Das Paradies ist am Ende, und  Schuld daran ist Weibsvolk. Handstreichartig hat es das Land genommen, ja, an sich gerissen. Jetzt macht es sich breit, mit seinem unerhörten Anspruch auf offensive Selbstverwirklichung. Ein Affront, auf den mit aller Härte geantwortet werden muss, wenn man das Verderben abwenden will. Denn alle Veränderung ist Untergang, bedeutet Verlust der Ehre, und die ist männlich.

Zwei Geschlechterwelten prallen in Jane Campions Krimimysteryserie "Top of the Lake" aneinander, wie sie unversöhnlicher nicht sein könnten: Das Mädchen Tui (Jacqueline Joe), gerade zwölf Jahre, ist nach Missbrauch schwanger. Vater unbekannt, Tui schweigt.

Foto:See-Saw Films / Arte

Finden will ihn Robin Griffin (Elisabeth Moss), zufällig am Ort des Geschehens, weil sie ihre krebskranke Mutter besucht.  Die junge Polizistin trifft im Kommissariat auf einen Männerverein voller dummdreister Machos.

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Die Ermittlungen führen sie zu Tuis Vater Matt (großartig: Peter Mullan) und dessen gesetzlosem Rudel, die wie Wölfe umherstreunen und ihr Revier sichern.

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Tui sucht Kontakt bei GJ (Holly Hunter), Hohepriesterin des Weiblichen, die um sich eine Schar traumatisierter Frauen sammelt, die in bedingungslosem Bekenntnis zu uferloser Esoterik ihrer exzentrischen Anführerin überall hin folgen.

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Zwanzig Jahre nach Campions Oscar-Film "The Piano" arbeitet sich die neuseeländische Regisseurin in ihrer zweiten Fernsehserie ein weiteres Mal an der Sprachlosigkeit zwischen den Geschlechtern ab. Sie drapiert um einen rätselhaften Kriminalfall ein geheimnisvolles Ensemble vor der betörend schönen Kulisse Neuseelands, voll von goldgelben Getreidefeldern, tannengrünen Hügelketten und pechschwarzen Wasserwelten.

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Die Grundstimmung von Top of the Lake ist dunkelblau und nicht das einzige Zitat aus Twin Peaks. Da ist Hunter, die wie einst David Lynchs Locklady in sanftem Irrsinn ihre Selbstbefreiung zelebriert, indem sie unverständliche Weisheiten verkündet. Oder Matt, der mit seinen Söhnen ein Schreckensregime führt wie einst der üble Leo Johnson. Schließlich die Frauen im Camp, die zwanghaft Probleme wälzen müssen, von Penisgrößen und Beziehungsproblemen mit Haustieren. Das Augenzwinkern tut gut, denn eigentlich kämpfen alle Frauen hier mit einem Trauma, ausgelöst durch gewalttätige Männer.

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Anders als Lynch vor 23 Jahren driftet Campion aber nicht ins Absurde ab, sondern bleibt am Kriminalfall, der immer tiefere Gräben aufreißt. Mit den ganzen Möglichkeiten des Seriellen bespielt sie das Schlachtfeld der Gefühle auf beiden Seiten. Am Ende fehlt der Kitt zum Reparieren.

Arte zeigt diesen und nächsten Donnerstag jeweils drei Folgen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 5.11.2013)

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