey in olympischem Rahmen gespielt wurde: Als zweite Wintersportart neben dem Eiskunstlauf stand das Spiel mit der Scheibe im Programm der Sommerspiele, die sich über den Zeitraum von April bis September erstreckten.

Teil der Winterspiele wurde das Eishockey 1924, als in Chamonix die "Internationale Wintersportwoche" abgehalten wurde, welcher das Internationale Olympische Komitee (IOC) zwei Jahre später rückwirkend den Status der ersten Olympischen Winterspiele zusprach. Der Österreichische Eishockeyverband verzichtete offiziell aus finanziellen Gründen auf die Teilnahme, allerdings dürften auch sportliche Überlegungen eine wesentliche Rolle gespielt haben. Denn in der jungen Republik war erst im vorangegangenen Winter die endgültige Umstellung vom Bandy zum Eishockey vollzogen worden, sodass die Erfolgsaussichten für das Turnier in Chamonix sehr beschränkt waren.

Umfangreiche Vorbereitung

Zur ersten Teilnahme der österreichischen Nationalmannschaft an Olympischen Spielen kam es folglich erst 1928 in Sankt Moritz, mitten in einer Phase des raschen und steilen Aufstiegs des rot-weiß-roten Eishockeys. Ein Jahr zuvor kürte sich Österreich, begünstigt durch Heimvorteil und die Abwesenheit einiger der führenden Nationen dieser Zeit, in Wien zum Europameister.

Entsprechend hoch waren die Erwartungen im Vorfeld des Turniers in der Schweiz, zumal der österreichische Verband ein für damalige Verhältnisse umfangreiches und ausgereiftes Vorbereitungsprogramm zusammenstellte. Bereits ab Mitte Oktober traf sich der erweiterte, rund 20 Spieler umfassende Kader drei Mal wöchentlich, um unter der Leitung des extra von der Deutschen Hochschule für Leibesübungen verpflichteten Max Sorg die konditionellen Grundlagen für die Olympiasaison zu legen. Verbandskapitän Edgar Dietrichstein wurde bereits drei Monate vor Beginn der Spiele nach Sankt Moritz entsandt, um ein passendes Quartier auszuwählen, beim Turnier selbst stand dem Team erstmals ein eigener Masseur zur Verfügung. Einziges Manko im Vorfeld des olympischen Bewerbs: Weder der Architekt des Europameistertitels von 1927, der Kanadier Gordon Dempsey, noch ein anderer Stratege aus Nordamerika konnten als Trainer gewonnen werden.

Eine Wiener Angelegenheit

Bereits im Zuge der herbstlichen Trainingseinheiten legten die Kandidaten für einen Platz im Olympiateam ein bemerkenswertes Gelöbnis hinsichtlich sportlicher Lebensführung (siehe Faksimile links) vor Verbandspräsident Alfred Schwarz ab. Im weiteren Saisonverlauf wurde der Kader dann sukzessive verkleinert, drei Wochen vor Beginn der Olympischen Winterspiele nahm letztlich die höchstzulässige Anzahl von zwölf Spielern das gemeinsame Eistraining auf. Dem Entwicklungsstand des österreichischen Eishockeys zu dieser Zeit - Wien als Hochburg, noch eher zaghafte und von niedrigem Organisationsgrad gekennzeichnete Versuche in den Bundesländern - entsprechend setzte sich das Team vornehmlich aus Akteuren aus den Reihen der Hauptstadtklubs zusammen: Zehn der zwölf Cracks spielten beim Wiener EV oder Pötzleinsdorfer SK, dazu kamen Ersatztormann Johann Kail aus Stockerau und Legionär Herbert Brück vom Berliner Schlittschuh-Club.

Der Kern der Mannschaft war bereits gut eingespielt und aufeinander abgestimmt, drei Viertel der einberufenen Spieler hatten im Jahr zuvor gemeinsam die Europameisterschaft gewonnen. Anfang Februar nahm also eine durchaus optimistisch gestimmte österreichische Delegation die 21stündige Zugreise nach Sankt Moritz in Angriff.

