"Bildung – das war eines der Top-Wahlkampfthemen, das wird eines der Top-Themen für die nächste Regierung sein. Leider ist damit immer nur die Schulbildung gemeint. In der umfangreichsten Fassung noch 'vom Kindergarten bis zur Uni'. (Andreas Khol, 13.10.13).

Das ist zu kurz gegriffen. Die durchschnittliche Verweildauer in der Schule ist zehn Jahre bis zum Pflichtschulabschluss und für höhere Schulbildungsformen dann etwa noch zehn Jahre mehr. Die nachfolgende Zeit der beruflichen Weiterbildung beträgt dann aber – zumindest potenziell – 35 bis 45 Jahre. Man könnte also sagen, dass diese Bildungsphase des lebenslangen Lernens (zehn Jahre ist das diesbezügliche EU-Jahr auch schon wieder her) um einiges gewichtiger ist.

Aber alle Untersuchungen weisen eine noch viel wichtigere Periode für das Bildungsniveau der Menschen aus (nicht nur in Österreich, aber hier auch): die Vorschulzeit – noch präziser sogar die Vor-Kindergartenzeit. In diesen ersten Lebensjahren wird mit einer achtzigprozentigen Trefferquote das Bildungsniveau für das ganze zukünftige Leben festgelegt.

Es liegt also nahe, den Fokus der Bildungspolitik in erster Linie und vor allem auf diesen Lebensabschnitt zu legen. Und hier naheliegend: nicht auf die direkte Bildung der Kleinstkinder, sondern auf die direkten Einflussgrößen für deren späteres Bildungsniveau. Das sind in erster Linie die primären Bezugspersonen.

Umso verwunderlicher, dass es für diese Causa prima in den Regierungsbehörden – sprich hauptsächlich Ministerien – gar keine explizite Zuständigkeit, nicht einmal eine spezielle Expertengruppe gibt.

Dass dieses Thema zugegebenermaßen ein schwieriges Problemfeld ist und konkrete Ideen zur Lösung nicht vorliegen, kann keine Entschuldigung sein. Das ist eher ein Zeichen mangelnder Beschäftigung damit.

Was ist nun wirklich zu tun?

1. Wie immer: vorerst einmal die gegebene Situation klar analysieren. Und das ist nicht allzu schwer. Kinder mit Bezugspersonen, welche selber ein niedriges Bildungsniveau aufweisen, erreichen in der Vielzahl der Fälle auch kein höheres Bildungsniveau als diese. Und wahrscheinlich wäre das Ergebnis noch prägnanter, wenn man nicht auf das Bildungsniveau der Bezugspersonen abstellen würde, sondern auf deren Einstellung zur Bildung. Scharf formuliert: Bildungsfeindlichkeit der primären Bezugspersonen verhindert in geschätzten 95 Prozent der Fälle gute Bildungsfortschritte der Kinder.

2. Es ist auch nicht allzu schwer, das anzustrebende Ziel zu formulieren: Die Entkopplung der Bildungschancen von Kindern von der negativen Bildungseinstellung der primären Bezugsperson muss steigen. Wie hoch der Prozentsatz genau festgelegt wird, ist dann eine Einschätzungsfrage. Bei der derzeitigen Fünfprozentquote ist die genaue Steigerung wohl nicht die Hauptfrage.

3. Was konkret zu tun ist, das ist allerdings die Kardinalfrage.

Wobei es auch noch zum einfachsten Teil gehört, die Zielgruppe der Maßnahmen zu definieren: Das sind die Bezugspersonen mit negativer Bildungseinstellung – in erster Linie also die Eltern beziehungsweise der alleinerziehende Elternteil.

Diesen Eltern muss geholfen werden. Hier ist pädagogische Unterstützung angesagt. Hier ist mit einer Art Meta-Bildung anzufangen. Also mit einer grundlegenden Bildung darüber, was Bildung ist und welchen Wert sie für die Kinder hat; welche Bildungschancen Kinder haben; welche Chancen die Eltern haben, ihnen dabei zu helfen, und welche Pflicht sie dazu haben – und wo sie für dies alles Hilfe herbekommen.

Schlussanmerkung, um ja kein Missverständnis zu erzeugen: Schulbildung und Vor-Schulbildung sind kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Mit dem Wichtigsten sollte man allerdings zuerst beginnen – zumal es ohnehin als Erstes daherkommt. (Leserkommentar, Niki Harramach und Nina Marvalics, derStandard.at, 6.11.2013)