Das Logo des Ministeriums für Glück und Wohlbefinden zeigt einen Bundesadler und die Deutschlandflagge auf weißem Hintergrund. Daneben stehen in schmalen schwarzen Versalien die drei Schlagworte: Bewusstsein, Reduktion und Zufriedenheit. Damit sieht es den Logos anderer deutscher Bundesministerien täuschend ähnlich.

Doch dieses Ministerium gibt es nicht wirklich. Hinter dem Projekt stehen die beiden deutschen Studierenden Gina Schöler und Daniel Clarens. In ihrem Designstudium an der Hochschule Mannheim haben sie für das Sommersemester 2013 die Aufgabe bekommen, eine medienübergreifende Kampagne zu entwickeln, die das Streben nach Profit in unserer Gesellschaft hinterfragen soll. Daraus entstanden ist das Ministerium für Glück und Wohlbefinden.

Rückschau der vergangenen zehn Monate des Projekts.

Öffentliche Debatte über Glück

Das Ziel von Schöler und Clarens war es, eine Debatte über Glück in der Öffentlichkeit anzustoßen. Was macht uns glücklich? Was ist gutes Leben? Diese Fragestellungen sollten dazu dienen, herauszufinden, was in unserer Gesellschaft wichtig ist. "Klima- und Umweltveränderungen sowie die Krise zeigen, dass einiges in Schieflage geraten ist", sagt Saskia Rudolph, Dozentin der Positiven Psychologie, die das Projekt von Anfang an unterstützt.

Wenn es darum geht, festzustellen, wie gut es einer Bevölkerung geht, richtet sich die Politik im Moment vor allem nach dem Burttoinlandsprodukt. Für Schöler und Clarens greift diese Beurteilung aber zu kurz. Sie wollen sinnlosen Konsum und das Streben nach grenzenlosem Wirtschaftswachstum hinterfragen.

Gina Schöler und Daniel Clarens haben das Ministerium für Glück und Wohlbefinden gegründet.
Foto: Mfg

Konzept des Bruttonationalglücks

Als Vorbild für das Ministerium für Glück und Wohlbefinden dient das Land Bhutan, wo es kein wachstumsorientiertes Wirtschaftsmodell gibt. Seit den 70er-Jahren ist in Bhutan Glück als politisches Ziel verankert. Mit regelmäßigen Glücksumfragen wird das Bruttonationalglück gemessen. Die "Happiness Commission" wertet dann die Ergebnisse aus, und die politischen Entscheidungen der Regierung werden mit dem Wohlbefinden der Bevölkerung gegengeprüft und bei Bedarf adaptiert.

Doch inwieweit lässt sich das Konzept des Bruttonationalglücks, das in Bhutan stark mit dem Buddhismus verknüpft ist, auf Deutschland und andere westeuropäische Staaten übertragen? "Uns geht es nicht darum, eine Idee überzustülpen, sondern die Leute zum Nachdenken anzuregen", sagt Rudolph. Denn wichtiger als die Frage nach dem Kontostand sei, ob es den Leuten gutgeht.

Dass wirtschaftlicher Erfolg aber nicht völlig unrelevant ist, gibt auch Rudolph zu. "Auch in der Glücksforschung weiß man, dass Menschen glücklicher sind, je mehr Geld sie haben. Auch Arbeit spielt eine große Rolle." Ab jenem Punkt, an dem die grundsätzlichen Bedürfnisse eines Menschen erfüllt sind, würde das Glücksempfinden aber auch mit mehr Geld nicht mehr zunehmen.

Das Logo sieht dem anderer deutscher Bundesministerien täuschend ähnlich.
Grafik: Mfg

Glück als politisches Ziel

Die Frage ist, inwieweit es die Aufgabe der Politik sein kann, sich um das Glück der Menschen zu kümmern. "Die Politik könnte schon bestimmte Rahmenbedingungenen setzen, denn sie hat mehr Möglichkeiten als Einzelne", sagt Rudoph. Generell soll das Ministerium für Glück und Wohlbefinden aber eher eine Schnittstelle zwischen Politik und Wissenschaft sein und als Plattform für den Dialog mit der Zivilgesellschaft dienen. "Wir sind nicht so krass politisch eingestellt und wollen auch keine Systemkritik üben", sagt Rudolph. Man wolle eher die Position einer neutralen Moderation übernehmen und verschiedenen Meinungen einholen.

Trotzdem hat die Idee der Studierenden auch das Interesse des deutschen Bundestags geweckt. Mitglieder der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" haben sich mit Schöler und Clarens zusammengesetzt und sich mit deren Ideen auseinandergesetzt.

"Bruttonationalglück für alle!" sollte es bald nicht nur in Bhutan, sondern auch in Deutschland geben.
Foto: Mfg

Idee soll nicht sterben

Mit der wachsenden Anzahl an Aktionen und Unterstützern haben Schöler und Clarens die Kampagne ausgeweitet und gemeinsam zu ihrer Masterarbeit gemacht. Diese ist nun abgegeben, ein Video zeigt Impressionen der vergangenen zehn Monate. Zu Ende soll das Projekt aber dennoch nicht sein. "Das ist viel mehr als eine Masterarbeit, wir machen auf jeden Fall weiter und überlegen nun, was wir tun können, damit die Idee nicht stirbt", sagt Rudolph. Das Ministerium für Glück und Wohlbefinden soll dann als Dachorganisation fungieren, die mit anderen Projekten, die auf diesem Gebiet tätig sind, in Kontakt steht.

Die Gründung eines Ministeriums für Glück und Wohlbefinden hält Rudolph in Deutschland aber nicht für besonders realistisch. Sehr wohl jedoch den Ansatz, dass in Zukunft auch Experten unter dem Aspekt der Glücksforschung zu bestimmten Themen eingesetzt werden.

Wertewandel der Generation Y

Ein Wertewandel lasse sich laut Rudolph vor allem bei der jüngeren Generation feststellen – ob mit oder ohne Ministerium für Glück und Wohlbefinden. Leute der Generation Y, also jene Menschen, die heute in etwa Mitte zwanzig sind, seien nicht mehr bereit, nur für Geld zu arbeiten. "Sie wollen etwas tun, das einen Sinn hat", sagt Rudoplh. Das könne in Zukunft sehr viel verändern. (Elisabeth Mittendorfer, derStandard.at, 8.11.2013)