Wie das Coax One vorführt, werden E-Bikes künftig mehr oder weniger so aussehen wie bisherige Fahrräder. Die Hersteller bemühen sich, die Antriebstechnik möglichst gut zu verstecken.

Foto: Ressel Antriebstechnik
Foto: Ressel Antriebstechnik

Das Interesse an Fahrrädern war immer da. Man hat daran herumgebastelt, sie getunt. Es war ein Hobby, über viele Jahre hinweg. Sieben Fahrräder habe er damals gehabt, erinnert sich Stefan Stöckl. "Ich glaube, dass es keinen Jugendlichen gibt, der nicht gerne Fahrrad fährt."

Heute ist Stefan Stöckl Cheftechniker und Geschäftsführer eines Wiener Start-ups, das Antriebstechnik für E-Bikes entwickelt. Im vergangenen August gründete er mit weiteren fünf ähnlich radbegeisterten Kollegen die Ressel Antriebstechnik. Der Firmenname zeugt vom Ehrgeiz der Gründer. So wie Josef Ressel mit seiner Antriebsschraube die Schifffahrt revolutionierte, wollen die Jungunternehmer den Trend in Richtung E-Bikes aufmischen. Nur wollen sie erfolgreicher sein, als der vom Pech verfolgte böhmisch-österreichische Schiffsschraubenerfinder.

Angefangen hat alles im Jahr 2009 mit einem "krassen Downhillbike", wie es Ali Dastrandj, CEO des jungen Unternehmens, ausdrückt. Das Zwischending aus Motocrossbike und Downhillfahrrad mit Mittelmotor und selbstentwickeltem Akkupack sollte seine Lenker ohne große Anstrengung auf die Berge bringen. "Die Leute steigen ja auch in den Lift." Die Talfahrt sollte sich anfühlen wie auf einem Mountainbike. Es blieb bei einer Machbarkeitsstudie und einem Prototyp, der nie in Serie ging.

Aber die Erfinder hatten Blut geleckt. "Was können wir Supercooles bauen?", fragten sie sich. Man habe viel Geld für die Recherche verbraucht, um diverse Fahrradprodukte aus aller Welt zu kaufen und zu testen, erinnert sich Dastrandj, "auch viel Blödsinn aus China". Bei den E-Bike-Antrieben habe sie keiner überzeugt. Also setzten sich Dastrandj und seine Kollegen vor das weiße Blatt Papier und fragten sich: "Was soll ein Antrieb können?"

Es war klar, dass sich die Technik nicht in den Vordergrund spielen durfte, sondern möglichst unsichtbar sein sollte. "Je weniger man vom Antrieb sieht, desto eher wird das E-Bike akzeptiert", sagt Stöckl. Ein E-Bike sollte einfach aussehen wie ein Fahrrad.

Es brauchte weitere lange Recherchen, um herauszufinden, mit welcher Technik dieses Ziel zu erreichen war. "Wir haben uns weggesperrt und entwickelt. Wir wollten nicht einmal, dass das Telefon läutet", sagt Dastrandj rückblickend. Finanziell sei das oft sehr schwierig gewesen.

Kompakt und robust

Zu fünft habe man zwei Jahre gebraucht, bis 2011 das Konzept stand und eine marktseitige Entwicklung begann. Die Finanzierungssuche habe man bewusst hinausgezögert. Weitere zwei Jahre später war man so weit - man konnte etwas herzeigen: eines der kleinsten Antriebssysteme auf dem Markt, im Durchmesser nicht größer als ein Kettenblatt eines normalen Fahrrads. Und dort, wo bei Rädern das vordere Kettenblatt ist, soll auch der Ressel'sche Antrieb angebracht sein. Dastrandj: "Wenn man ein Fahrrad ansieht, wo gehört ein Motor dann logischerweise hin?"

Das Coax One, wie das Produkt getauft wurde, soll von den E-Bike-Herstellern einfach in den Fahrradrahmen integrierbar sein. Stöckl und Dastrandj werben mit Robustheit, universaler Einsetzbarkeit und zukunftsweisender Softwareanbindung.

Auf der Suche nach Finanzierung stießen die Unternehmer heuer auf den neu lancierten AWS-Gründerfonds, der im Auftrag von Wirtschafts- und Finanzministerium von der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS) angeboten wird. In Kofinanzierung mit privaten Geldgebern hält der Gründerfonds rund 39 Prozent des Unternehmens. Ressel Antriebstechnik war eines von 230 Unternehmen, das seit Jahresbeginn Finanzierungsanfragen stellte, erklärt der Geschäftsführer des Gründerfonds Ralf Kunzmann.

Elektrifizierte Lastenräder

2014 soll es dann so weit sein: Das Coax One soll sich am Markt erproben. Mit einschlägigen E-Bike-Herstellern sei man bereits im Gespräch. Kommendes Jahr soll mit Kunden und Anwendern im Rahmen eines "Pilotjahrs" getestet und optimiert werden.

Langfristig erwarten sich die Erfinder, dass bis zu 50 Prozent der verkauften Räder E-Bikes sein werden. Das Sortiment werde sich auffächern, von elektrifizierten Mountainbikes über Lastenräder bis zu betrieblichen Radflotten für die Hauszustellung. Sowohl Pedelecs, die ihre Fahrer bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometer unterstützen, als auch die "Schweizer Klasse", die den Motor erst bei 45 km/h abschalten, sollen unterstützt werden. Mit dem Antrieb wolle man sich in einem "hochqualitativen Preissegment" positionieren.

Das Pedaletreten wird beim Coax One den Akku, der auch unsichtbar im Rahmen verbaut sein kann, allerdings nicht aufladen. Solche Systeme seien eher ein "Marketing-Gag", sagt Stöckl. Die Energierückgewinnung sei komplex und bringe bei geringem Gewicht wenig.

Nicht nur das Fahren wird den Akku leersaugen: Über den Energy BUS, der sich an USB-Anschlüssen orientiert und elektronische Komponenten verbinden soll, werden Navigation, Lichter, Display und alles, was den Equipmententwicklern sonst noch einfallen mag, angeschlossen sein. Auch E-Bikes werden in Zukunft gut vernetzt sein. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 6.11.2013)