Antike Regeln

Wie sehr sich das Eishockey vor 85 Jahren von jenem der Gegenwart unterschied, dokumentiert ein Blick auf das Regelwerk des olympischen Turniers von 1928: Gespielt wurde drei Mal 15 Minuten, erstmals bei einem internationalen Bewerb waren Goalies in ihrer Bewegungsfreiheit uneingeschränkt und durften im Tor nun auch auf die Knie gehen, zudem feierte die Gliederung des Spielfeldes in drei gleich große Zonen ihre Premiere. Gewechselt wurde während einer Partie kaum, Österreich kam bei seinen beiden Olympiaauftritten in Sankt Moritz mit sieben bzw. acht Feldspielern aus. Anders als in späteren Jahrzehnten noch gänzlich außer Diskussion stand die Bestimmung, dass sämtliche teilnehmende Akteure reine Amateure sein mussten.

Durchaus für Kontroversen sorgte hingegen der Modus: Die Auslosung der Gruppen fand erst drei Tage vor dem Turnierauftakt statt, noch während des laufenden Bewerbs waren die Reihungskriterien - Tordifferenz oder Anzahl erzielter Treffer - unklar. Zusätzlich beeinflussten Föhnwinde und das daraus resultierende Tauwetter den Spielplan, die Veranstalter entschieden sich nach absolvierter Vorrunde dafür, die Platzierungsrunde zu streichen, sodass Österreich bei seiner ersten Olympiateilnahme letztlich nur zwei Spiele bestreiten durfte.

Mit Rückenwind zum Premierentor

Eröffnet wurden die II. Olympischen Winterspiele am Samstag, dem 11. Februar, der entsprechenden Zeremonie wohnten aufgrund hoher Kartenpreise jedoch nur einige hundert Besucher bei. Direkt im Anschluss an die Feier startete das Eishockeyturnier mit dem ersten Auftritt der rot-weiß-roten Nationalmannschaft gegen das Team der Veranstalternation Schweiz. Dabei erwischten die Gastgeber einen Traumstart und gingen bereits in der ersten Minute mit 1:0 in Führung. Doch begünstigt durch böigen Rückenwind gelangen Österreich zwischen der vierten und achten Spielminute gleich vier Treffer. Sowohl Ulrich Lederer, ein Jahr zuvor bereits erfolgreichster Goalgetter beim EM-Triumph, als auch der 22jährige WEV-Stürmer Josef Göbl trafen im Doppelpack, letzterer ging somit als erster österreichischer Torschütze in die Olympiageschichte ein.

Die komfortable 4:1-Führung nach gut acht Minuten reichte jedoch nicht, mit Fortdauer des Spiels zogen die Eidgenossen zunehmend größere Vorteile aus ihrer konditionellen Überlegenheit. Wiener Medien kritisierten nach dem Spiel auch die taktische Umstellung im zweiten Drittel, als Österreich mit drei Stürmern spielte, was als zu offensiv angesehen wurde, galt der Center in der damaligen Zeit doch eher als eine Art Mittelfeldspieler. Drei Minuten vor dem Ende konnten die Gastgeber ausgleichen, im ersten Spiel seiner Historie bei Olympischen Spielen trennte sich das Team Austria von der Schweiz mit 4:4.

46 Jahre alt und unüberwindbar

Schon am folgenden Tag musste Österreich wieder aufs Eis, im zweiten und letzten Vorrundenspiel innerhalb der aus drei Teams bestehenden Gruppe war Deutschland der Gegner. Die Nationalmannschaft präsentierte sich dabei als der Auswahl aus dem Nachbarland spielerisch wie technisch deutlich überlegen, scheiterte jedoch ein ums andere Mal am Torhüter der Deutschen, Alfred Steinke. Dieser hatte bereits 1910, damals noch als Stürmer, an der ersten jemals ausgetragenen Europameisterschaft teilgenommen, bei den Olympischen Spielen von Sankt Moritz gab er als mittlerweile 46jähriger den für Österreich unüberwindbaren Schlussmann. Doch auch mit der harten Gangart der Deutschen kam das Team rund um Kapitän Ulrich Lederer nicht zurecht, sodass es nach 45 Minuten nur zu einem torlosen Unentschieden reichte.

