Bild nicht mehr verfügbar.

Das nordkoreanische Tablet Samjiyon SA-70 bietet mehr, als Tester erwartet hatten.

Foto: AP

Nordkoreas neues Tablet bekam nicht ganz so viel Aufmerksamkeit wie das iPad Air – die fünfte Generation des Marktführers von Apple. Doch das Samjiyon SA-70, dieses Jahr von Nordkoreas staatlicher Computerbehörde auf den Markt gebracht, könnte sich ebenfalls als gefragtes Produkt herausstellen – zumindest in einer bestimmten Zielgruppe.

Nordkoreas aufstrebende Tablet-Industrie machte zum ersten Mal im vergangenen Jahr international Schlagzeilen, nachdem der Journalist Martyn Williams in seinem Blog North Korea Tech über ein Tablet berichtete, das auf Messen auftauchte.

Doch die Berichte warfen vor allem Fragen auf: Taugen die etwas? Woher kommen sie? Welches ist das beste Modell? Wie hoch ist die Bildschirmauflösung? Nordkorea hat seinen Walt Mossberg noch nicht gefunden – aber Rüdiger Frank, Professor an der Universität Wien, übernimmt die Rolle gerne.

Vergangene Woche veröffentlichte der Koreaexperte und regelmäßige Besucher der Diktatur im Norden der Halbinsel eine Produktrezension des Samjiyon SA-70, die in interessierten Kreisen große Aufmerksamkeit genoss.

Man sollte an dieser Stelle erwähnen, dass es sich um einen ernsthaften Produkttest handelt – nicht unbedingt selbstverständlich bei einem Tablet aus Nordkorea. Tatsächlich stellte sich das Samjiyon-Gerät als funktionierendes Tablet heraus, das zwar nicht auf iPad-Niveau mitspielt, aber auch keine Peinlichkeit ist. Mit einem Preis von 180 Euro ist das Gerät außerdem ein echtes Schnäppchen – das iPad Air beginnt ab 479 Euro.

Mehr als erwartet

Am Ende gibt Frank dem Tablet ein "Daumen hoch": "Nach einigen Tagen intensiver Nutzung kann ich sagen, dass es sich wirklich um einen der seltenen Momente in meinem Leben als Verbraucher handelt, in dem ich mehr für mein Geld bekommen habe als zunächst erwartet."

Dann führt Frank, der ein iPad 4 und ein Nexus 7 von Google besitzt, auf 16 Seiten die technischen Spezifikationen des Geräts aus und beschreibt die Fähigkeiten der Software. Tatsächlich bietet das Tablet eine große Auswahl an Apps – 488 sind laut der Zählung des Professors vorinstalliert.

Darunter befinden sich Spiele wie "Angry Birds", ein "voll funktionsfähiges" Microsoft-Office-Paket, ein Programm zum Lesen von PDF-Dateien und ein Musikspieler. Microsoft wollte sich nicht dazu äußern, dass die Software des Unternehmens offenbar auf dem Gerät vorinstalliert ist. Auch eine Siri-artige Spracherkennung und eine großzügig ausgestattete virtuelle Bibliothek ist vorhanden – von Wörterbüchern (laut Frank von hoher Qualität) über Enzyklopädien ("recht hohes Niveau") bis zu E-Books. Besonders groß ist natürlich die Auswahl an Büchern des geliebten Führers Kim Il Sung – aber Charles Dickens, Victor Hugo und Balzac sind auch vertreten.

Keine Internet-Verbindung

Das Samjiyon-Tablet, schreibt Frank in seinem Fazit, sei ein "bemerkenswertes Gerät" und "ungemein nützlich" für jeden, der das Land verstehen will. Dem Koreaexperten zufolge kann sich das Tablet allerdings nicht mit dem Internet verbinden. Auch wenn das Gerät eigentlich darauf ausgelegt ist, zumindest mit dem abgeschotteten Intranet in Nordkorea verbunden zu werden, gelang dem Wiener Professor auch das nicht. Als Ausländer allerdings, schreibt er, hätte er ohnehin nicht das Recht dazu.

Dass Nordkorea ein solches Gerät überhaupt entwickelt und verkaufen kann, ruft die technischen Fähigkeiten des Landes in Erinnerung, dass immerhin genug Expertise entwickelt hat, um eine stets präsente Bedrohung für Regierungs-Webseiten in Südkorea zu sein – eines der technisch fortschrittlichsten und am stärksten vernetzten Länder auf der Welt.

Es zeigt auch, dass Nordkorea – trotz aller ökonomischen Leiden und Menschenrechtsverletzungen in der Diktatur – eine kleine Elite mit reichlich verfügbarem Einkommen und einen Appetit für neueste Technik besitzt. "Die Existenz dieses Tablets ändert nicht im mindesten den Fakt, dass die DPRK [die englische Abkürzung für die Demokratische Volksrepublik Korea, der offizielle Name von Nordkorea] für viele Leute ein Land schwerer körperlicher Arbeit und eines einfachen Lebensstandards ist", schreibt Frank in der Rezension.

Tablet für die Elite

"Das Tablet ist nicht einfach ein weiteres Spielzeug für eine typische Konsumgesellschaft", schreibt er. "Es ist ein nützliches und unterhaltendes Gerät für eine Minderheit in einem totalitären System mit einer alles beherrschenden Ideologie."

In einem Telefongespräch sagte Frank, dass er das Tablet noch immer intensiv nutze – auch wenn das iPad immer noch sein Alltags-Tablet sei. "Der größte Nachteil für einen Kunden aus dem Westen ist die Tatsache, dass man sich nicht mit dem Internet verbinden kann. Für alles andere aber, ist es ziemlich gut", sagte er. "Ich war von der Ausgereiftheit der Software beeindruckt." (Jonathan Cheng, wsj.de/derStandard.at, 4.11.2013)