Pro
Von Regina Bruckner
In Schweden ist der Einkommensstrip selbstverständlich. Skatteverket, das schwedische Finanzamt, weiß alles und sagt auch fast alles weiter. Jeder, der will, kann jede beliebige Information über seine Mitbürger und Mitbürgerinnen abfragen. Anruf genügt. Die Schweden nützen das - so hört man - fleißig. Tratscht der Österreicher sonst auch gerne, zeigt er sich beim Gehaltszettel zugeknöpft. Fragt sich nur, was es da zu verbergen gibt. Peinliche, weil nicht zu rechtfertigende Verdienstunterschiede zwischen Weiblein und Männlein, Gehaltsexzesse in den Chefetagen oder Hungerlöhne beim Fußvolk, über oder unter Marktwert bezahlte Mitarbeiter? Für die Psychohygiene aller Beteiligten empfiehlt es sich, das alles lustvoll auszuschlachten und heftig zu diskutieren. Sicher ruft das den einen oder anderen Neidhammel auf den Plan, auch die sonst so kühlen Schweden zerreißen sich in dieser Sache gerne das Maul. Trotzdem: Transparenz beugt Regelbruch und Diskriminierung vor. Wer sich traut zu sagen, das wolle er nicht, trete vor.
Kontra
Von Ronald Pohl
Was jemand wie ich für die Allgemeinheit leistet, ist in Wahrheit nicht in Gold aufzuwiegen. Mein Redakteursgehalt steht nicht zur Debatte. Ich eile durch die lichtdurchfluteten Flure dieser Zeitung, ein Lächeln spielt auf meinen Zügen. Kollegen beiderlei Geschlechts winken mir zu, ein paar besonders Spitzbübische werfen Kusshände. Ich weiß, was sie einander zuflüstern: Da kommt er, der Tausendsassa. Schaut ihn euch an! Was er heute wohl wieder schreiben mag? Er hat soeben an seinem Louis-Quinze-Schreibtisch Platz genommen. Die Sekretärin setzt ihm eine Tasse duftenden Kaffees vor, ihr karminroter Lippenstift harmoniert prächtig mit ihrer Seidenbluse. Er betrachtet versonnen das Rauchfähnchen, das aus dem Porzellan emporsteigt.
Da, ein Einfall versetzt seine Stirn in Bewegung. Die Finger zucken kurz, er schraubt am Verschluss seiner Füllfeder. Er notiert: "Werde den Araberhengst nun doch käuflich erwerben!" Verstehen Sie jetzt, dass ich über mein Gehalt nur sehr ungern rede? (Rondo, DER STANDARD, 8.11.2013)