"Sehr sanft spielten unsere Brüder aus dem Reiche auch nicht, so dass das Resultat bei der körperlichen Unterlegenheit unserer Mannschaft nicht ganz ungerechtfertigt erscheinen mag", hieß es in der Spielkritik in der vom ÖEHV herausgegebenen Zeitung wenige Tage später.

Ungeschlagen ausgeschieden

Da die Schweiz im abschließenden Gruppenspiel gegen Deutschland dank eines Treffers des erst 16jährigen Richard Torriani, einem späteren "Hall of Fame"-Mitglied, mit 1:0 die Oberhand behielt, verpasste Österreich den Aufstieg in die Finalrunde. Platzierungsspiele fielen dem Tauwetter zum Opfer, also musste die rot-weiß-rote Auswahl nach nur zwei Begegnungen, ungeschlagen und im Gesamtklassement auf Rang sieben gereiht die Heimreise antreten.

Das Fazit zur ersten Olympiateilnahme fiel ambivalent aus. Einerseits konnten sowohl gegen die Schweiz als auch gegen Deutschland in Turnieren im Zeichen der fünf Ringe bis heute nie wieder Punktgewinne gefeiert werden. Andererseits erzielte Österreich alle seine vier Treffer binnen fünf Minuten und fand sonst kein Rezept für durchschlagenden Erfolg in der Offensive. Zeitgenössische Einschätzungen führten vor allem die Sankt Moritzer Höhenluft als Grund für das letztlich eher enttäuschende Abschneiden ins Feld. Eine frühere Anreise und Testspiele vor Ort wären, so die einhellige Meinung in den damaligen Tageszeitungen, der Akklimatisierung zuträglich gewesen, immerhin trennen den Schweizer Olympiaort und die Bundeshauptstadt Wien, wo der Großteil der Kaderspieler aktiv war, gut 1600 Höhenmeter.

Trainersuche

Im ÖEHV selbst sah man das schwache Abschneiden auch darin begründet, dass - anders als etwa beim Gewinn der Europameisterschaft ein Jahr zuvor - kein erfahrener, nordamerikanischer Trainer zur Verfügung stand, um die taktische Marschroute vorzugeben. Schon in Sankt Moritz führte man daher Gespräche mit potenziellen Kandidaten für die zukünftige Besetzung dieses Amtes. Einigen konnte man sich wenige Wochen später mit dem Kanadier Joe Sullivan. Der Torhüter des Olympiasiegers war im gesamten Turnierverlauf ohne Gegentreffer geblieben und gastierte nach den Winterspielen mit seiner Mannschaft, betreut vom legendären Conn Smythe, für ein Freundschaftsspiel in Wien. Dieses verlor Österreich zwar gleich mit 0:13, im Anschluss an die Partie konnte man sich mit Sullivan jedoch auf eine Zusammenarbeit ab der folgenden Saison einigen. Dem Vernehmen nach war es allerdings mehr der gute Ruf der medizinischen Ausbildungseinrichtungen Wiens und weniger das Niveau des hiesigen Eishockeys, das den angehenden Arzt zur Zusage bewog.

Sullivan, der später 28 Jahre lang als konservativer Senator im kanadischen Parlament saß, kam jedoch nie nach Österreich, noch bevor er im Herbst 1928 sein Amt als Nationaltrainer antreten sollte, zog er aus familiären Gründen zurück. Teamchef wurde mit Gordon Dempsey ein alter Bekannter, unter ihm und seinen Nachfolgern Blake Watson und Hans Weinberger holte Rot-Weiß-Rot bis 1933 alljährlich EM- oder WM-Medaillen. In sieben aufeinanderfolgenden Jahren ab 1927 blieb Österreich also nur bei den Olympischen Spielen 1928 ohne internationales Edelmetall. (Hannes Biedermann; derStandard.at; 4.11.2013)