Wien - Österreich rangiert bei der Attraktivität für eine Forscherkarriere im europäischen Mittelfeld: Das zeigen Ergebnisse eines vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) geleiteten europäischen Forschungsprojekts, in dem mehr als 10.000 Forscher weltweit befragt wurden. In der Studie wurde erhoben, welche Faktoren für Wissenschafter bei der Wahl des Arbeitsplatzes eine Rolle spielen.

Forscher sind überdurchschnittlich mobil - vor allem die USA sind eines der attraktivsten Zielländer. Diese "Brain Drain" genannte Abwanderung wirke sich nachteilig auf Europas Forschungsleistung aus, sagt das Wifo. Über die Beweggründe, an einer US-Forschungsuniversität statt in Europa oder Österreich wissenschaftliche Karriere zu machen, habe man bisher wenig gewusst, so Jürgen Janger vom Wifo.

Die Befragung

In der - im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes "WWWforEurope - Welfare, Wealth and Work for Europe" durchgeführten - Studie mussten sich die Teilnehmer zwischen typischen akademischen Arbeitsplätzen entscheiden. Abgefragt wurden zwei Kategorien: Forscher am Anfang ihrer Karriere, etwa entsprechend einer Assistenzprofessur, und Forscher am Höhepunkt ihrer Karriere, entsprechend einer Professur.

Es zeigte sich, dass junge Wissenschafter vor allem Arbeitsplätze attraktiv finden, die schon zu Beginn eine durchgängige Karriereperspektive versprechen. Der Verbleib sollte dabei nur von einer positiven Evaluierung der Forschungsqualität abhängen. Ein solcher Arbeitsplatz, der dem sogenannten "Tenure-Track-Modell" in den USA entspricht, wird mit einer um 115 Prozent größeren Wahrscheinlichkeit einer befristeten Anstellung vorgezogen. Wichtig sind den Nachwuchsforschern auch die Qualität der Fachkollegen (Wahrscheinlichkeit der Arbeitsplatzwahl steigt um 82 Prozent), Autonomie in der Forschung (76 Prozent), Gehalt (42 Prozent) und die Verfügbarkeit von Drittmitteln (32 Prozent).

Arrivierte Wissenschafter, die Professor werden wollen, richten ihre Entscheidung vor allem nach der Qualität ihrer potenziellen Kollegen (Wahrscheinlichkeit der Arbeitsplatzwahl steigt um 62 Prozent), dem Gehaltsniveau (48 Prozent) und der Verfügbarkeit von Drittmitteln (37 Prozent). Die Lebensqualität - ein Kriterium, das in Österreich immer wieder als Pluspunkt für eine Karriere hierzulande genannt wird - spielt dagegen keine so große Rolle. Sie dürfe nur nicht schlechter sein als am gegenwärtigen Wohnsitz - ist sie besser, habe das fast keine Auswirkungen auf die Arbeitsplatzwahl, so das Wifo.

Ländervergleich

Die so ermittelte Attraktivität von Arbeitsplätzen an Forschungsuniversitäten wurde für elf ausgewählte Länder verglichen, indem ein aus den einzelnen Kategorien zusammengesetzter Indikator berechnet wurde. Die USA schneiden in diesem Vergleich am besten ab, vor einer Gruppe europäischer Länder mit bekannt forschungsstarken Universitäten: Niederlande, Schweden, Großbritannien und Schweiz. Österreich befindet sich gemeinsam mit Deutschland und Frankreich im Mittelfeld, weniger attraktiv sind Italien, Spanien oder Polen.

Die USA verfügen laut Wifo über einen dreifachen Vorteil, der kurzfristig nur schwer zu kompensieren sei: attraktive Gehälter, gute Arbeitsbedingungen und prestigereiche Fachkollegen. Insbesondere Letzteres erschwere den Versuch, zur Exzellenz der USA aufzuschließen: Sind erst einmal viele gute Wissenschafter an einer Universität, so ziehe dies weitere an. Zwar sei der Wettbewerb um Forschungsgelder in den USA sehr intensiv, gleichzeitig aber das Finanzierungsniveau viel höher als in Europa.

In Europa hingegen würden viele Universitätssysteme jungen Wissenschaftern relativ wenig Forschungsautonomie und Arbeitsplätze ohne durchgängige Karriereperspektive bieten. Eine Reform des universitären Karrieresystems könnte die internationale Attraktivität der Arbeitsplätze steigern, meint man beim Wifo. (APA/red, derStandard.at, 6. 11. 2013)