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Amtsinhaber Emomali Rachmon ist in Duschanbe allgegenwärtig, aber offensichtlich kein Aufreger.

Foto: REUTERS/Nozim Kalandarov

In der zentralasiatischen Republik Tadschikistan wird heute, Mittwoch, der Präsident gewählt. Der Sieger steht schon fest: Amtsinhaber Emomali Rachmon. Der Druck auf die Opposition, die die Wahl boykottiert, dürfte radikale Islamisten stärken.

Das Wohnzimmer, in dem Ismail Talbakow seine Gäste empfängt, ist - wie es sich für einen Kommunisten ziemt - spartanisch eingerichtet: eine abgesessene Couch und ein ebenso alter Sessel, ein flacher langer Tisch. Einziger Luxus ist ein Flachbildfernseher. Über der Couch hängen das Porträt des Hausherrn und ein Foto, das Talbakow bei der Entgegennahme eines Ordens durch Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon zeigt. "Rachmon ist mein Freund", sagt er und erinnert sich mit Wehmut der Zeiten, als beide gemeinsam Parteifunktionäre in der Provinz waren. Heute ist Talbakow als stellvertretender Kommunistenchef einer der fünf Herausforderer des seit gut 20 Jahren regierenden Präsidenten.

"Es ist nicht so, dass Rachmon mir nicht gefällt, mir gefällt nur nicht seine Politik in Sozial- und Wirtschaftsfragen", sagt Talbakow. Er wünscht sich engere Integration mit Russland und eine Teilrücknahme der Privatisierung. Viel mehr Kritik am Staatschef ist aus Talbakow nicht herauszulocken, aber allein damit ist er der Gegenkandidat mit der wohl schärfsten Rhetorik. So erklärte ein anderer Kandidat, Saidschaffar Ismonow, öffentlich, sein Sohn werde Rachmon wählen.

Ojnachol Bobonasarowa ist weder mit Rachmon befreundet, noch hätte sie für ihn gestimmt. Sie kritisiert den Präsidenten wegen der grassierenden Korruption, seines autoritären Führungsstils und der miserablen Wirtschaftspolitik, die Tadschikistan eines der ärmsten Länder bleiben lässt und schon über eine Million Menschen auf Arbeitssuche außer Landes getrieben hat. Wohl deshalb wurde die Bürgerrechtlerin nicht als Bewerberin registriert.

Dabei galt sie dank einer Koalition mit der Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW) und Sozialdemokraten sogar als aussichtsreichste Herausforderin. Über 200.000 Unterschriften sammelte sie für ihre Bewerbung, doch der Wahlkommission waren das immer noch 8000 zu wenig.

Bobonasarowa berichtet über zahlreiche Verstöße seitens der Obrigkeit. So durften die großteils der Opposition nahe stehenden Arbeitsemigranten im Ausland nicht unterschreiben, obwohl sie wahlberechtigt sind. Zudem forderten die Behörden eine doppelte Beglaubigung der Unterschriftenlisten: Zunächst mussten die leeren Listen von Beamten begutachtet werden, dann die vollen.

"Ich habe mit Druck gerechnet, aber nicht mit solch einem Druck", bekennt die Oppositionskandidatin. Dabei zeichneten sich Tadschikistans Sicherheitsorgane nie durch Samthandschuhe aus. Seit Jahren haben Rachmons politische Gegner die Wahl zwischen Gefängnis und Emigration.

Kein Kopftuch

Ob Bobonasarowa Rachmon hätte schlagen können, ist mehr als ungewiss. Auch in der Opposition war sie nicht unumstritten. Der Chef der Sozialdemokraten hatte eigene Ambitionen, zudem wäre es schwer gewesen, allen Anhängern der Islamisten eine Frau als Präsidentin zu vermitteln, die sich weigert, Kopftuch zu tragen. Der plumpe Ausschluss der Opposition von den Wahlen dürfte freilich nur die radikalen Kräfte stärken - in der Nachbarschaft Afghanistans ist das durchaus brisant.

"Wir sind keine Taliban und nicht Al-Kaida", betont PIW-Vizechef Muhamadali Chaid. Seine Partei halte sich an die Gesetze und werde trotz Wahlboykotts auch nicht zu Demos aufrufen. Doch der Druck auf Partei und Islam werde extremistischere Strömungen auf den Plan rufen, warnt er. Das glaubt auch Bobonasarowa. Es sei wichtig, demokratische Grundregeln zu schaffen und den gemäßigten Islamisten die Teilhabe an der Politik zu ermöglichen. "Mit Gewalt lässt sich das Problem auf Dauer nicht lösen." Dass das Pulverfass explodieren kann, haben die Kämpfe im Sommer 2012 gegen Separatisten im Osten des Landes gezeigt, bei denen rund 200 Menschen ums Leben kamen. (André Ballin aus Duschanbe, DER STANDARD, 6.11.2013)