Zwölf Millionen Menschen suchen alljährlich auf den Kanaren, den zu Spanien gehörenden Inseln im Atlantik, Erholung. Sie kommen als Touristen und sind willkommen. 36.000 Flüchtlinge erreichten die Eilande 2006 zu Boot, etwa gleich viele wie heute, doch erwünscht waren sie nicht: "Vielmehr hieß es, der Flüchtlingszustrom drohe die Aufnahmekapazitäten der Inseln zu überlasten", sagte der Journalist, Flüchtlingshelfer und Friedensarbeiter auf Burg Schlaining, Elias Bierdel, beim STANDARD-Montagsgespräch.
Teil 1 des Videos vom Montagsgespräch.
Zwar stehe unter den Insel-Vorposten der EU seit dem Ertrinkungstod hunderter Bootsflüchtlinge in Hafensichtweite derzeit das italienische Lampedusa im Fokus. "Aber auch in Lampedusa wird eine Knappheit von Empfangs- und Versorgungsstrukturen für Flüchtlinge aufrechterhalten, also produziert." Die Bilder ähnelten sich, sagte Bierdel, der nach der Rettung von Bootsflüchtlingen vor Sizilien 2004 der Schlepperei beschuldigt wurde. Politisch und medial entstehe dadurch eine "Form der Hysterie", ein völlig unzutreffender Eindruck des Überranntwerdens.
Wohin mit den Flüchtlingen, wo liegen die Alternativen zu seeuntauglichen Booten und Lebensgefahr? Als Antwort hatte Moderator und STANDARD-Kolumnist Gerfried Sperl zwei Vorschläge: Wäre die Einrichtung von Camps in Nordafrika durch die EU eine Lösung, so wie es etwa dem früheren deutschen Innenminister Otto Schily (SPD) vorschwebte?
Nicht aufnahmebereit
Derlei Auffanglager gebe es bereits, wenn auch unter Ägide des Uno-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR, entgegnete hier Manfred Nowak, Menschenrechtsexperte der Uni Wien. Hunderttausenden Syrern sei dort der Flüchtlingsstatus bereits zuerkannt worden. Was fehle, seien Aufnahmekapazitäten, vor allem in der EU.
Dann könnte man doch Ölkonzerne um logistische Hilfe vor Ort ersuchen - immerhin machten diese in vielen Flüchtlingsherkunftsstaaten gute Geschäfte -, fasste Sperl nach. "Die Firmen bieten Infrastruktur für Mitarbeiter. Für Migranten wäre das vielleicht geeignet, nicht aber für die vielen Traumatisierten", reagierte Grünen-Europaabgeordnete Ulrike Lunacek.
Teil 2 des Videos vom Montagsgespräch.
Es bleibe dabei, die Lösung der humanitären Flüchtlingskatastrophe an Europas Außengrenzen liege in Europa, betonten Nowak und Bierdel. Und zwar mittels Änderung des EU-internen Asylzuständigkeitssystems laut Dublin-II-Verordnung. Lunacek: "Das ist eine Krux." Derzeit würden die Staaten an den EU-Außengrenzen "alleingelassen". Detto sei dringend das Wiedereinführen der Asylantragstellung in Botschaften zu erwägen.
"Das Prinzip, dass ein Flüchtling im ersten sicheren Land, das er erreicht, Asyl zu beantragen hat, halte ich für richtig", widersprach hier der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ). Er nahm Österreichs Asylpolitik in Schutz: In der Ungarkrise habe das Land Flüchtlingen "viel gegeben". Von großem Änderungsbedarf könne auch heute keine Rede sein: "Österreich wurde schon sehr viel zugemutet." (Irene Brickner, DER STANDARD, 6.11.2013)