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Dichter Smog: eine Szene aus Xingtai in der Provinz Hebei. Ein Grund ist laut Experten die Urbanisierung.

Foto: REUTERS/China Daily

China muss in Sachen Umweltpolitik die Flagge der Veränderung hissen. Doch Grund ist nicht etwa der Warschauer Klimagipfel, der am Montag beginnt. Den weltgrößten Verursacher von Treibhausgasen zwingen dazu hausgemachte Versäumnisse, besonders die Luftverschmutzung. Nicht nur die eigene Bevölkerung hält sie nicht mehr aus. Auch Nachbarn wie Südkorea und Japan protestierten jetzt heftig. Seit Ende Oktober messen sie hohe Feinstaubkonzentrationen in der Luft, die bis zu 40 Prozent von China kommen.

Pekings Klimaunterhändler Xie Zhenhua, Vizechef der Entwicklungs-und Reformkommission NDRC, der mächtigen Staatsplanungsbehörde, gestand am Dienstag erstmals selbstkritisch ein, dass der Dauersmog nicht mehr Wetterkapriolen zu verdanken, sondern "zur Norm" geworden ist. Hauptschuld daran trage Chinas grobschlächtiges Wirtschaftsentwicklungsmodell, das Pekings Partei gerade ändern möchte, eine irrationale Industrie- und Energiestruktur sowie die ihr zugrunde liegende Verbrennung von fossilen Stoffen wie Kohle, Öl und Gas.

Eine nachhaltig geschützte Umwelt steht plötzlich ganz oben auf der Agenda des am Wochenende in Peking zusammentretenden großen ZK-Wirtschaftsplenums zur neuen Reformpolitik. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua schreibt: "Nach 35 Jahren Reform- und Öffnungspolitik leiden die meisten Chinesen nicht mehr an Armut und Hunger. Sie erwarten von neuen Reformen, dass sie ihnen saubere Luft, Wasser und sichere Nahrungsmittel bringen."

Rote Linie

Xinhua zitiert dazu auch noch den neuen Parteichef Xi Jinping: Die Regierung müsse eine "ökologische rote Linie" ziehen und streng überwachen, alle Regionen hätten ihre industrielle Entwicklung danach auszurichten.

Das gibt es nicht zum Nulltarif. Chinesische Unternehmen und ausländische Investoren müssen sich auf verschärfte Umweltauflagen einstellen, wenn Peking das Problem in den Griff bekommen will. Und Vizeminister Xie kündigte weitere Schritte an. Priorität habe "Verringerung des Kohleverbrauchs, Kontrolle der Autos, Reduzierung des Staubs."

Täglich treffen neue Hiobsbotschaften ein, welchen Preis die Umwelt für das Wachstum zahlen muss. Neue Warnungen kamen am Dienstag auch von der Akademie für Sozialwissenschaften. 2013 wurden mit 29,9 Durchschnittstagen gesundheitsgefährdender Luftverschmutzung die meisten Smogtage seit mehr als einem halben Jahrhundert gemessen. Für 90 Prozent der Emissionen seien die rasant wachsenden Städte verantwortlich. Chinas weitere Urbanisierung, die ein zentrales Thema des Wirtschaftsparteitags am Wochenende ist, müsse von einer Politik zur Förderung niedriger CO2-Emissionen begleitet werden. Sonst bekomme das Land seine Umwelt nicht mehr in den Griff. (erl, DER STANDARD, 8.11.2013)