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Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst gab in Limburg das Geld mit beiden Händen aus. Die Frage nach der Armut der Kirche stellt sich auch für hiesige Bischöfe auf ihrer derzeitigen Konferenz.

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Kurt Remele: Unbequeme Texte wurden durch konsequente Ignoranz verhüllt.

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In seiner 1994 posthum veröffentlichten Abhandlung über die katholische Soziallehre berichtet der US-amerikanische Jesuitenpater Philip Land von einer heftigen Auseinandersetzung mit einem hochangesehenen Kardinal. Land war promovierter Ökonom und einer der führenden kirchlichen Fachleute für Entwicklungspolitik. Er lehrte an der Päpstlichen Universität Gregoriana und war federführend an der Ausarbeitung eines Dokuments über christlichen Glauben und soziale Gerechtigkeit beteiligt, das von der Römischen Bischofssynode 1971 verabschiedet wurde.

Lands Entwurf des Synodentextes enthielt unter anderem folgende Aussage: "Die Kirche sollte nicht von sozialer Gerechtigkeit reden, wenn sie nicht selbst als gerecht erscheint." Als Pater Land diesen Satz vor vatikanischen VIPs vortrug, erhob besagter Kardinal seine Stimme und stellte fest, dass es in der Kirche keine Ungerechtigkeiten gebe. Worauf Land erwiderte: "Eminenz, wenn wir nicht ehrlich zugeben können, dass es in der Kirche Ungerechtigkeiten gibt, wäre es besser, wir würden kein solches Dokument verfassen."

"De justitia ...

Das offizielle Abschlussdokument der Römischen Bischofssynode von 1971, das den Namen De justitia in mundo ("Über die Gerechtigkeit in der Welt" ) trägt, enthält nicht nur die genannte Textstelle aus Lands Entwurf, sondern benennt ganz offen konkrete kirchliche Ungerechtigkeiten: die Einschränkung des Rechts auf Meinungs- und Gedankenfreiheit, die Diskriminierung der Frauen und die Anhäufung kirchlichen Reichtums in einer Welt, in der die Armut zunimmt. Die Bischöfe rufen zu einer Gewissenserforschung auf, die in besonderer Weise sie selbst betrifft: "Wer immer sich anmaßt, zu den Menschen über soziale Gerechtigkeit zu sprechen, muss zuerst von ihnen als gerecht angesehen werden. Darum ist unser eigenes Verhalten, unser Besitz und unser Lebensstil in der Kirche einer genauen Prüfung zu unterziehen."

Die Bischöfe verordnen der Kirche und damit sich selbst "Enthaltsamkeit im Gebrauch der irdischen Dinge" und fordern einen bescheidenen Lebensstil, der klar darauf hinweist, "dass das Evangelium den Armen verkündet wird". Die Amtsträger der Kirche dürften nicht den Eindruck erwecken, sie hielten es mit den Reichen und Mächtigen. Sie werden vielmehr aufgefordert, ihr Gewissen dahingehend zu erforschen, ob ihr eigener Lebensstil das Vorbild jenes Konsumverzichts und jener Umverteilung ist, die sie anderen predigen.

"... in mundo"

Der in De justitia in mundo vorherrschende skeptische Blick auf kirchliche Schätze und klerikales Standesdenken erinnert an die Warnungen Jesu vor materiellem Reichtum und an seine kritische Haltung gegenüber jenen religiösen Lehrern, "die die Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang" machen und die bei Festmählern die Ehrenplätze einnehmen. Die in dem Dokument deutlich artikulierte Selbstkritik nimmt zudem jene Forderungen nach Verzicht auf Hofgehabe und Luxus, Prunk und Pomp vorweg, die Papst Franziskus seit seinem Amtsantritt wiederholt eingemahnt hat.

Wie wir alle wissen, geriet das Anliegen des ersten lateinamerikanischen Papstes, dem katholischen Klerus einen bescheideneren Lebensstil nahezulegen, in Konflikt mit dem Anliegen des Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst, den Luxus seiner bischöflichen Amtsbrüder in architektonischer und einrichtungsmäßiger Hinsicht zu übertreffen. Wie die umfangreichen Recherchen zuletzt demonstrierten, hat der inzwischen suspendierte Limburger Oberhirte zwar unklug und unehrlich gehandelt. Er ist aber bei weitem nicht der Einzige unter den deutschsprachigen Bischöfen und Erzbischöfen, Pröpsten und Prälaten, dessen Vermögen und Lebensstil, Automodell und Wohnambiente sich gravierend von jenem der durchschnittlichen Kirchenbeitragszahler unterscheidet. Und er ist bei weitem nicht der einzige Amtsträger, dessen Lebenspraxis den im Synodendokument De justitia in mundo dargelegten Vorgaben widerspricht.

Speise und Trank, Kleidung und Wohnung für Bedürftige

Weder die Bischöfe noch die ihnen emsig zur Seite stehenden diözesanen Wirtschaftsdirektoren haben De justitia in mundo in den vergangenen Wochen jemals erwähnt, ganz im Gegenteil: Auf ähnliche Weise, wie die Kirche in der Fastenzeit dieses Jahres zentrale Symbole des christlichen Glaubens im öffentlichen Raum mit gelben Planen verhüllt hat, so werden jetzt unbequeme Texte der kirchenamtlichen Glaubensverkündigung durch konsequente Ignoranz verhüllt: nicht nur De justitia in mundo, sondern auch Sollicitudo rei socialis, die Sozialenzyklika Johannes Pauls II. aus dem Jahre 1987.

Darin findet sich eine ziemlich eindeutige päpstliche Anweisung, was mit Sakralgegenständen in den Schatzkammern der Bischöfe und Sakristeien der Pfarren geschehen sollte: "Angesichts von Notfällen kann man nicht einen Überfluss an Kirchenschmuck und kostbare Geräte für die Liturgie vorziehen; im Gegenteil, es könnte verpflichtend sein, solche Güter zu veräußern, um den Bedürftigen dafür Speise und Trank, Kleidung und Wohnung zu geben." (Kurt Remele, DER STANDARD, 5.11.2013)